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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Im Besitze der vollsten Sprach- und Sachkenntniß, Herr seiner Zeit, lebt der liebenswürdige Schriftsteller seit einer langen Reihe von Jahren in der Wunderstadt, in der er nur einige Tage zu bleiben gedachte, als er sie zum ersten Mal besuchte. Aufopferungsfähig,

Auf dem letzten Aschekegel des Vesuvs.
Nach einer photographischen Aufnahme.

wie kein Zweiter, enthusiastischer Naturfreund überall bekannt und beliebt, ist er die „Vorsehung der Fremden“, welche ihm ein freundliches Geschick entgegenführt. An seiner Seite lernt man so recht den Werth des Flanirens durch die Straßen Neapels kennen.

Auch heute war er so freundlich, mich aus meinem Hotel zu diesem Zweck und dann zu einem größern Ausfluge abzuholen. Ich wohne im Hotel de Russie, „nah dem Himmel schon fürwahr’, meine Zimmerthür führt auf die Plattform des Hauses, lohnt aber die Mühe des Steigens mit einer Aussicht, wie solche wohl selten zum zweiten Male gefunden werden dürfte. Unter mir das Häusermeer der Stadt mit ihren siebenmalhunderttausend Einwohnern am Golf von Neapel, der tiefblau und spiegelglatt zu meinen Füßen sich ausdehnt. Mir gegenüber Portici, hinter welchem der Vesuv, kurze, säulenartige, weißgraue Dampfwolken ausstoßend, sich in scharfen Contouren an dem wunderbaren italienischem Himmelsdom abzeichnet. Rechts sehe ich, dem Meere entsteigend, die sonderbar gestaltete Insel Capri, welche Jean Paul mit einem aus dem Wasser emporragenden Krokodilshaupt vergleicht, zu meinen Füßen liegt die Scala Santa Lucia, der volksthümlichste Theil von Neapel, für dessen Volkstreiben keine Beschreibung ausreicht. Besonders gegen Abend, wenn die Festungen St. Elmo und Castel Nuovo, die an den Hügeln übereinander gebauten, dächerlosen Häuser mit dem hellen Anstrich,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_548.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)