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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

und Bodenraum sind noch nahe an 30,000 Quadratfuß Wandraum mit Ausstellungsgegenständen bedeckt.

Diese Zahlen bezeugen, daß die Chemnitzer Ausstellung an Größe des von ihr bedeckten Raumes von keiner der allgemeinen deutschen Ausstellungen in Mainz, Berlin und Leipzig und selbst nicht von der großen österreichischen in Wien (1845) übertroffen worden ist; nur der Münchener Glaspalast konnte seinem verunglückten Unternehmen etwa 75,000 Quadratfuß mehr zur Verfügung stellen.

Zwischen Cassen und Garderoben zu beiden Seiten der Eingangshalle hin gelangten wir zur Thür und betraten die Haupthalle. – Es kann kein würdigeres Willkommen zu einer solchen Feier geben, als mit welchem hier so sinnig und geschmackvoll das sogenannte Octogon uns empfängt. Der Name sagt es, daß es eine achteckige Halle ist, von welcher die beiden Flügel der Haupthalle zur Linken und Rechten sich abzweigen und hinter welcher die mittlere der drei Verbindungshallen sich öffnet, welche aus der Haupthalle zu einer zweiten Längshalle im Galeriebaue führen. Architektonisch edel angelegt und durch geschmackvolle Farbendecoration ausgezeichnet, ist dieser hohe, rings von den bunten Herrlichkeiten und den Städtewappen der Galerien umgebene Raum ganz geeignet, uns mit Ernst und Ehrfurcht zu erfüllen; namentlich war diese Wirkung schön und fast rührend im Antlitz vieler Besucher „aus dem Volke“ sichtbar; und dazu macht die große Fontaine in der Mitte, deren hoher Strahl in drei Becken niederrauscht und die von reizenden Pflanzen- und Blumengruppen umgeben ist, das Athmen so wohlig, daß man sich schwer von dem labenden Gefühl dieses Aufenthaltes losreißt. Wie laut auch aus dem Parterreraume das Arbeiten der Maschinen zu uns her dringt, im Octogon selbst beobachtet jeder Eintretende Kirchenstille. Man will sich selbst nicht den schönen Eindruck stören. Ja, wenn zuweilen mit dem Rauschen des Wassers eine geschickte Hand sanfte Töne eines Harmoniums verbindet und die ausgestellte Kirchenglocke hoch von der Galerie ihre langhallenden Klänge dazu giebt, so kann dies wahrhaft feierliche Stimmungen hervorrufen. Und ich wüßte nicht, warum sie aus diesen Hallen ausgeschlossen sein sollten. –

Ein Spaziergang ohne Aufenthalt durch alle Gänge der Ausstellungsräume vom Octogon aus führt uns erst nach einer vollen Stunde in dasselbe zurück. Der Leser muß uns nun wohl auf einem solchen Rundgang folgen, weil er nur dadurch überhaupt einen Begriff von dem Reichthum und der Mannigfaltigkeit dieser Ausstellung erhalten kann. Vielleicht erleichtere ich ihm den Ueberblick, wenn ich ihn von den Galerien aus in diese und in die Parterreräume abwechselnd schauen lasse.

Wir wenden uns vom Octogon der linken Haupthalle zu, wo die Statue Reuchlin’s, ein Stück des Wormser Lutherdenkmals aus der berühmten Eisengießerei von Lauchhammer, der die rechte Halle schmückenden Gellertstatue gegenübersteht, gehen an einer Reihe plastischer Arbeiten in Stein und Thon, als deren letzte uns eine Lorelei begrüßt, und zwischen Eisenhüttenproducten und Eisenguß- und Marmorwaaren zu der breiten Treppe, die uns auf die Galerie führt und die selbst zur Ausstellung von Tuchen und Decken und Erzeugnissen der Jacquardweberei benutzt ist. Uns rechts wendend, an einer Frauenaugenweide von Teppichen, Plüsch und Flanell vorüber, gelangen wir zu den Manufacturwaaren von Frankenberg und stehen dann an der Galerie des Octogon. Vor uns im Parterre der rechten Haupthalle sehen wir durch den Wasserschleier der Fontaine und hinter der Gellertstatue an der linken Seite Werke der Holzschnitzkunst und eine Reihe Pianos und Harmonions, an der rechten Kunstmöbel, Spielwaaren, Spiegel, Korbmöbel, Billards und Bilderrahmen.

Wer etwa, wie ich, noch niemals die wahrhaft anmuthige Fingerbewegung bei der Spitzenklöppelei gesehen hat, der merke sich den Platz an der Ecke der Galerie nach der Mittelhalle hin, wo drei hübsche Kinder des Erzgebirges mit ihrer Kunstausübung die Ausstellung beleben. Neben ihnen winken die duftigen Räume eines Damenzimmers und Reihen von Weißwaaren auf den Tischen und an den Wänden. Unter uns, im Parterre, paradiren die berühmten Meisterwerke von Meißner Porcellan, Zöblitzer Serpentin und lange Mustergestelle von Siderolith- und Terracotta-Gegenständen, und zu beiden Seiten dieser Kunstherrlichkeiten liegen Berg- und Hüttenproducte in lehrreicher Anordnung, Stein- und Braunkohlen in jeder Werthstufe und treffliche Alabaster-, Glas- und Schieferwaaren. Auch die Galerie gegenüber zeigt uns blendende Weißwaaren und Musterarbeiten der Bleicherei, Appretur, Maschinen-Stickerei, sowie allerlei Flachsgespinnste, Leinenzeug und Wachstuche in prangendem Farbenschmuck.

„Hier riecht’s köstlich!“ mußte ich ausrufen, als ich von dieser mittleren Verbindungsgalerie aus die Galerie der zweiten Halle betrat. Die Lithographien, Herrenkleider und Hüte, Galanterie- und Buchbinderwaaren, die mir zur Linken sich ausbreiteten, konnten, trotz ihrer Vortrefflichkeit, dies nicht bewirken; aber vor mir und zur Rechten hin dufteten die feinsten Tabaks- und Cigarrensorten aus Altenburg, Dresden, Gotha, Chemnitz und Leipzig, ganze Cigarrenwappen verrathen den Patriotismus ihrer Aussteller; zwischen Chocoladesäulen und Zuckerstatuetten der berühmtesten Conditoreien drohen Kloß und Förster’s Champagnerkanonen Lebkuchenmauern gegenüber, dort ist die Batterie geistiger Getränke der Gebrüder Weber in Magdeburg aufgepflanzt, daneben erhebt sich die Liqueurpyramide Kutschbach’s in Leipzig; und neben Grohmann’s deutschem Porter dürfen sich Illgen’s Bier-, Tafel- und Dessertkäse sehen und riechen lassen, denn unfern davon bekommen wir einen ganzen Ofen mit Urnenschmuck aus purer wohlriechender Seife zu genießen.

Aber unter uns, im Parterre der zweiten Halle, breitet eine Fülle von Gegenständen sich aus, deren Aufzählung dem Leser fürchterlich erscheinen könnte. Darum nur das Augenfälligste. Wir sind dem Eisenbereiche nahe gekommen, das bereits hier hereinragt. Neben Kochheerden und Oefen sehen wir Chemikalien und Farben, zu denen wir später zurückkehren müssen, wie zu den Nähmaschinen gegenüber, neben welchen Feuerwehrgeräthe den Uebergang zu den Feuerspritzen des Maschinenraums bilden. In der Mitte dieser Halle steht zwischen Horn-, Seiler- und Gürtlerwaaren, Bürsten, Pinseln und Laternen eine Sammlung von eleganten Holzschuhen (aus Seifhennersdorf), welcher die ländlichen Besucherinnen ihre besondere Theilnahme zuwenden. Die Cassaschränke nehmen nicht geringen Raum ein, und ebenso ihnen gegenüber die Klempnerwaaren und zwischen beiden die Meisterwerke von Neusilber und Messing, die zweimal sehenswerthen Gewehre, die Arbeiten aus dem Gußstahl von Döhlen, die Eisenwaaren der Marienhütte und die übrigen Eisenwerke dieses Raumes, auf die wir später zurückkommen.

Um die Buchbinderarbeiten zu überblicken und auf die andere (äußerste) Seite der Galerie zu gelangen, wandte ich mich links, noch einmal an den Freuden der Nase und der reichen Ausstellung von Hutmacherwaaren und den Musterstücken der Dresdner „Europäischen Moden-Akademie“ vorüber, dem linken Ende diesen reichen Ganges zu, wo auch eine treffliche Auswahl von Papier- und Galanteriewaaren und Werke der Buchdruckerkunst das Auge anlocken. Von da übersieht man zugleich die ansehnliche Pelz-, Tuch- und Lederausstellung in der hier ausmündenden Verbindungsgalerie. Dort bildet ein großer, aus wohl sechstausend Stückchen Pelz aller Art zusammengesetzter Stern (von Vopel in Chemnitz) einen vielbesuchten Wandschmuck. Wir setzen unsern Spaziergang auf der äußersten Galerie, da wo sie an das Maschinenparterre angrenzt, fort, an Strumpf- und Beutlerwaaren vorüber, mit schwerem Herzen an wunderschönen Sternen von zartesten Handschuhen für liebe Hände vorbei und werfen den Dresdner Gummiwaaren einen Blick zu; von einer großen Auswahl musikalischer und chirurgischer Instrumente (erstere aus Markneukirchen, Altenburg, Adorf, Chemnitz und Leipzig) kommen wir an künstlichen Gebissen und an einer stattlichen Sammlung von Uhren, Uhrentheilen und Uhrmacherwerkzeugen, darunter viele aus Karlsfeld, dem Sibirien Sachsens, Reißzeugen, Gold-, Silber- und Drechslerwaaren vorbei zu einem wahren Schatz von mechanischen Arbeiten, optischen, physikalischen und mathematischen Instrumenten und Apparaten, welche die allgemeinste Beachtung verdienen. Die der Frauenwelt nimmt allerdings die nächste Abtheilung ganz und gar in Anspruch: die reizenden Sonnen- und Regenschirme von Hansding und Schiller, und gleich daneben die Ausstellung von Damenkleidern, Corsetten, Bändern und Crinolinen. Damit an der rechten Giebelseite des Gebäudes angekommen, verfolgen wir den hier beginnenden Galerieverbindungsgang, der uns an einer reichen Auswahl von Toiletteartikeln vorüber in’s eigentliche Bereich der Kunst führt. Neben Oel-, Porcellan- und Glasgemälden ist besonders die Photographie stark und gut vertreten durch Werke aus Leipzig (Manecke), Dresden, Chemnitz und Freiberg (Patzig); hier fesseln

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_392.jpg&oldid=- (Version vom 13.1.2022)