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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

der Hafen mit seinem Mastenwald sich am Horizont scharf abgrenzen und die zahllosen Segel der Schifferbarken, die mit großen Brändern auf den Fang ausziehen, die stille Fluth beleben, wenn dann der Leuchtthurm sein grelles Licht weithin ausströmt, die Bergkette jenseits des Golfs dunkelviolett erscheint, der Vesuv, der alte, grollende Bursche, seine Feuerhaube aufsetzt und der dunkelblaue Himmelsdom seine Millionen Sterne in dem Ultramarin des mittelländischen Meeres abspiegeln läßt, die Uferstaffage ein fröhliches, tolles, lärmendes Volksgewimmel bildet – dann kann man sich nicht trennen von Santa Lucia.

Jenem alten grollenden Burschen, dem qualmenden Feuerberge, einen Besuch zu machen, gehörte zu meinem Reiseprogramm. Jetzt sollte dieses Stück desselben in lieber Gesellschaft zur Ausführung kommen; ehe wir aber die pflichtschuldige Visite abstatten, wolle uns der freundliche Leser und namentlich die freundliche Leserin auf einem kurzen Ausflug zum Kloster St. Martino begleiten, welches der Italiener den schönsten Punkt der Erde nennt. Es ist dieser Punkt für Damen leider ein verschlossenes Buch mit

Im Krater des Vesuvs.
Nach der Natur aufgenommen.

sieben Siegeln, da die strenge Ordensregel des Karthäuserklosters jeden Frauenbesuch auf’s Aeußerste verpönt.

Der Weg führt uns steil aufwärts über Stadttheile, wo die verschiedensten Handwerker auf der Straße bei hellem Sonnenlicht ihre Künste treiben. Hier fertigen, unter dem Feuer einer Unmasse von Essen, die Schlosser mit betäubenden Hammerschlägen die breiten, metallenen Bettstellen, denen auf der andern Seite der Vergolder das elegante Ansehen giebt, welches den Fremden so imponirt, öffentliche Schreiber harren an kleinen Tischchen ihrer Kunden, Zeitungsausrufer und fliegende Buchhändler, letztere meist Colporteure verbotener Brochüren, suchen mit consequenter Zudringlichkeit ihre Waare los zu werden, Recruten- und Militärtransporte durchkreuzen nach allen Richtungen die Stadt. Wir steigen aufwärts, immer höher, wo das Fundament des einen Hauses das Dach seines Nachbars berührt, an dem prachtvollen Hospital vorüber, an eleganten Villen, in deren sorgfältig gepflegten Gärten der Lorbeer zu riesiger Größe emporwächst, der Granatbaum seine reichen Blüthen auf uns herabschüttet, die Magnolie eine Stärke erreicht, fast wie bei uns die vaterländische Eiche, Pfeffer- und Kampherbaum die Luft mit ihrem scharfen Gewürzduft erfüllen, kurz Alles, was wir sehen, unserem nordischen Auge neu und seltsam erscheint, von den Getreidefeldern an, die jetzt, Anfangs Mai, mit reifen, reichen Aehren des Schnitters harren, bis zu den ungeheuren Aloen und dem Cactus, der in Mannshöhe die Grenzen umfriedet.

Wir treten in das Kloster ein. Die frommen Brüder, in strengster Clausur lebend, dürfen nur einen Tag in der Woche sprechen. Einer der Mönche, mit einem prachtvollen bärtigen Gesicht, aus dem Klugheit und Wohlwollen und doch auch ein gewisses weltliches Behagen sprechen, soll unser Führer sein. Er sieht malerisch aus, der alte Herr, in seinem weißen wallenden Ordenskleide, das ihn in reichen Falten umhüllt, und ertheilt uns seinen Segen, unbekümmert, ob wir als Ketzer desselben unwerth sind, oder ob wir ihn als fromme Katholiken verdienen, wenn nur unsere Franken in seine gekrümmte Hand und von da in den Säckel des Klosters fallen.

Da die Priester in der Kirche versammelt sind, wo sie Niemanden sehen dürfen und von Niemandem gesehen werden sollen, so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_549.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)