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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Der Absatz des echten Kölnischen Wassers ist anfänglich und bis die vorzüglichen Eigenschaften desselben zu allgemeiner Anerkennung gelangt waren, ein beschränkter gewesen; derselbe wuchs indeß allmählich mit seinem Rufe. Eine höchst günstige Epoche für diesen Industriezweig führte hauptsächlich der siebenjährige Krieg herbei. Die Franzosen nämlich, welche damals die Rheinlande besetzt hatten, bedienten sich, leidenschaftlich nach allen Galanteriegegenständen haschend, sofort des Kölnischen Wassers bei der Toilette und verbreiteten seinen Ruf rasch nach Frankreich und über einen großen Theil Deutschlands. Von da ab wurden die Versendungen immer allgemeiner, erstreckten sich bald über ganz Europa und endlich nach allen Weltgegenden, so daß also auch in dieser Hinsicht jene traurigen Kriegsjahre der Stadt Köln zum Segen gereichten, denn das Kölnische Wasser bildete allmählich im Laufe der Jahre einen der bedeutendsten Handelsartikel der Stadt, wenn auch die Berichte der Handelskammer keine bestimmten Ziffern über den Verkauf angeben, weil die Fabrikanten eine erklärliche Furcht vor der Statistik haben, welche jedenfalls von der Concurrenz in der einen oder anderen Weise benutzt werden würde. Unsere westlichen Nachbarn sind bekanntlich bestrebt, im fremden Lande Alles nach ihrer Schablone umzumodeln, und so mußte sich auch das Kölnische Wasser durch sie eine Art Wiedertaufe gefallen lassen und sich nunmehr Eau de Cologne nennen, eine Bezeichnung, die jetzt eben so verbreitet, wenn nicht verbreiteter ist, als die ursprüngliche deutsche, neben welcher es wegen seiner günstigen Wirkungen bei Schlaganfällen auch noch die mehr locale Bezeichnung „Schlagwasser“ führte.

Wie aber die Lorbeeren Philipps von Macedonien seinen Sohn nicht schlafen ließen, so erweckte auch die enorme Verbreitung und der vortheilhafte Ruf, welchen sich das echte Kölnische Wasser rasch erwarb, die kaufmännische Speculation und ließ dieselbe alsbald auf Herstellung eines ähnlichen Fabrikates sinnen. So kam es, daß viele Nachahmer, theils in Köln, theils auswärts, entstanden sind und sich die Meisten einer Firma „Farina“ bedienen, welche sie sich durch allerlei Kunstgriffe zu verschaffen gewußt, ohne je mit dem Erfinder oder dessen Nachfolgern in der mindesten Verbindung gestanden zu haben. Welche Mittel im Einzelnen hierzu angewandt worden sind, erhellt aus Folgendem.

Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts verkaufte und übertrug ein damals in Düsseldorf wohnender Karl Franz Farina seinen Namen einem Kölner Handelsmann, der nun sofort unter dieser neuen Firma seine Waare an den Markt brachte. Kaum war dieses eine Beispiel statuirt, als auf gleiche Weise nach und nach durch denselben Farina noch sechs andere Häuser unter ähnlicher Firma mit verschiedenen Vornamen entstanden. Von nun an begann, sowohl in Köln selbst, als auch auswärts, der Mißbrauch, den Namen „Farina“ zu verkaufen und zu übertragen, in größerem Maßstabe, wozu später auch ein gewisser Johann Georg Maria Farina von Düsseldorf und neuerdings dessen Söhne wesentlich die Hand boten; ja, Viele bedienten sich sogar dieses Namens, ohne auch nur irgend einen Schein von Berechtigung dazu zu haben. Im Jahre 1819 bestanden, laut Amtsblatt der Regierung zu Köln, sechzig Fabriken von Kölnischem Wasser, die meistens unter dem Namen „Farina“ betrieben wurden, während nur drei Fabrikanten diesen Namen zum Familiennamen hatten. Nicht nur das Kölnische Wasser, sondern auch der Name „Farina“ war Gegenstand der Industrie und des Handels geworden.

Die Verfertigungsweise des echten Kölnischen Wassers in der Zusammensetzung des „Johann Maria Farina“ ist jedoch nie, weder von diesem selbst, noch von einem seiner Nachfolger anderen Personen mitgetheilt worden, als denen, die das Geschäft ererbt und fortgeführt haben, und das Vorgeben, als sei das Geheimniß der Fabrikation durch chemische Zerlegung bekannt geworden, verdient keinen Glauben, weil es feststeht, daß die Wissenschaft noch nicht dahin gelangt ist, auf analytischem Wege eine Mischung ätherischer Oele nach Qualität und Quantität zu bestimmen.

Gleichzeitig mit dem Gründer des Hauses Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz oder wenige Zeit nachher waren auch andere Mitglieder der Familie Farina – ein Name der in Italien sehr häufig vorkommt – in die Gegend von Köln gezogen und hatten sich in Maestricht und hauptsächlich in Düsseldorf niedergelassen. Von letzterem Orte siedelte zu Ende des Jahres 1750 Johann Anton Farina nach Köln über und ließ sich im Hause zur „Stadt Mailand“ nieder. Nach seinem Tode setzte sein ältester Sohn Joseph Anton das Geschäft „zur Stadt Mailand“ fort, während der jüngere, Johann Maria, die Firma „Johann Maria Farina, zur Stadt Turin“ gründete. Ein Mitglied dieses Familienzweiges, Johann Maria Farina, errichtete 1806 eine Kölnisch-Wasser-Fabrik in Paris.

Im Jahre 1828 entschieden die preußischen Gerichte, daß es ungesetzlich sei, einen bloßen Namen wie eine Waare zu verkaufen. Einige der bis dahin entstandenen Pseudo-Farinas setzten nun ihren Handel unter eigenem Namen fort, Andere ließen denselben, der ohne die frühere Firma keinen Werth für sie hatte, eingehen; die Meisten aber sannen auf neue Mittel, den richterlichen Erlaß zu umgehen und sich dem todten Buchstaben des Gesetzes gegenüber sicher zu stellen. Man ging nach Italien und veranlaßte Leute mit dem Namen Farina, entweder selbst oder durch Bevollmächtigte in Köln zu erscheinen und Gesellschaftsverträge zur Gründung von Kölnisch-Wasser-Fabriken unter der Firma „Johann Maria Farina“ oder auch mit anderen Taufnamen zu vollziehen, wobei die gedachten Italiener – meist Landleute und oft sogar des Schreibens unerfahren – nichts als eben den Namen „Farina“ herzugeben hatten. Da jedoch die meisten dieser Gesellschaftsverträge durch die Art ihrer Fassung unverkennbar den Charakter von Scheinverträgen offenbarten, so ist es auch bereits vorgekommen, daß die Gerichte solche Verträge auf Anrufen der Parteien für ungültig erklärten. Die meisten derselben wurden aber schon kurz nach ihrem Abschlusse wieder aufgelöst, und in dem Auflösungsvertrage dann stipulirt, daß dem Kölner Associé die Firma verbleiben solle, der Italiener dagegen mit einer geringen Summe Geldes abzufinden sei.

Auf diese Weise nun entstanden aufs Neue eine Menge Firmen „Farina“. Aber auch außerhalb Köln, und namentlich in Staaten, deren Gesetze dem Ausländer keinen Schutz gegen solchen Mißbrauch gewähren, ist der Name „Farina“ fast mit dem „Kölnischen Wasser“ identisch geworden und wird auf jede beliebige Weise zur Täuschung der Consumenten gebraucht. Von den jetzt in Köln bestehenden achtundvierzig Kölnisch-Wasser-Fabriken handeln allein sechsunddreißig unter dem Namen Farina. Zu denjenigen Fabriken, welche unter anderen Firmen auftreten, gehört wohl in erster Reihe die Firma „Maria Clementine Martin, Klosterfrau.“ Das Gebäude, in welchem das Geschäft sich befindet, liegt dem Westportale des Domes gegenüber und gehört zu den Prachtbauten der Stadt. Es ist in spätgothischem Styl mit einigen Anklängen an das Niederländische nach dem Plane des Professors und Oberbaurathes Schmidt, früher in Mailand, jetzt in Wien, ausgeführt. Eine Filiale dieses Geschäftes befindet sich in der Nähe des Südportals der Metropolitan-Domkirche. Nach einer etwas romanhaft klingenden Erzählung soll eine Carmeliter-Nonne, Schwester Maria Clementine Martin, in den zwanziger Jahren von einer Italienerin Namens Paula Feminis das Recept zur Anfertigung des echten Kölnischen Wassers erhalten haben. Der Vater dieser Paula Feminis soll die Erfindung im Kerker gemacht, jedoch später nicht die Kraft gehabt haben, dieselbe auszuführen. Als die Klagen der Franzosen während des siebenjährigen Kriegs in den Rheinlanden über den schlechten Geruch in den Straßen Kölns (ein Uebelstand, welcher, nebenbei bemerkt, auch deutsche Nasen noch heutzutage sehr empfindlich berührt) überhand nahmen, bereitete die Nonne das Recept im Hause des damaligen Bürgermeisters Adrian von Scheven, in welchem sie wohnte, und der Bürgermeister besänftigte durch das neue Parfüm, das den feinen Nasen der Franzosen sehr behagte, den Zorn des commandirenden Generals. Es bestätigt diese Erzählung jedenfalls, daß die Franzosen es gewesen sind, welche vorzugsweise den Anstoß zu der enormen Verbreitung des Fabrikates gegeben haben.

In einem ähnlichen Prachtbau in dem gothischen Style, wie sich derselbe nach zahlreichen in Köln befindlichen Vorbildern zu einem specifisch kölnisch-gothischen entwickelt hat, wird gleichfalls eine Kölnisch-Wasser-Fabrik betrieben, und zwar unter der Firma: „Franz Maria Farina.“ Das Gebäude liegt in der Glockengasse, in der Nähe der Post und des Polizei-Präsidiums. Leider beeinträchtigt die Enge der Straße den Eindruck dieses schönen Bauwerkes.

Wir haben oben von der Usurpation des Namens Farina gesprochen; dabei ist jedoch die Concurrenz nicht stehen geblieben: auch der langjährig ausschließliche Zusatz „gegenüber dem Jülichs-Platz“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_296.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)