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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

interessirten sich dafür, der Gemeinderath der Stadt Wien interessirte sich dafür. Und sie saßen so traulich beisammen und stritten um einen Platz für die vierte Weltausstellung. An’s Geld dachten sie Alle nicht, denn zu welcher Zeit hätte das in Oesterreich gefehlt? Es hat schon zu ganz andern Dingen, die das Fiasco mit in die Wiege gelegt bekommen, in Oesterreich an Geld nicht gefehlt und wird wieder nicht fehlen – dachte man mit Recht und stritt nur um den Platz. „Hie Exercirplatz!“ schrieen die Einen, „hie Prater!“ die Anderen, und als sie sich über den Prater zu einigen angefangen hatten, da lasen sie eines schönen Tages in der ersten Hälfte des Juni die Pariser Depesche, daß es dem „Herrn der Welt“ (Graf Bismarck war damals noch nicht Concurrent Napoleon’s des Dritten) gefallen, die nächste Weltausstellung in Paris bei sich zu Hause abzuhalten. Das arme Oesterreich! Nachdem man ihm die Lombardei genommen, nahm man ihm auch seine projectirte Weltausstellung! In den Tuilerien aber rieb man sich die Hände über das gespielte Prävenire. Man begann dort eben schon damals, an den kleinen Mitteln Gefallen zu finden, da die großen, um weiter an der Spitze der europäischen und mexicanischen Gesellschaft und Civilisation zu marschiren, gerade zu Ende gegangen waren. Von Mr. Rouher, der damals noch nicht Allgewaltiger von heute, sondern Minister der Agricultur war und also in seiner bescheidenen Stellung, die mit der „Krönung des Gebäudes“ noch nichts zu thun hatte, Zeit und Lust genug haben konnte, die neuen Napoleonischen Gedanken zu hegen und pflegen, kam der erste Rapport und alsbald tauchten auch die ersten Köpfe der Commission auf, die mit der Vollführung des kaiserlichen Gedankens belastet wurden. Wir können es den Männern glauben, es war eine Last und eine solche, die auch kaiserliche Huld und Gnade und schöne Aussichten auf Comthurkreuze und dergleichen nicht wesentlich zu erleichtern vermochten.

Schafft Platz und Geld! – hieß die kaiserliche Mahnung. Platz? Es hätte nur eines Winkes an Herrn Haußmann, den Seinepräfecten und Häuserzerstörer von Paris, bedurft, und Platz wäre gewesen, wo immer nur der Kaiser es wünschte; eines Winkes, und ganze Stadtviertel, und wären es selbst die erst von Herrn Haußmann neu errichteten, wären gefallen, um der neuen Weltausstellung Raum zu schaffen. Die Pariser können sich gratuliren, daß der Wink nicht gegeben wurde und daß vor den Augen des erleuchteten Franzosenkaisers zur rechten Zeit die große Einöde des Marsfeldes mit ihren riesigen, unwirthlichen Flächen aufgestiegen. Der Kaiser rettete, wie schon so oft, wieder einmal den Geist seiner Gesellschaft, er berief Räthe zusammen, denen er schließlich den besten Rath geben mußte. Aber Geld zu schaffen, konnte er diesen Räthen nicht erlassen, viel Geld! Die Nivellirung des wüsten Marsfeldes, dessen Gras gut genug war, um von den Rossen der Lanciers gebissen zu werden, auf dessen unebenen Bodenstücken nöthigenfalls Zuaven exerciren konnten, das aber lange kein Terrain zu dem großartigen Kampfspiele der Civilisation, das der Kaiser daselbst aufführen wollte, bot, die Nivellirung und Cultivirung dieses Marsfeldes mußte allein schon große Summen verschlingen. Und dann sollte Alles den Stempel des Kolossalen haben, die früheren, vorausgegangenen Weltausstellungen sollten der kommenden gegenüber zu kleinlichen Spielereien herabsinken, vor dem Plan schon sollten die Völker des Erdballs ehrfurchtsvoll in die Kniee sinken. Dazu gehörten große Summen. Die Weise, wie sie zu beschaffen, machte der Commission große Sorgen. Sie hatte überdies großes Pech. Sie verlor mit der Zeit Herrn Rouher, der das Agricultur-Portefeuille niederlegte, um die Cultur der Deputirtenkammer zu übernehmen, und wirthschaftete dafür Herrn Behic ein und dann verlor sie wieder den Prinzen Napoleon – sie verlor also zwei Mal ihren Kopf und bekam endlich definitiv dafür einen Ersatz in der Person eines Kindes, des „Kindes von Frankreich“. Mit einem solchen Oberhaupte oder besser gesagt Oberhäuptchen konnte man schon eher Dinge versuchen, die sonst nicht gegangen wären. Was konnte von Seiten der öffentlichen Meinung passiren? Höchstens könnte man sagen, Das und Jenes, was die kaiserliche Commission thäte, wäre kindisch! Dafür stand ja auch ein Kind an der Spitze.

Jahre vergingen unter den verschiedensten Hin- und Herberathungen, da endlich kam man zu folgendem Entschlusse: Das Geld für den Ausstellungsbau im Wege der Association zu beschaffen. Zwanzig Millionen Francs brauchte man: der Staat und die Stadt Paris sollten zusammen zwölf Millionen hergeben, die übrigen acht Millionen sollten durch speculative Capitalisten, Freunde eines guten Geschäfts, deren sich in Frankreich immer finden, aufgebracht werden. Und da steckt der wunde Fleck des großartigen Unternehmens, an dem von der einen Seite nicht gering zu rühmen, von der anderen Seite nicht genug zu tadeln ist. Zu einer Gabe von zwölf Millionen haben sich Staat und Hauptstadt bequemt und um acht Millionen willen, die man noch brauchte, hat man den ganzen schönen Nimbus der kaiserlichen Idee mit „kaufmännischer Hand“ zerstört und eine Societät von Weltausstellungs-Maklern geschaffen, der man sich mit Haut und Haar verschrieben und die nun nach ihren gewiß sehr mercantilisch reellen, aber für eine Weltausstellung gänzlich unpassenden Begriffen in den Palästen auf dem Marsfelde wirthschaftet und jede Zollbreite des Bodens in Geld verwandeln will, auf daß nur ja die Weltausstellung von 1867 ein „brillantes Geschäft“ werde. Und das um acht Millionen willen! War Herr Haußmann, der Mann, der so genial die künftigen Generationen von Paris, die heute noch gar nicht sind, schon mit erklecklichen Schulden belastet, wirklich in Verlegenheit, wie auch die acht Millionen noch im Namen der Stadt Paris zu verbüchern wären? Unglaublich für den Mann, der von sich sagen kann: „Paris c’est moi!“ Aber die Idee eines „guten Geschäfts“ stak in vielen Gliedern, und so kam die Convention zwischen dem Staat, der Stadt und der Commission, die im Namen der „Association unter Garantie der Regierung“, sprach, die noch gar nicht bestand, am 19. März 1865 zu Stande. Stadt und Staat versprachen zusammen zwölf Millionen, zahlbar in drei Raten (1865 drei Millionen, 1866 sechs Millionen und 1867 wieder drei Millionen), und für die fehlenden acht Millionen wurde die Subscription im April 1865 eröffnet. Da die Regierung auch noch die Garantie übernahm, so war es kein Wunder, daß schon Ende Juni 1865 eine Summe von zehn Millionen zweihundert siebenzigtausend Francs gezeichnet war. Nun war aber auch von dem Augenblick an das Schicksal der Weltausstellung, ein Schicksal, das sie in eine Reihe mit jeder anderen Actienunternehmung stellt, entschieden. Dahin war das welt- und culturhistorische Moment, die Bilanz war die Hauptsache!

Macht was ihr wollt, aber macht, daß Alles, was ihr macht, Geld, schönes Geld trägt! sagten die Capitalisten zu der kaiserlichen Commission und seit dem 1. April 1867, seitdem die Napoleonische Idee des „Noch nie Dagewesenen“ aller Welt offen steht zur Besichtigung, ist es mit jedem Tage deutlicher zu sehen, wie sehr die kais. Commission die Sache der Zehn-Millionen-Menschen zu der ihrigen gemacht hat. Welche Rechte hat man nicht diesen Zehn-Millionen-Männern eingeräumt! Welche Fülle von Monopolen sind ihrethalben geschaffen worden! Man konnte nicht genug erfinderisch sein nach dieser Richtung hin. Alle möglichen und unmöglichen Rechte wurden von der Commission zu Gunsten des Geschäftes verschachert. Ein hoher Pachtschilling wurde abgefordert und die Pächter von dem und jenem sind nun gezwungen sich an den unschuldigen Besuchern der Weltausstellung zu revanchiren. Die Commission will Geschäfte machen, die Association will Geschäfte machen, die Restaurations-, Café-, Buffet-, Brauereien-Pächter aller Nationen, die sich in der äußersten der Galerien des Weltpalastes zusammengefunden, wollen Geschäfte machen. Und deshalb wehe allen armen Menschenkindern, welche die große Idee des Kaisers voll kleiner und großer Wunder zum Marsfeld gezogen; man hat sich, wo und wie sie sich auch stellen oder setzen mögen, gegen sie verschworen. Ein großes Netz von Verpachtungen ist, ohne daß es der arme unschuldige Marsfeldbesucher weiß, über seinen Kopf zusammengezogen, man wartet nur, daß er hineingeräth. Sie haben Essen und Trinken verpachtet, gut. Sie haben jeden Stuhl, jedes Sitzplätzchen im riesigen Palaste, das den Leser einladen könnte, nach langen Wanderungen Platz zu nehmen, verpachtet, auch gut. Sie haben das Recht der Publication der Kataloge, die in der jetzigen Ausgabe nicht immer Verläßliches bieten, des Verkaufs von Zeitungen verpachtet, gut. Aber sie haben Gewaltmaßregeln ganz anderer Art gegen uns ersonnen; Verrichtungen, die uns Noth thun, lassen sie uns nur gegen Erlag von fünfzehn und fünfundzwanzig Centimes, je nach dem Grade jener Verrichtungen, thun. Man hat seinen Franc Eintrittsgeld erlegt und glaubt nun die Weltausstellung um diesen Preis sehen zu können? Was uns nicht beifällt! Beim „reservirten Garten“, in dem man sich einzig und allein nach den Strapazen des Auges ergehen kann, ohne das und jenes sehen zu müssen, in dem die hübsche Welt sich versammelt und Militärmusik erklingt, rufen sie uns schon Halt zu und fordern uns wieder fünfzig Centimes ab.

Und da haben die Mexicaner sich im Park einen Tempel gebaut (ich weiß nicht, ob die Kaiserlichen oder die Juaristen), der uns, wenn wir neugierig sind, fünfundzwanzig Centimes Eintrittsgeld kostet. Und man muß neugierig sein, denn man kann nicht sagen, auf dem Marsfelde gewesen zu sein, wenn man nicht Alles gesehen hat, einiger lumpigen Centesimi wegen, nicht wahr? Aber auf diese lumpigen Centimes haben es die Ausstellungs-Schacherer eben abgesehen. Darum haben sie uns auch in Chinas Parkpalästen ein Extraentrée aufvotirt. Warum verlangen sie nicht gleich am Eingang von uns zwei oder drei Franken und lassen uns dann ungeschoren, wo wir auch immer hinziehen möchten? Warum simuliren sie uns einen Spottpreis für das Entrée in den Weltpalast vor, um uns nachträglich noch einige andere abzunehmen? Das ist Schwindel zu Deutsch gesagt, und solchen Schwindel haben sie auch vielfach hervorgerufen. Sie haben einem beliebigen Herrn das Recht eingeräumt ein sogenanntes Théatre international für so und so viel Pachtschilling zu bauen; am 1. April hätte es eröffnet werden sollen, heute zählen wir den 29. Mai und noch immer ist die Eröffnung wie zu wiederholten Malen schon als „très prochainement“ (nächstens) angekündigt. Die Mauern sind mit Mühe aufgerichtet, ein Oper-, Orchester- und Balletpersonal seit Monaten engagirt, hat aber bis heute noch keinen Heller Gage erhalten können – es ist kein Geld da und nun wird beim Kaiser gebettelt.

Versagt dieser die Hülfe, so steht ein eclatanter Bankerott bevor, der, mit der Weltausstellung in Verbindung gebracht, sich sehr gut machen wird. Nicht viel reeller steht es um einen anderen internationalen Schwindel, den sogenannten „Cercle international“, der keine Mitglieder finden kann, die sich einreden lassen, es sei amüsant, hundert Franken zu zahlen für nichts und wieder nichts, um leere, gähnende Räume und noch gähnendere Beamte, Kellner und Cigarrenverkäufer zu sehen. Auch der gewisse Untergang dieses Unternehmens wird unter der Rubrik: „Weltausstellungsschwindel“ zu verzeichnen sein. Was fragte die Commission danach, ob auch all diese speculativen Herren und Gesellschaften die Garantie boten, daß sie die Idee der Ausstellung nicht compromittiren würden? Sie ließ sich hohen Pacht bezahlen und damit Basta. Sind die Pachte ausbezahlt, dann ist der kaiserlichen Commission, an deren Spitze Herr de Play (der Weltausstellungs-„Shylok“ verdient genannt zu werden) steht, und den mit ihr eng verbundenen Zehn-Millionen-Männern Zweierlei ganz gleichgültig: 1) ob man weltmännisch nobel mit den Ausstellungsbesuchern umgegangen, und 2) wie viele von den auf die Leimruthe der massenhaften Verpachtungen gerathenen Pächter (wie z. B. die Besitzer der „Vestiaires“ [Garderobe] sich ruinirt haben werden. Werden die Herren doch aller Wahrscheinlichkeit nach einen Gewinn von „einigen Millionen“ herausschlagen. Und das wird dann für sie der Triumph der Weltindustrie sein, für sie, die Industriellsten der Weltindustriellen!



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