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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

„Gegenüber dem Jülichs-Platz“.


Eigenschaften des Kölnischen Wassers. – Der Erfinder desselben und sein Stammbaum. – Absatz. – „Das Schlagwasser“. – Nachahmer und falsche Farina’s. – Der Name Farina als Handelsartikel. – Zahl der Kölnisch-Wasser-Fabriken. – Die Klosterfrau. – „Gegenüber“, „an“ und „bei“ dem Jülichsplatze. – Concurrentenkniffe.


Unter den unzähligen Gegenständen, welche zum Toilettetisch der feineren Welt gehören, nimmt das Kölnische Wasser (Eau de Cologne), zusammengesetzt aus den gewürzhaftesten, geistigsten Riechstoffen, welche die Pflanzenwelt erzeugt, den vornehmsten Rang ein. Während alle anderen Odeurs unter demselben Geschicke seufzen, welches von der Unbeständigkeit des schönen Geschlechts seinen Ursprung ableitet, weiß das Kölnische Wasser sich in der Gunst der Damen mit einer Beständigkeit zu behaupten, die den Neid eines verschmähten Liebhabers zu erwecken wohl im Stande ist. Worin liegt das Geheimniß dieser Erscheinung? Einzig und allein in jener Fülle guter Eigenschaften, welche sich in ihm gleichsam wie in einem Brennpunkte vereinigen, so daß man kühn behaupten darf: was der Diamant unter den Edelsteinen, das ist das Kölnische Wasser unter den Wohlgerüchen. Es hat zwar anscheinend etwas Triviales, wenn wir demselben eine echte Künstlernatur zuschreiben, und dennoch paßt dieser Vergleich gar trefflich; denn wie der Künstler die verschiedensten Stufen der Entwickelung und Abklärung durchmachen muß, bis er zur schlichten Einfalt der Natur zurückkehrt, gerade so ergeht es diesem Erzeugnisse einer noch in den Schleier des Geheimnisses gehüllten Destillirkunst: die mannigfaltigsten Düfte, welche die Blüthenkelche in ihrem Schooße bergen, nimmt es in sich auf, keinem dem Vorzug gebend, alle zu einem Strauße vereinigend, dessen Gesammtwirkung, jede vielleicht schädliche Einzelwirkung aufhebend, die Lebensgeister erfrischt und erquickt, und zwar leicht, rasch, feenhaft, denn kaum hat man seine Wohlthat empfunden, und jede Spur seines Daseins ist entflohen. Diese rasche Verflüchtigung, ohne einen bestimmten Geruch zurückzulassen, ist das charakteristische Merkmal der Echtheit des Kölnischen Wassers, während bei den unechten Sorten dieser oder jener Bestandtheil der Mischung so vorherrscht, daß seine Atome sich noch längere Zeit bemerklich machen. Von dem wirklich echten Wasser wird denn auch nur eine einzige Sorte verkauft, während die nachgemachten Fabrikate unter verschiedenen Qualitätsbezeichnungen in den Handel kommen.

Aber nicht allein seine Annehmlichkeit ist es, welche die große Gunst erklärt, in die sich das Kölnische Wasser hineingelebt hat, es besitzt auch neben denjenigen Eigenschaften, welche es zum erkorenen Liebling der feineren Welt machen, solidere, von Jedermann geschätzte. Es erfüllt eben so gern seine galante Mission auf dem Toilettetisch, wie seine humane am Krankenbette. Läßt man die kostbare Flüssigkeit in siedendem Wasser abdampfen, so reinigt sie den uns umgebenden Luftkreis von schädlichen Beimischungen, ohne daß, wie es bei anderen ähnlichen Mitteln der Fall ist, die Lungen durch verderbliche Gasarten vergiftet werden. Außer der Abdampfung in siedendem Wasser wird neuerdings auch noch eine sehr praktische Vorrichtung in Anwendung gebracht, welche in einem Fläschchen besteht, aus dessen Hals mittels eines luftgefüllten Guttaperchaschlauches und kleiner gläserner Röhrchen die aromatische Flüssigkeit herausgepumpt wird, welche sich als ein ganz feiner Staubregen verbreitet und die Atmosphäre würzig und wohlthuend für die Athmungsorgane macht; eine für Krankenstuben nicht genug zu empfehlende kleine Maschinerie. Und nun endlich in den eigentlichen Pflanzstätten der Ohnmachten und sonstigen Nerven-Affectionen, in den feineren Damen-Cirkeln, in denen oft vor einem einzigen unvorsichtig hingehauchten Worte die weiblichen Lebensgeister die Flucht ergreifen – was würde man in diesen wohl anfangen, wenn das Kölnische Wasser nicht sofort als Lebenswecker in die Schranken träte?

Wie man nun bei einem berühmt gewordenen Menschen gern nach seiner Herkunft und seinen Lebensschicksalen zu forschen pflegt, die ihn zu dem gemacht haben, was er ist, so wünscht man auch über den Ursprung einer Erfindung Aufklärung, welche von einem so großen Erfolge begleitet ist.

Wir befinden uns in der Lage, auf authentische Forschungen gestützt, den Wissensdurst des geneigten Lesers und die leider schon zu lang unbefriedigt gebliebene Neugierde der geneigten Leserin so vollständig zu befriedigen, daß es in unserer denkmalsüchtigen Zeit nicht unwahrscheinlich wäre, es bildete sich, durch unsere warmberedten Worte angefeuert, ein Damen-Comité, um dem Erfinder jenes weltberühmten Odeurs ein Denkmal zu setzen. Wir hätten zunächst also die Frage zu beantworten, wer als der eigentliche Erfinder anzusehen ist oder doch das Recht der Anciennetät in Bezug auf die Erfindung nach den vorhandenen Documenten zu beanspruchen hat.

Die Archive der Stadt Köln, in früheren Jahrhunderten bei weitem nicht mit der Gewissenhaftigkeit geführt, welche auf subtile Streitfragen kommender Zeiten gebührende Rücksicht nimmt, geben erst im Jahre 1709 zuverlässige Kunde über den Familiennamen, mit welchem die Berühmtheit des Kölnischen Wassers unzertrennlich verbunden zu sein scheint. In jenem Jahre lebte nämlich in Köln gegenüber dem Jülichs-Platz der als Bürger aufgenommene Italiener Johann Maria Farina, geboren 1685 zu Santa Maria Maggiore im Thale Vigezza, District Domo d’Ossola, handelte mit Kurzwaaren, Kunstsachen, Seidenwaaren und Parfümerieen, verfertigte und verkaufte auch „Kölnisches Wasser“ und machte bald diesen Handelszweig, der, wie notorisch erwiesen ist, durch ihn zuerst bekannt wurde, zu seinem Hauptgeschäfte. Man kann also wohl nicht anders annehmen, als daß er auch der Erfinder des berühmten Arcanums gewesen ist.

Gleichzeitig mit dem oben angeführten Johann Maria Farina finden wir in den Archiven der Stadt Köln einen daselbst eingewanderten und als Bürger aufgenommenen Paul Feminis, in der kleinen Sporergasse wohnend, verzeichnet, welcher sich, jedoch erst später, als Johann Maria Farina, gleichfalls mit dem Verkauf von Kölnischem Wasser befaßte, so daß, wenn auch die Frage nach dem eigentlichen Erfinder angezweifelt werden kann, weil ihre endgültige Feststellung eben nur eine, obschon sehr sichere, Wahrscheinlichkeit hat, Johann Maria Farina doch als der erste Verbreiter des „echten“ Kölnischen Wassers bezeichnet werden kann. Wie sehr aber schon zur damaligen Zeit der Glaube an die Echtheit des neuen Handelsartikels in dem Namen „Farina“ Wurzel geschlagen hat, beweist der Umstand, daß wir die Firma Paul Feminis erlöschen und die Nachkommen dieses Namens eifrig bestrebt sehen, ihre Waare unter dem schon berühmt gewordenen Namen „Farina“ auf den Markt zu bringen. Auf diese Weise sind bedeutende Kölnisch-Wasser-Firmen entstanden, die noch heute eifrige Concurrenten desjenigen Geschäftes sind, welches sich mit Recht als das älteste in dieser Branche bezeichnet und die Firma trägt: „Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz“.

Vom Jahre 1709 an, in welchem, wie bereits erwähnt, der Gründer dieser Firma in die rheinische Metropole einwanderte, läßt sich der Stammbaum desselben bis auf den gegenwärtigen Chef des Hauses genau verfolgen, und um auch den Wissensdurst der Genealogen zu stillen, geben wir hierüber folgende authentische Mittheilungen.

Johann Maria Farina associirte sich im Jahre 1725, nachdem sein Geschäft bereits eine Ausdehnung gewonnen hatte, welche seine Kräfte überstieg, mit seinem Bruder Johann Baptist Farina, den er aus Italien hatte kommen lassen. Dieser starb jedoch schon sechs Jahre später, worauf sich Johann Maria mit dem Sohne desselben verband, welcher damals zweiundzwanzig Jahre alt war und die Vornamen seines Oheims Johann Maria führte, der zugleich sein Pathe war. Der Neffe überlebte den Oheim, welcher 1766 das Zeitliche segnete und seinem Compagnon einzig und allein seinen Handel und das Geheimniß der Bereitung des Kölnischen Wassers testamentarisch hinterließ. Johann Maria setzte das Geschäft seines Oheims bis zu seinem im Jahre 1792 erfolgten Tode fort und vererbte dasselbe auf seine drei Söhne: Johann Baptist, Johann Maria und Karl Anton Hieronymus. Im Jahre 1806 starb Johann Maria, nachdem er seinen Geschäftsantheil den beiden ihn überlebenden Brüdern vererbt hatte, und im Jahre 1830 trat Johann Baptist seinen Antheil seinem Sohne Johann Maria ab, welcher jedoch schon drei Jahre später starb, worauf die Wittwe desselben ihm als Geschäftstheilhaberin folgte. Karl Anton Hieronymus übertrug im Jahre 1841 seinen Geschäftsantheil seinem Sohne Johann Maria, dem jetzigen Chef des Hauses.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_295.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)