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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

mit seinen humoristischen Vorlesungen und Journalaufsätzen sein Adjutant.

Rudolph Gottschall.
Nach einer Photographie von Weigelt in Breslau.

Der junge Student, der fleißig seine Collegien bei Simson und Rosenkranz besuchte und dessen Herz mit großen Problemen geschwellt war, gerieth und mußte selbstverständlich in die Strudel der Bewegung hineingerathen; seine „Lieder der Gegenwart“ entsprachen ganz den Eindrücken seiner Jugend, dem Einfluß Schiller’s und den Verhältnissen des Tages. Sie schlugen einen hohen, pathetischen, kecken und herausfordernden Ton an; es waren in Verse gebrachte Apostrophen an das Volk. Das Büchlein wurde mit außerordentlichem Beifalle begrüßt. Die Gunst der öffentlichen Meinung, welche damals von Königsberg aus den Aufgang der deutschen Freiheit erwartete, stellte Gottschall als ostpreußischen Lyriker, trotz seiner neunzehn Jahre, alsbald in eine Linie mit den Koryphäen der Bewegung; die Gedichte wurden in der ganzen deutschen Presse nicht nur mit Anerkennung, sondern geradezu mit stürmischer Begeisterung besprochen; Gottschall wurde, man darf sagen, in vier Wochen berühmt, viel zu früh für seine Leistungen und sein Glück! Der rasche Erfolg machte ihn übermüthig und ließ ihn zu dem Glauben kommen, daß er, ein Liebling der Götter und der Musen, nur lustig weiter zu produciren habe, um seinen Weg mit Lorbeern besät zu machen. Wie schwer hat er sich darin betrogen! Mit furchtbaren Anstrengungen nur ist es ihm möglich geworden, den früh geschenkten Kranz des Ruhms sich auf die Länge zu bewahren und zu verdienen. Er hatte den goldenen Preis lange vor der Arbeit. Die Arbeit folgte dem Preise erst nach und welche Arbeit!

Er hat eine harte Schule durchgemacht und jeden späteren Succeß nur mit dem Aufgebot aller seiner Kraft und nach einem ausdauernden Kampfe mit einem widerlichen Geschicke errungen. Mehr als ihm seine liberale Richtung im ersten Anlaufe Vorschub geleistet, hat sie später nämlich ihm Nachtheil gestiftet. In ihre Wirren, ihre Mißhelligkeiten, ihre Wirbelwinde hineingerissen, hat seine Muse natürlich sich vor gewissen Ueberstürzungen und Ausartungen nicht hüten können und ist in Folge dessen auch von der ganzen Wucht ihrer Rückschläge und Widerwärtigkeiten betroffen worden. Gottschall’s Name ist beinahe in alle ihre Frevel und Sünden, in alle ihre Heimsuchungen eingewoben.

Eine dieser Heimsuchungen trat jetzt an ihn heran, die maßgebend wurde für sein ganzes späteres Leben. Walesrode hatte eine Vorlesung für Studirende angekündigt, allein der damalige Regierungsbevollmächtigte untersagte sie. Die studirende Jugend machte den Letzteren, den Geheimen Rath Schubert, dafür verantwortlich und beschloß ihm eine Katzenmusik zu bringen. Obgleich sich die große Mehrzahl der Studirenden daran betheiligte, wurden doch nur Einzelne daraus herausgegriffen und mit dem consilium abeundi bestraft. Zu den so Bestraften gehörte auch Rudolph Gottschall. Sein eigener Ruf wies zu verlockend mit dem Finger auf ihn hin, als daß man aus der Menge nicht gerade ihn hätte herausgreifen sollen. Ausgestoßen aus dem Universitätsverbande in Königsberg, schnallte er denn sein Ränzchen, um in seine engere Heimath Schlesien zurückzukehren. Doch erging es ihm hier nicht viel besser. Er hatte allerdings von dem Ministerium auf sein Ansuchen wieder die Erlaubniß erhalten, in Breslau Collegia hören zu dürfen, ohne indessen förmlich immatriculirt zu sein. Da begab es sich eines schönen Tages, daß einige Studenten im Collegium des Professor Braniß zu trommeln begannen, weil derselbe auf die junghegel’sche Philosophie loszog. Ein gutgesinnter Student tadelte sie deshalb in der Zeitung und wurde in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_597.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)