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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

der Sechzehnte in einem an die Capitel zu Gnesen und Posen gerichteten Breve vom 10. April 1844 sagt: die Capitel hätten in Preußen zu wählen, und zwar nicht aus der Zahl derjenigen, welche die königliche Regierung zu wählen gestatte, sondern aus den Geistlichen, welche sie als dem Könige nicht weniger genehm erachten, sei es wegen des Charakters und der Verhältnisse dieser Personen, sei es wegen vorangegangener Handlungen der Regierung, sei es durch Anwendung anderer Mittel, welche zur Erlangung dieser Einsicht geeignet seien.

Also nicht einmal das Listenverfahren! Ist das Treue?

Das Alles ist in langwierigen ärgerlichen Verhandlungen geschehen und dem Staate ist es schließlich nicht gelungen, den Candidaten, auf welchen er den meisten Werth legte und dem kein canonisches Hinderniß entgegenstand, den Prinzen Hohenlohe, auf den erzbischöflichen Stuhl zu bringen, vielmehr ist es endlich wieder zu einem für den Staat schwachen Compromisse gekommen und der Streit schließlich dadurch entschieden, daß der Papst, unter Verschweigung der mit dem Könige getroffenen Einigung, kraft apostolischer Autorität und Gewalt, den zwei Mal auf die durch das Capitel präsentirte Liste gebrachten Bischof Melchers von Osnabrück auch einen Nichtpreußen, zum Erzbischof von Köln ernannt hat. Gebe Gott, daß diese Ernennung zum Frieden zwischen Staat und Kirche führe!

Aber in dem päpstlichen Ernennungs-Breve vom 21. December 1865 spendet der Papst dem Domcapitel das höchste Lob über die Sorgfalt und den Eifer, womit dasselbe (im offenen Widerspruche mit den der Bulle de salute animarum vorhergegangenen Verhandlungen) die Freiheit der Capitelswahl zu schützen und zu vertheidigen nicht abgelassen und womit es sich deshalb sowohl an den Cardinal Antonelli als an den Nuntius zu München gewandt habe. Er erklärt, daß er dieses Recht nicht nur von Allen in Zukunft unverletzt bewahrt wissen, sondern auch mit dem Könige von Preußen neue Vereinbarungen vornehmen wolle, damit das Capitel um so leichter und sicherer ein so bedeutendes Recht ausüben könne. – Ist das Treue gegen die vertragsmäßig festgestellten Bestimmungen? Und welche Antwort wird man an maßgebender Stelle in Preußen darauf geben?

Die vertragsmäßig festgestellte Mitwirkung des Staates bei Besetzung der Bischofsstühle ist, nachdem durch den Artikel 15 der Verfassung das bisherige Band zwischen Staat und Kirche, der landesherrliche Einfluß auf die Kirchenverwaltung in Personen und Sachen zerrissen ist, die einzige Bürgschaft dafür, daß die Kirche sich nicht anmaße, dem Staate über den Kopf zu wachsen, daß vielmehr Beide Hand in Hand dem Ziele entgegengehen, welches ihre eigentliche Aufgabe ist, der Veredlung der Menschheit.

Der stärkste endlich und der gefährlichste Hebel des Ultramontanismus liegt in den Klöstern und Orden, insbesondere dem Jesuitenorden. Diese Institute des Mittelalters, in welchem sie manches, jedoch vielfach überschätztes Gute geleistet, hatten aufgehört zu sein, in Frankreich in Folge der Revolution, in Deutschland durch den Reichsdeputationshauptschluß, abgesehen von dem schon früher aufgehobenen Jesuitenorden, worauf wir zurückkommen werden. – Mit guten Gründen hat man ihnen das Recht zu sein abgesprochen, und wenn es auch für diese Blätter zu weit führen wurde, die Rechtsgeschichte ihrer Aufhebung und ihrer Unterdrückung für die Zukunft auszuführen, so wollen wir doch hier kurz bemerken, daß in Frankreich eine während der ersten Republik abgeschlossene Convention mit dem Papste, welche die Errichtung von Kathedral-Capiteln und Seminarien freistellte, verfügte: Les autres établissements ecclésiastiques sont suprimés. Frauenklöster wurden später ausgenommen. – Auf der rechten Rheinseite bestimmte aber Paragraph 42 des Reichs-Deputations-Hauptschlusses, daß zwar Frauenklöster nur im Einverständnisse mit dem Diöcesan-Bischofe zu säcularisiren seien, daß aber die Mannsklöster, deren Güter durch Paragraph 35 säcularisirt worden waren, der Verfügung der Landesherren unterworfen würden und daß beiderlei Gattungen nur mit deren Einwilligung Novizen aufnehmen dürften. Dieser Bestimmung wurde Folge gegeben.

Gesetzlich ist daran nie etwas geändert und vergebens beruft man sich auf die stillschweigende Aufhebung durch den Artikel 15 der preußischen Verfassung, welcher der Kirche die Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbstständig überläßt, denn die Klöster sind nicht die Kirche, sind kein integrirender Theil derselben, – vergebens auf den Artikel 13, welcher bestimmt, daß geistliche Gesellschaften Corporationsrechte nur durch besondere Gesetze erlangen können, woraus man deduciren will, daß die Grenze der rechtlichen Existenz nur in dem Mangel der Corporationsrechte zu finden sei, welche man nicht in Anspruch nimmt, sondern durch scheinbare Uebertragung des Eigenthums auf Privatnamen zu umgehen sucht, – denn jene Bestimmung enthält keineswegs die Aufhebung der früheren gesetzlichen Verbote; – vergebens endlich auf das durch Artikel 30 gestattete Vereinsrecht, denn der Begriff, den dieser Artikel mit einem Vereine verbindet, ist von Grund aus verschieden von dem eines Klosters und Ordens, welche, durch kirchliche Autorität geregelt, zu dauernden Zwecken und mittelst ewigen Gelübdes die ganze Persönlichkeit ihrer Angehörigen absorbiren, und durch ihre Verbindung mit meist sogar im Auslande liegenden Mutter- und Schwesteranstalten, oft unter einem ausländischen General stehend, gegen das Verbot des Paragraph 8 lit. 6 des Gesetzes vom 11. März 1850 verstoßen, wonach Vereine nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung treten dürfen.

Fast fünfzig Jahre nach der durch die französische Regierung standhaft gehandhabten Untersagung der Klöster und Orden hatte die katholische Kirche ohne solche in den Rheinlanden bestanden und gewirkt, da fingen sie an sich einzunisten und brachten es in kurzer Zeit zu einer Schrecken erregenden Verbreitung. Franciscaner, Capuziner, Dominicaner, Redemptoristen und Jesuiten, mit ihrem Anhange, den Schulbrüdern (frères ignorantins) und Schulschwestern, welchen beiden unter Zulassung des Staates öffentlicher Unterricht anvertraut wird, grauen Schwestern, Ursulinerinnen, Schwestern vom Herzen Jesu, Franciscanerinnen, Clarissen, Carmelitessen u. s. w. haben sich in Stadt und Land angesiedelt und theilweise gewaltige Gebäude gegründet. So ragen, um nur ein Beispiel anzuführen, in und um Münster ihre Paläste in die Höhe, deren Kosten man auf Millionen veranschlagen kann. Woher das Geld? Sie wollen alle existiren und da werden denn die Herzen mit der Furcht vor dem höllischen Feuer weich gemacht, daß sie unter Lebenden und von Todeswegen ihre Gaben spenden. Uns ist ein Fall vorgekommen, daß ein armes Mädchen, welches ihren wohlhabenden Oheim zu Tode gepflegt hatte, durch dessen Testament ein Vermögen von vierzehntausend Thalern erbte. Ihr Vater lebte als dürftiger Ackersmann mit vielen unversorgten Kindern. Aber es wurde dafür gesorgt, daß zu solchen weltlichen Zwecken nichts vergeudet würde. Bald nachher ging sie als Novize in ein Kloster und schenkte diesem die Hälfte ihres Vermögens; um sie jedem verwandtschaftlichen Einflusse zu entziehen, wurde sie dann in ein Schwesterkloster nach Paris spedirt, und nach Jahresfrist war auch die andere Hälfte ihres Vermögens weg. Solcher Fälle könnten wir noch manche anführen, während die meisten sich der Oeffentlichkeit entziehen, mit dem Schenkgeber eingesargt werden und nur in ihren Wirkungen, in den großartigen Klostergebäuden, deren Kosten bezahlt sind – wovon? weiß man sonst nicht –, an das Licht treten.

Nur in einzelnen Fällen, wie in dem berüchtigten de Buck’schen Processe in Belgien, wo ein junger Mensch planmäßig von den Jesuiten corrumpirt, ruinirt und criminell verfolgt wurde, um ihm die Gunst seines reichen Oheims zu entziehen und dessen großes Vermögen, mittelst eines untergeschobenen Testamentserben, dem Orden zuzuwenden, treten sie an das Tageslicht.

In und außer dem Beichtstuhl wird in solcher Weise gewirkt, und die weiblichen Orden, welche sich dem Unterrichte widmen, wissen sich und ihren Verbündeten zu helfen, indem sie die Töchter wohlhabender Eltern von der Herrlichkeit des Klosterlebens zu durchdringen und sie für sich zu gewinnen wissen. Freilich wird den Eltern vorhergesagt: man wolle die Neigung zum Klosterleben nicht in den Kindern wecken, wenn aber der Beruf im Innern entstehe, so dürfe man ihm nicht widerstreben. Da giebt es denn aber tausend Mittel, die Entstehung dieses Berufes zu befördern.

Einem wohlhabenden Manne, der uns bitter seinen Schmerz klagte, hatte man das auch vorhergesagt, als er seine Tochter einem klösterlichen Pensionat anvertraute. Als sie aber ins Vaterhaus zurückkehrte, bestürmte sie ihn mit Bitten um die Erlaubniß, den Schleier zu nehmen. – Das widerstrebte ihm und er weigerte sich standhaft. Da, an dem Tage, wo sie mit dem einundzwanzigsten Jahre die Großjährigkeit erreicht hatte, verschwand sie und schrieb ihrem Vater: er möge nicht um sie sorgen, sie fühle

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_072.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2017)