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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 43.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Der Habermeister.[1]
Ein Volksbild aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Franzi hatte nur noch wenige Tage an der Kreuzstraße auszuhalten, als unerwartet eines Abends Waldhauser angefahren kam, der sich seit dem ersten Zusammentreffen nicht mehr hatte blicken lassen, der aber inzwischen, wie die Einkehrenden bei Trunk und Imbiß vielfach erzählt, sich wirklich ein an der Straße und in der Nähe eines Flüßchens günstig gelegenes Anwesen gekauft und die verabredete Handelsgemeinschaft mit Meister Staudinger eifrig begonnen hatte. Sie konnte nicht umhin, nach seinem Begehren zu fragen und ihn zu bedienen, aber sie beachtete nicht, wenn sie es auch gewahrte, daß er gleich beim Eintreten sie mit besonderer Vertraulichkeit grüßte und ihr wie zum Zeichen stillen Einverständnisses zublinzte. „Geschwind,“ rief er, „nur ein Glas warmen Wein, aber tüchtig gewürzt, denn der Nordwind bläst einem durch den Mantel bis auf die Haut! Ich kann mich nicht aufhalten, bin nur so im Vorübersausen da und hab’ dem Hausknecht gesagt, er soll die Pferde nur gleich angeschirrt in den Stall führen. Setz’ Dich zu mir her, Franzi, und laß uns ein gescheidtes Wort reden miteinander …“

„Ich will nit stören, Herr Aicher,“ sagte sie, „Sie könnten sonst auf Ihre wichtigen Geschäfte vergessen!“

„O, ich vergesse nichts, was ich einmal im Sinn habe!“ sagte er, indem er sich setzte und zugleich dem herantretenden Wirthe für seine Begrüßung dankte. „Laß mir auch den Herrn unterwegs, das schickt sich nicht für so gute, alte Bekannte, wie wir Zwei sind; wenn es die Leute hören, könnten sie am Ende gar glauben, ich sei in die Sünde des Hochmuths verfallen! Was sagst Du dazu, ich hab’ diese Tage ein gutes Geschäft gemacht und hab’ mich verlobt, daß ich eine Capelle bauen will! Nicht wahr, das hast Du von mir nicht erwartet?“

„Wahrhaftig nicht,“ erwiderte Franzi höhnisch, auf einen Wink des Wirthes am Tische verweilend, aber die Handbewegung nicht beachtend, mit welcher Waldhauser bei Seite rückte und sie einlud, neben ihm Platz zu nehmen.

„Ja, ich bin nun einmal so!“ fuhr er fort. „Wenn mir etwas glückt, muß ich immer gleich darauf denken, wie ich mich dem lieben Gott für seinen Segen erkenntlich zeigen kann. … Habe zuerst gedacht, ich wollte eine ganz neue Capelle bauen, und hab’ unter der Hand schon immer nach einem Platze umgesehen, wo sie stehen könnte, daß man sie von allen Seiten und recht weit sieht …“

„Und von dem frommen Herrn Aicher reden soll, der sie gebaut hat …“ schaltete Franzi wie zuvor in höhnendem Tone ein.

Ein finstrer, lauernder Seitenblick streifte aus Waldhauser’s Augen nach ihr hinüber, er besann sich aber augenblicklich und fuhr mit seinem ruhig stehenden Lächeln fort: „Warum nicht? Das wäre nichts Unrechtes … Es steht ja geschrieben, daß man sein Lichtlein nicht unter den Schäffel stellen, sondern soll leuchten lassen vor den Menschen … Indessen hab’ ich mich wieder anders besonnen. Kennen Sie die alte, baufällige Wallfahrtscapelle im nahen Forst, Herr Wirth?“

„Gewiß,“ erwiderte der Gefragte, „mit dem wunderthätigen Muttergottesbild zu den sieben Schmerzen … es ist alle Jahr’ einmal große Wallfahrt dahin, aber die übrige Zeit steht sie ganz verlassen, drum ist sie schier dem Einfallen nahe …“

„Drum hab’ ich mir gedacht, es wär’ schade um den schönen, alten Bau … und will das Kirchlein wieder herrichten lassen. Ob ich eine neue Capelle baue, oder eine alte neu herrichte, kommt ja doch auf eins heraus …“

„Jedenfalls ist’s wohlfeiler,“ sagte Franzi trocken.

„Ja, ja – man kennt Dich schon,“ rief Waldhauser, an sich haltend, aber bitter getroffen, „Du bist immer mit spitzigen Reden bei der Hand, aber ich glaube, das ist es gerade, was mir neben Deinen schönen Augen so wohl an Dir gefällt …“

„Ich kann mit mehr aufwarten!“ erwiderte sie, während der Wirth in die Küche ging, nach dem Würzwein zu sehen.

„Das sollst Du auch,“ sagte er, traulich näher rückend, „und daß ich’s nur gleich heraus sage … deswegen bin ich da, es ist blos Deinetwillen, daß ich heut gekommen bin … Ich hab’ mir einen hübschen Hof gekauft, aber ich hätte noch ganz Anderes im Sinn … drinnen im Markt ist eine Wirthschaft feil, die möcht’ ich kaufen, aber dann muß ich eine tüchtige Hauserin und vor Allem eine schöne Kellnerin haben, mit der die Gäste sich gern unterhalten. Drum bin ich da; sag’, daß Du zu mir gehen willst, und morgen in aller Früh fahr’ ich zum Notar und mach’ den Kauf richtig …“

Franzi maß ihn mit finsterem Blick. „Nein,“ sagte sie, sich zum Gehen wendend, „zur Leimstang’ und zum Fliegenstäkel geb’ ich mich nit her … Daß Sie mir ein’ solchen Antrag machen, Herr Aicher, das wundert mich kein Bröserl, aber angehört hab’ ich’s nur, weil ich d’ran denk’, wie viel Gut’s ich von Ihre braven, redlichen Eltern genossen hab … das Andenken d’ran hab’ ich in mein’ Herzen aufgehoben, wie man ein Amulet aufhebt oder sonst ’was Heilig’s … aber Ihnen gegenüber ist das Andenken jetzt aufgewogen durch die heutige Red’ … Sie haben


  1. Der Verfasser behält sich selbst ausdrücklich die Dramatisirung dieser seiner neuesten Erzählung vor.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_673.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2017)