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dem Gebiete der Pädagogik berühmte Friedrich Fröbel, dann dessen Freund vom Hörsäle Schleiermacher’s und vom Lützower Freicorps her, der dreiundzwanzigjährige Wilhelm Middendorf, ihnen folgend ihre drei Zöglinge, zwei Neffen Fröbel’s aus Osterode und der jüngere Bruder eines Freundes der beiden Erzieher, Chr. Ed. Langethal aus Erfurt. Sie kamen von Griesheim bei Stadtilm, wo Fröbel im Hause seines verstorbenen Bruders, der dort Pfarrer gewesen, eine Erziehungsanstalt zu begründen gedachte, und wohin ihm Middendorf, zugleich als Gehülfe und als Schüler, gefolgt war. Griesheim war für nicht in jeder Beziehung passend befunden worden, und, als die Schwägerin Fröbel’s ein in Keilhau, dem hintersten Dorfe des Schaalthales bei Rudolstadt, zum Verkaufe gekommenes Bauerngut käuflich erwarb, um dahin ihren Wittwensitz zu verlegen, ward beschlossen, das in Griesheim begonnene Unternehmen in Keilhau fortzusetzen. Die neuen Ankömmlinge übernahmen das gedachte Gut und es wurde nun zuerst mit der nothdürftigsten baulichen Einrichtung der theils in Verfall gerathenen, theils nicht ausgebauten Gutsgebäude begonnen. Im Herbst kam dann die Schwägerin Fröbel’s von Griesheim nach und führte der jungen Anstalt ihre drei Söhne als Zöglinge zu. Etwas später traf auch der gemeinschaftliche Freund Fröbel’s und Middendorf’s, der fünfundzwanzigjährige Langethal aus Berlin, in Keilhau ein, um, mächtig ergriffen von den pädagogischen Ideen und Bestrebungen Fröbel’s und freudig Verzicht leistend auf glänzendere Aussichten, die sich ihm darboten, seine ausgezeichneten Kräfte den Freunden und dem von ihnen begonnenen Werke zu widmen.

Die Erziehungsanstalt Keilhau auf dem Thüringer Walde.

So ward also vor fünfzig Jahren in dem Dörflein Keilhau diese deutsche Erziehungsanstalt begründet. Die Geschichte der ersten fünf Jahre derselben hat uns der schon erwähnte Chr. Ed. Langethal, jetzt Professor an der Universität Jena, der berühmte Botaniker und Agriculturhistoriker, in einer dem derzeitigen Director der Anstalt gewidmeten kleinen Schrift[1] so treu und plastisch geschildert, daß es nicht möglich sein würde, selbst mit Hülfe der sämmtlichen etwa vorhandenen Urkunden und zugänglichen sonstigen Hülfsmittel ein klareres Bild dieser Anfangsperiode zu entwerfen. Und die Schrift gehört zur Classe derer, deren Inhalt man auszugsweise nicht wohl wiedergeben kann, jede Zeile ist wie der Pinselstrich an einem Meisterwerke der Kunst, dem Ganzen unerläßlich.

Wir sehen die Anstalt als eine Schöpfung der durch die große Zeit, in der sie entstand, geweckten Ideen. Die Gründer waren mitwirkende Zeugen des großen deutschen Krieges gewesen, in dem nicht die Ueberlegenheit der Zahl oder der Waffenführung, sondern der mächtig erregte Wille, ernste sittliche Kraft und Zucht, heilige Begeisterung nicht nur Deutschland, sondern Europa aus den Banden einer schmählichen Knechtschaft befreit hatten. Diese befreienden Kräfte zu Schutzengeln des deutschen Volksthums zu machen, die Güter, welche zur Befreiung verholfen hatten, auch dem befreiten Vaterlande zu erhalten und in ihm weiter zu pflegen, so der Wiederkehr neuer Versumpfung und Schmach zu steuern – dies waren die Strebeziele jener drei edlen Jünglinge, die, wie sie im Lützower Freicorps Seite an Seite gekämpft hatten, nun auch gemeinschaftlich an ein herrliches Friedenswerk herantraten. Der älteste unter ihnen, Friedrich Fröbel, hatte richtig erkannt, daß, wenn das deutsche Volk in der mit den Befreiungskriegen anhebenden Epoche seiner Geschichte seinem hohen

  1. Keilhau in seinen Anfängen. Erinnerungen des ältesten Zöglings der Anstalt. Jena, 1867. Friedr. Frommann.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_581.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)