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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Ob der biedere Uhden diesen würdigen Weg mit glücklicherem Erfolg eingeschlagen, ob seine Diplomatie mit Dienern geschickter als mit Herrschern fertig zu werden wußte, darüber Vermuthungen aufzustellen, müssen wir der größeren oder geringeren Meinung überlassen, welche die geneigten Leser unserer Erzählung sich von den Fähigkeiten dieses geistreichen Staatsmannes gebildet haben. –

So hatten der Muth und die Ausdauer der Liebenden dem energischen Willen des großen Königs und dem dienstfertigen Gehorsam seiner nicht ganz so großen Staatsmänner gegenüber eine wenigstens negative, stillschweigende Anerkennung ihrer ehelichen Verbindung durchgesetzt.

Nicht in demselben Maße war es ihnen gelungen, die Familie des jungen Gatten zur Anerkennung oder wenigstens zur Duldung ihrer Ehe zu bewegen. Im März oder Mai 1752, also mehr als ein Jahr nach der Trauung seines Sohnes mit der Barbarina, wandte der Großkanzler sich in einem längeren Briefe an den König, in welchem er denselben ausführlich und energisch an die ihm selbst unter dem 12. August 1749 (s. oben) ertheilten königlichen Versicherungen sowie an die seinem Sohne gegenüber kundgegebene königliche Meinung erinnert.

„Da ich nun“ – so heißt es dann weiter – „die gewisse Nachricht habe erhalten, daß mein Sohn mit der berüchtigten Barbarina sich wirklich außer Landes von einem catholischen Priester, ohne Proclamation und wider das Verbot seiner Eltern, folglich wider die Landesgesetze trauen lassen, so bin ich gezwungen, die von Ew. K. Maj. mir versicherte Assistenz zu imploriren. Ew. Königl. Maj. geruhen selbst zu ermessen, daß da Ew. K. M. mich zu denen hohen Ehrenämtern erhoben, mir nicht zu verdenken steht, wenn ich meine durch Ew. K. Maj. fundirte Familie vor Schaden zu sichern suche. Wer vermag aber solches zu hoffen, wenn die Barbarina des Groß-Cantzlers Schwiegertochter heißt, und welche Familie wird sich der Meinigen alliiren, wenn dieses lüderliche Weibsstück à la tête ist? Ich werfe mich also zu Ew. K. M. Füßen und bitte, mir zu erlauben: Daß ich die Sache durch den Weg Rechtens (welches Ew. K. M. auch dem geringsten Unterthanen nicht versagen) ausmachen darff. Wann aber Ew. K. M. ja besondere Ursachen haben, meinem Gesuch hierüber nicht zu deseriren, so will ich mir wenigstens die Gnade ausbitten, daß Ew. K. M. geruhen mögten, diese Leuthe an einen anderen Ort zu versetzen. Ich habe diesen Sohn alle Tage vor Augen, wann ich in den geheimbden Rath gehe, und ohne Alteration kann ich ihn nicht ansehen. Ew. K. M. werden also nicht zugeben, daß ich meine grauen Haare mit Hertzeleid in die Grube trage. Ew. K. Maj. erbarme sich über den rechtmäßigen Schmertz eines betrübten Vaters, welcher sich lediglich in Ew. Maj. Arme wirft.“

Der König bedurfte einiger Zeit, um dieses Attentat eines gekränkten Vaterherzens auf die weichsten Seiten seiner landesväterlichen Großmuth zu erwidern. Erst nach mehreren Wochen beantwortete er das Schreiben des Großkanzlers, mit schweigender Uebergehung der übrigen in demselben enthaltenen Bitten, dahin, daß er in die Versetzung seines Sohnes, jedoch ohne jeden Gewinn oder Verlust an Gehalt und Amtswürde, willigte. Er befragt den Vater über das Einkommen seines Sohnes, fordert ihn auf, geeignete Vorschläge bezüglich der Versetzung zu machen, und schließt dann mit der Bemerkung:

„Ihr werdet leicht einsehen, daß Alles was Ich hierunter thuhe, aus einer foiblesse von Mir gegen Euch geschiehet, indem sonsten mehr angeführter Euer Sohn, so lange er in Meinen Diensten nichts versiehet, auch nicht von Mir zu bestrafen sein würde, da dessen unbesonnene Heirath eigentlich Meinen Dienst nicht afficiret. Ich werde demnach Eure weiteren Vorschläge deshalb vorstehendermaßen erwarten und bin übrigens

Ew. wohlaffectionirter     
Friedrich.“

Zwei Tage nach Erlaß dieser Antwort an den Vater richtete der Sohn ein Gesuch an den König, in welchem er sich über die neue Verfolgung von Seiten seiner Familie beklagt und gegen eine etwa beabsichtigte Versetzung protestirt, da seine Gattin soeben mit Allerhöchster Genehmigung ein Haus in Berlin gekauft und er gerade die Unterbringung ihres übrigen Vermögens in die Hand genommen habe.

Auf diesen vom 31. Mai datirten Protest erhielt der Herr Geheime Rath bereits am nächsten Tage folgenden Bescheid, in welchem der König zur Genüge bewies, daß er auch in französischer Sprache deutsch zu reden verstand:

„Euer Schreiben vom 31. vorigen Monats habe Ich erhalten. Vergeßt nicht, wie gröblich Ihr Euren Vater beleidigt habt, indem Ihr ohne seine Zustimmung, ja gegen seinen Willen ein Mädchen geheirathet, das in keiner Weise für Euch paßt. Da aber er seinerseits Euch in gerechter und verdienter Weise mit Entziehung Eures Erbtheils und Ausschließung von seiner Geschlechtsnachfolge bestraft hat, so habt Ihr Euer gebührend Theil erhalten. Uebrigens habt Ihr die Landesgesetze offenbar verletzt, durch Eingehung einer heimlichen Ehe, welche von denselben unbedingt verboten, ja sogar für völlig ungültig erklärt wird. Außerdem muß Ich Euch in’s Gedächtniß rufen, wie gröblich Ihr Mich selbst getäuscht, indem Ihr dem Grafen von Podewils vorgezogen und selbst auf Euer Ehrenwort versichert habt, daß Ihr weder verheirathet noch Willens wäret, Euch zu verheirathen. Allen gegen Eure Aeltern verübten Beleidigungen habt Ihr die Krone aufgesetzt, indem Ihr Eurer Mutter einen unverschämten und der, von jedem anständigen Menschen seinen Aeltern gezollten Rücksicht und Verehrung gänzlich entbehrenden Brief geschrieben habt, für welche Niederträchtigkeit allein Ihr verdient hättet, von Eurem Vater in irgend eine Festung gesteckt zu werden. Aus diesem ganzen unbesonnenen Benehmen hättet Ihr selber wohl denken können, daß Ihr ganz vergeblich Meinen Schutz gegen Eure Aeltern nachsuchet, und daß Ich Euch niemals auf gleiche Linie mit Eurem Vater setzen würde, einem so ehrwürdigen Manne, dessen ganzes Leben durch große und erhabene Dienste ausgezeichnet ist, die er Mir und Meinem Staate geleistet hat. Da indeß Euer Vater nachsichtig genug gewesen ist, Euch nicht, wie er hätte thun sollen, in eine Festung zu stecken; da er außerdem Mich nicht ersucht hat, Euch zu einer Trennung und Scheidung von der gesetzwidrig von Euch geehelichten Person anzuhalten, sondern seinen gerechten Unwillen gegen Euch bis zu dem bescheidenen Wunsche gemäßigt hat, einen Menschen, der der Schandfleck seiner Familie ist, nicht mehr vor Augen zu haben und von dem Anblick eines widerspänstigen Sohnes befreit zu werden, der, um seine Schuld voll zu machen, die Frechheit hat, ihm auf seinen Spaziergängen trotzig gegenüberzutreten, der außerdem die seiner Mutter gebührende Rücksicht so gröblich vergessen kann – da, sage Ich, Euer Vater nichts weiter von Mir verlangt, als Euch für die kurze Zeit, die er noch zu leben hat, an ein anderes Collegium zu versetzen: so habe Ich allen Grund Mich zu verwundern, wie Ihr dazu kommt, Euch über diese seine Vorschläge zu beklagen, statt ihm zu danken und ihn zu preisen für seine große Mäßigung und seine Güte, die so weit geht, daß er durch Eure Versetzung Euch nicht einmal eine Einbuße an dem Gehalt und dem Rang, den ich Euch nur aus Rücksicht auf seine Verdienste verliehen, zugefügt wissen will. In Rücksicht alles dessen weiß Ich Euch keinen andern Rath zu geben, als aufrichtig in Euch zu gehen, vernünftig zu werden, das Unrecht, welches Ihr Euren Aeltern angethan, zu erkennen und die Thorheiten, die Ihr in früherer Zeit begangen, durch ein verständiges, ehrenwerthes und tadelloses Betragen wieder gut zu machen. Das ist das Einzige, was Euch zu thun bleibt, um das Andenken an die Verirrungen Eurer Jugend bei allen anständigen Leuten zu tilgen.“

Wie ernstlich dem Könige die Anbahnung einer wirklichen Versöhnung zwischen Vater und Sohn am Herzen lag, geht aus dem rücksichtsvollen Zartsinn hervor, mit welchem er in diesem Briefe an den Sohn die Fürsorge, daß derselbe an Gehalt und Rang nicht geschädigt werde, als vom Vater ausgehend darstellt, während umgekehrt gerade er, der König, es war, der sie der Erbitterung des Vaters gegenüber geltend gemacht hatte. Von derselben wohlmeinenden Absicht, von demselben rücksichtsvollen Zartgefühl giebt ein anderes Schreiben Zeugniß, welches der König gleichzeitig mit dem an den Sohn gerichteten Briefe an den Vater absandte. In diesem Schreiben, in welchem der König dem Großkanzler für seinen Sohn die Wahl zwischen Stettin, Küstrin und Glogau freistellt, deutet er zugleich an, es werde ihm angenehm sein, wenn der Vater in seinen damaligen weiteren Vorschlägen hinsichtlich des Sohnes sich „nicht so gar hart über sein Sujet ausdrücken“ werde, da derselbe „doch eigentlich nichts in seinem Dienste versehen“ habe, und Alles, was der König behufs seiner Versetzung thäte, lediglich zur „mehreren Beruhigung“ des Vaters geschähe.

Der Großkanzler muß sich für Glogau entschieden haben; wenigstens wurde der Geheime Rath von Cocceji mit Beibehaltung seines Rangs und Gehalts nach dieser Stadt und Festung versetzt. Seine Gattin folgte ihm bald dorthin.

Ob später eine Versöhnung mit der Familie stattgefunden, wissen wir nicht; doch scheint der Umstand, daß die Barbarina seit jener Zeit Berlin nie wieder gesehen, einigermaßen dagegen zu sprechen. Die Ehe des geheimräthlichen Paares soll, wie glaubwürdige Zeugen versichern, eine äußerst glückliche gewesen sein. Die von dem Vater ausgesprochene Enterbung konnte das Paar einigermaßen verschmerzen, da, nach Angaben unseres Gewährsmannes, die Freifrau von Cocceji bei dem Tode ihres Gatten außer drei nicht unbedeutenden Gütern in Schlesien ein baares Vermögen von mehr als hunderttausend Thalern besaß, welches sie zur Gründung eines Stiftes für achtzehn adelige Fräulein verwandte. In Anerkennung dieser edlen Handlung verlieh der Nachfolger Friedrich’s des Großen ihr im Jahre 1789 das Diplom einer Gräfin von Campanini.

Noch lange nach ihrem am 7. Juni 1799 zu Barschau in Schlesien erfolgten Tode lebte dieser Name in dem dankbaren Andenken Vieler, die sie durch reichlich gespendete Wohlthaten erfreut, noch Mehrerer, die sie durch den hinreißenden Zauber ihres liebreizenden Wesens entzückt hatte.



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