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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

des Großkanzlers an den König. Dasselbe ist aus Cleve vom 4. Mai 1749 datirt. Es heißt in demselben:

„Ich bedaure von Herzen, daß mein Sohn durch eine unglückliche Passion sich zu neuen Ausschweifungen hat verleiten lassen. Ich werde alle Mühe anwenden, denselben durch vernünftige Vorstellungen aus dem Precipice, worinnen er sich zu werfen scheinet, zu retten. Wenn aber dieser Mensch zu weit gehen sollte, werde ich die Freiheit nehmen, bei Ew. K. Maj. Hülfe zu suchen.“

Die „neuen Ausschweifungen“ deren der Vater Erwähnung thut, gestatten einen Schluß auf „ältere Ausschweifungen“ des Herrn Sohnes. Ob der Gegenstand derselben auch schon die Barbarina gewesen, darüber weitere Untersuchungen anzustellen, fühlen wir uns hier nicht veranlaßt. Vielleicht beziehen sich jene Worte auf einen kleinen Exceß, dessen Gedächtniß, unserem Gewährsmann zufolge, durch mündliche Ueberlieferung in der Familie des ehemaligen Decorationsmalers Verona aufbewahrt worden ist. Nach diesen allerdings anderweitig nicht verbürgten Mittheilungen soll der Herr Geheime Rath von Cocceji sich so weit vergessen haben, bei einer Vorstellung, in welcher die Barbarina getanzt, auf die Bühne zu springen und ihr eine öffentliche Liebeserklärung zu machen.

Daß und in welcher Weise der König schon vorher sich m diese Angelegenheit gemischt haben oder in dieselbe hineingezogen sein muß, geht aus einem unter dem 12. April 1749 an den Geheimen Rath von Cocceji gerichteten, französisch geschriebenen Briefe hervor, in welchem es heißt:

„Ich will gern glauben, daß Ihr, wie Ihr durch Euer Schreiben vom 12. d. M. Mich überzeugen wollt, nicht beabsichtigt, Meinen Dienst und Meine Staaten zu verlassen. Auch betrifft Meine Verstimmung gegen Euch nicht sowohl diesen Punkt, als vielmehr das zügellose Benehmen, dessen Ihr Euch bisher schuldig gemacht, indem Ihr Euch an eine Landstreicherin und Abenteurerin hängt, die, wenn Ihr sie nicht bei Zeiten aufgebt, Euch nur Schande bringen wird. Der tödtliche Kummer, welchen Ihr Eurer von Mir bisher so besonders ausgezeichneten Familie bereitet, muß Mich höchst empfindlich berühren und wird Euch, wenn Ihr Euer Leben nicht ändert, Meine volle Ungnade zuziehen. Ihr solltet doch bedenken, wie viel Flüche Ihr von Eurem Vater auf Euch ladet, dessen Tage ein Leben wie das Eure verkürzen muß, was, wenn es geschehen und Ihr dann später einmal in Euch geht, Euch nur vergebliche Reue und Gewissensbisse bereiten kann. Wollet alles dieses wohl bedenken; ändert Euer Leben und betraget Euch wie ein anständiger und vernünftiger Mann, dann möget Ihr Euch Meiner Gnade und völligen Protection versichert halten.

Friedrich.“

Wie weit die verliebte Leidenschaft des Sohnes den königlichen Ermahnungen zugänglich gewesen, erhellt aus folgendem, in sehr schlechtem und orthographisch fehlerhaftem Französisch geschriebenen Briefe der Mutter an den König:

     „Sire!

Wenn irgend etwas in der Welt im Stande wäre, mich zu trösten, so ist es das gnädige Schreiben, mit welchem Ew. M. mich beehrt. Ich würde nicht verfehlt haben, Ihnen schon viel eher meinen Dank auszudrücken, hätte nicht die Scham über die Antwort meines Sohnes an den Staatsminister, Grafen von Podewils, über welche derselbe, wie er mir sagt, bereits an Ew. M. berichtet, alle meine Gedanken geradezu verwirrt und in eine schreckliche Unsicherheit versetzt.

Indessen habe ich gestern erfahren, daß Ew. M. uns einer neuen Gunstbezeigung gewürdigt, indem Sie durch den Kämmerer Fredersdorf der Barbarina eröffnen ließen, daß Sie niemals eine Verbindung meines Sohnes mit ihr zugeben würden; daß dieselbe sich nicht mit der Hoffnung auf Ew. M. königlichen Schutz schmeicheln, daß sie vielmehr ein Land verlassen sollte, wo sie nur Unheil stiftete. Diese Nachricht hat mich zu solchem Dank verpflichtet, daß, so lange ich lebe, mein Herz dessen voll sein wird; hätte ich tausend Leben und gehörte ich einem andern Geschlecht an, ich würde dieselben nur im Dienst eines Monarchen verwenden wollen, der so gütig, der so im wahren Sinne der Vater seiner Unterthanen ist. Indem Ew. M. sich herablassen, sich mit den Angelegenheiten unserer Familie zu befassen, wolle Ihre Güte nur nicht ermüden, meinen unglücklichen Sohn, wenn es noch ein Mittel zu seiner Rettung gibt, trotz seiner Unwürdigkeit zu retten! Wenn Ew. M. ihm vielleicht durch einen Ihrer Secretäre schreiben ließe, daß die Barbarina die königliche Genehmigung zu einer Verbindung mit ihm nachgesucht habe, daß aber, da Sie ihn unmöglich eines so niedrigen Gedankens fähig hielten, noch ihm zutrauten, er würde durch eine so unwürdige Handlung seinen Vater unter die Erde bringen wollen, Ew. M. ihr befohlen habe, die preußischen Lande zu verlassen, ihn aber vor dem wahnsinnigen Einfall, ihr etwa zu folgen, warne; daß, sollte er sich ja so weit vergessen, Ew. M. ihn, in welchem Winkel Europas er sich auch verborgen hielte, als Ihren Unterthan reclamiren würden; daß aber, falls dies nicht seine Absicht wäre und er zu seiner Pflicht zurückkehrte, Ew. M. ihm, in Rücksicht auf seine Talente, die Gnade erweisen wollten, das Geschehene zu vergessen und ihn mit seinem Vater zu versöhnen! Indessen, Sire, meine Hand zittert, indem ich diese Bitte niederschreibe. Meine mütterliche Zärtlichkeit macht mich blind; wie hätte ich sonst die Kühnheit, meinem Könige dergleichen Vorschläge zu machen? Allein, Sire, Alles was ich besitze, verdanke ich der Großmuth Ihres erlauchten Hauses. Der hochselige König hat das Glück meines Vaters, Ew. M. haben das meines Gatten begründet und uns mit Gnaden überhäuft. Die Gnade, meinen Sohn von seiner wahnsinnigen Leidenschaft zu heilen, wird größer als all’ die anderen sein.

Schon zwei Posttage warte ich vergeblich auf Briefe von meinem Gatten, der sonst keine Gelegenheit, mir zu schreiben, vorübergehen läßt. Wenn er nicht etwa krank ist, so erhalten Ew. M. sicherlich ein von seinem Zorn ihm eingegebenes Schreiben. Sire, vergeben Sie ihm die Aufwallungen des Augenblicks; trotz alledem bleibt er doch immer Vater.

Ich bin etc. etc.

Berlin, 1. August 1749.

von Cocceji, geb. von Bescheser.“

Welchen Eindruck dieser Schmerzensschrei der zärtlichsten Mutterliebe auf den König gemacht, ein wie lebhaftes und werkthätiges Interesse überhaupt die ganze Angelegenheit ihm eingeflößt haben muß, zeigt die Schnelligkeit und Energie, mit welcher er bereits am zweiten Tage nach der Abfassung des mitgetheilten Briefes folgende, aus Potsdam vom 3. August datirte Cabinetsordre an den General-Lieutenant von Haacke erließ:

„Mein lieber G.-L. Graf v. Haacke!

Euch wird nicht unbekannt sein, daß, nachdem die bekannte Barbarina, sich unvermuthet wiederumb in Berlin eingefunden, der älteste Sohn des Groß-Cantzlers v. Cocceji sich von neuen wiederumb dergestalt vergessen hat, daß derselbe mit gedachter Barbarina nicht nur den genausten Umgang hat, sondern auch die Absicht haben soll, sich mit derselben verheirathen zu wollen. Nun habe Ich ihr zwar bereits darüber durch den Etats Minister Gr. v. Podewils sehr serieuse Remonstrationen thun, auch ihn so wohl als die Barbarina besonders bedeuten lassen, daß Ich nimmermehr zugeben würde, daß diese Heirath geschähe, wobei der letzteren insonders insinuiret worden, daß, da sie sich Meiner Protection durch ihre Conduite ganz unwürdig gemacht, sie wohl thun würde, sowohl Berlin als Meine Lande gäntzlich zu quittiren. Derweile Ich aber besorgt bin, daß diese verführerische Creatur den jungen Cocceji dergestalt einnehmen und den Kopf verdrehen möchte, daß derselbe heimlich von Berlin weg gehe, um der Barbarina anders wohin außerhalb Landes zu folgen, wo er vermeynet, sich mit ihr trauen lassen zu können, Ich aber seinen würdigen Eltern dergleichen Chagrin und seiner Familie sothane Prostitution sehr gerne ersparen möchte, so ist Mein Wille, daß Ihr gedachten jungen v. Cocceji, und zwar unter guter Aufsicht, zu Euch oder auch nach seiner Mutter Hause kommen lasset und demselben alsdann zuförderst sein ohnvernünftiges und unbesonnenes Betragen, auch wie sehr er seine Eltern dadurch molestire, vorstellig machen, demnächst aber denselben ohne daß es einiges Aufsehen gebe arretiren, und solchen sodann, es sei in ein anderes Haus zu Berlin oder auch an einem andern Orthe außerhalb Berlins, bringen zu lassen, wo derselbe nicht echappiren oder einigen Connex mit der Barbarina haben kann. Auch soll niemand so viel es möglich ist seinen Aufenthalt erfahren, noch daß er überhaupt arretirt sei, woselbst er alsdann so lange bleiben, auch wohl verwahrt gehalten werden muß, bis die Barbarina von Berlin weg sei und Meine Lande quittirt hat, der pp. Cocceji aber sein ohnvernünftiges Betragen erkennen und der ihm so sehr unanständigen Passion entschlagen haben wird. Ihr habt Euch also hienach zu achten, und nach Erforderniß mit dem v. Cocceji deshalb zu concertiren, jedoch auch Eure Mesures dergestalt zu nehmen, daß der junge Cocceji derer Execution nicht etwa heimlich ausweichen kann, und übrigens aber alles was Ihr darunter thun werdet, dergestalt einzurichten, daß kein Mensch, er sei wer er wolle, weiter etwas davon erfahren noch wissen kann, wohin eigentlich derselbe gebracht und wo er geblieben sei. Ihr sollet übrigens der Mutter die Versicherung geben, daß Ich lediglich aus Égard vor Sie und ihres Eheherrn zu gedachter Resolution geschritten sei, inzwischen solches ihrem Sohn im geringsten nicht präjudiciren, sondern demselben seine Bedienung völlig conservirt bleiben, er auch sobald er wieder zu sich selbst gekommen und sich der Passion gegen obgedachte verführerische Creatur entschlagen haben würde, wiederumb auf freien Fuß gestellt werde und seine functiones nach als vor continuiren solle. Ich bin etc. etc.“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


So muß es kommen! Zu dem Unkraut, welches in der Neuzeit außerordentlich überhand nimmt, gehört der Uebermuth und die Habgier so mancher Sänger und Sängerinnen, deren unbescheidene Unersättlichkeit sich an den Hohenpriestern der schönen, göttlichen Musik sehr unästhetisch ausnimmt.

Eins der eclatantesten Beispiele dieser Art ist die Sängerin Adeline Patti, jetzt Primadonna in Paris, indessen ist hierbei die Schuld vielleicht weniger ihr selbst, als ihrem Schwager, Lehrer und Begleiter Moritz Strakosch beizumessen. Man erzählt sich einige amüsante Geschichten, wie die Speculationen dieser Nachtigall, die goldgieriger ist als irgend eine Elster, doch zuweilen fehlschlagen und mit einer Demüthigung endigen.

Kürzlich wurde sie eingeladen, in dem Salon eines vornehmen Hauses bei Gelegenheit einer Abendgesellschaft einige Arien vorzutragen, und erntete an jenem Abend einen ungeheuren Beifall. Am folgenden

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_255.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)