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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Das steinerne Ausrufungszeichen und der Kirchthurm von Problus dahinter schienen wie drohende Finger gegen das lärmende Schmausen und Jauchzen unten den Himmel anzurufen und mich hinwegzuweisen aus diesem schreienden Widerspruche. Ich folgte dieser Mahnung und begab mich zu den Gräbern der Preußen, der tapferen Erstürmer von Chlum. Sie lagen unter ihren blühenden Hügeln zwischen wogenden Getreidefeldern auf der Anhöhe der weit und breit umherschauenden Kirche des Dorfes. Nur ein Fußweg führte durch das Getreide, dessen Besitzer von den Wallfahrern einen Zoll erhob. Die Gräber liegen in einer Reihe und waren meist nur mit dünnen, schwarzen Holzkreuzchen bezeichnet und von der gütigen Natur mit blauen Kornblumen, Camillen, Disteln und anderen wilden Feldblumen geschmückt worden. Vielleicht sieht es jetzt dort besser aus; an dem Tage meines Besuches fand ich die Ruhestätten auch der berühmtesten Helden ziemlich vernachlässigt. Die beiden ersten Gräber von Chlum aus sind mit Kreuzen ohne Namen bezeichnet. Zwischen diesen erhob sich ein kleines steinernes Denkmal des Jaroslav Jicieski. Im vierten Grabe ruht unter einem schwarzen Holzkreuze von Pape, im fünften unter einer Marmortafel Oscar Vogelnei vom Garde-Füsilier-Regiment, im sechsten Hans von Malzan unter einem schwarzen Kreuze und vertrockneten Immergrünkränzchen. Neben ihm ruhen die Gebeine des wahren Helden von Chlum, des Generals Hiller von Gärtringen, der mit seiner ersten Garde-Division zuerst in den Mittelpunkt des Feindes einbrach, sich dadurch zum Herrn des Schlüsselpunktes der ganzen feindlichen Armee machte und diese kühne That mit seinem Blute erkaufte, dessen sterbender Blick seine Krieger zur höchsten Tapferkeit entflammte, so daß sie die österreichische Reserve todesmuthig zurückschlugen. Diese Besetzung der die ganze Gegend umher beherrschenden Höhe von Chlum gilt wohl mit Recht als die erste Entscheidung zu dem großen, welthistorisch gewordenen Siege. Und wie einfach und schmucklos ragte nun das Grab dieses Helden mit dem schwarzen Holzkreuze und den wenigen Ranken Immergrün hervor! Auch der achte Hügel mit schwarzem Kreuze, das Grab von Helldorf’s, zeigte keine besondern Spuren von Dankbarkeit, und die folgenden drei Gräber, nur rohe Erdhügel, trugen Kreuze ohne Namen und Anstrich. Die zwei großen viereckigen Hügel neben dieser Reihe mit zwei Holzkreuzen ohne Inschriften sind die irdische Decke für die größte Zahl der im Umkreise gefallenen Mannschaften.

Jetzt sieht es dort jedenfalls würdiger für das Andenken dieser Helden aus, doch kenne ich das Denkmal noch nicht, welches Preußen im October hier errichtete und weihete. Damals konnte ich nur mit bitterer Wehmuth auf die verwilderten Hügel dieser gefallenen Helden blicken. Ich gedachte der in den Lazarethen schlesischer Städte gestorbenen Mannschaften. Freund und Feind wurden dort mit gleicher Liebe gepflegt, und die Gestorbenen ruhen unter sorgfältig beras’ten, mit Blumen und Cypressen, auch meist mit Denksteinen geschmückten Hügeln, Freunde und Feinde und auch gemeine Soldaten. Und das Grab des Mannes, der den Sieg dieses glorreichen Tages mit seinem Tode eröffnete, trug nur ein einfaches Holzkreuz mit einem einzigen verwitterten Kranze! Doch die preußische Nation hat ja nun einen Tribut der Dankbarkeit aufgerichtet. Kein besserer Ort für ein Nationaldenkmal zur Erinnerung an diesen ewig denkwürdigen Sieg, als dieser kleine Kirchhof auf der Höhe von Chlum, von welcher man das ganze Schlachtfeld bis nach Horzic und Königgrätz nach dem Elbthale von Schmierschütz abwärts und bis herauf nach Klenitz und Sadowa überschauen kann, wie man von unten auf Meilen weit umher die Kirche und etwa ein hundertundfünfzig Fuß hohes Denkmal deutlich gen Himmel zeigen sehen kann. Von hier aus genießt man auch die beste Aussicht auf die fast verworrenen Labyrinthe von Berg und Thal, von Wald und Feld, Wegen und Stegen, Flüssen und Bächen, zwischen welchen sich die berühmte, entscheidende Schlacht hin und her schob. Durch persönlichen Augenschein an Ort und Stelle kann man sich nur sehr schwer ein klares Bild von diesem Labyrinthe verschaffen, so daß es allen den Tausenden, welche hier gekämpft oder liebe Angehörige verloren haben, und überhaupt Allen, die aus strategischen, historischen oder patriotischen Gründen sich das Schlachtfeld deutlich vergegenwärtigen wollen, erfreulich sein wird, zu hören, daß das große Reliefbild des Schlachtfeldes, welches der preußische Generalstab nach den genauesten Messungen für den König von Preußen von dem Bildhauer H. Walger anfertigen und ausführen ließ, von demselben Künstler in kleinerem Maßstabe, aber mit wohl noch nie erreichter Klarheit und wissenschaftlicher Genauigkeit für den Kunsthandel vervielfältigt und als würdiger Zimmerschmuck, schön umrahmt, uncolorirt für zehn, colorirt für sechszehn Thaler, dem großen Publicum zugänglich gemacht worden ist.[1]

Wenige Schritte von dieser welthistorischen Höhe erhebt sich das große gußeiserne Kreuz, welches die Fürstenberg’sche Familie den gefallenen Kämpfern Oesterreichs errichten ließ. Dicht an der Kirche von Chlum, die noch manche Spuren des mörderischen Kampfes zeigte, ruhen die Gebeine des jugendlichen österreichischen Majors Grünne und des Generals Potschacher, ersterer unter glänzendem Marmorkreuze mit Traueresche, der letztere unter einem mit einfacherem Kreuze, aber damals frischen und lieblichen Blumenkränzen geschmückten Grabhügel.

Von der Flügelschanze bei Chlum mit dem Dorfe rechts im Vordergrunde warf ich noch einen Abschiedsblick über das blutgetränkte Thal des Bistritzbaches und suchte es durch Zeichnung für die Gartenlaube festzuhalten. Man blickt von der größten Anhöhe zwischen Königgrätz und Sadowa nach letzterm Orte hinunter in das Anfangs steil, dann terrassenförmig abfallende und wieder ansteigende Thal mit Sadowa auf der linken Seite der Mitte unter hohen Pappeln, darüber hinaus die Chaussee zwischen Millowitz und Horzic, links von Sadowa die zu Dohalice gehörigen Fabrikgebäude, darüber hinaus das Dorf Mschan und die Kirche von Stratschow; ganz im Hintergrunde, sechs Meilen weit, die beiden Spitzen des Berges Trosky zwischen Gitschin und Turnau.

Vor Sadowa läuft die Chaussee nach Lipa, auf deren linker Seite der Wald von Sadowa selbst zu einem blutgetränkten Denkmale der mörderischen Schlacht geworden ist. Von Sadowa aus rechts windet sich das Bistritzthal, aus dessen bewachsenen Ufern die Dörfer Sowietiz, Benatek und Hniewschowes hervorblicken. Unter den Schanzen rechts steigt das Dorf Cistowes mit seinem kleinen steinernen Obelisk hervor, dem Denkmale für das tapfere preußische siebenundzwanzigste Regiment, welches beim Erstürmen dieses brennenden Dorfes sich zum großen Theile aufopferte. Jenseits desselben erhebt sich der Thum-Platz, die bewaldete Anhöhe mit den zwei alten berühmten Bäumen, auf welche der Kronprinz von Königinhof aus nach dem Schlachtfelde vordringend seine ermüdeten Krieger hinwies, um ihnen das Ziel für den entscheidenden Kampf zu zeigen.

Auf dem Wege nach Sadowa durchschritt ich den Hinterhalt der österreichischen Jäger, wo sie aus Hunderten von Laubhütten ihre sicheren Geschosse auf die andringenden Preußen richteten. Die Weizenfelder waren durch die stürmenden Massen festgestampft und mit allerhand Kriegsgeräth, Waffen, wimmernden Verwundeten und stillen Leichen übersäet, der Wald von Granaten und Kartätschen zerschmettert. Heute erkannte ich kaum noch Spuren dieser entsetzlichen Gräuel und Verwüstungen; der Landmann hatte seine Furchen über die blutgetränkten Fluren gezogen, und Weizen, Korn und Gerste nickten wohlgefällig im sonnigen Winde.

Am Saume des Waldes steht ein roher Stein mit Inschrift und kleinem goldenen Adler, überschattet von einer alten Eiche und einer Trauerbirke. Weiter hinwärts, dicht an der Chaussee bezeichnen zwei andere preußische Monumente die Gräber der Officiere v. Puttlitz und v. Pannewitz, und ein Riesengrab davor enthält die Gebeine der hier gefallenen Mannschaften ohne Namen. Von der nahen Anhöhe bei Klenitz genießt man einen klaren Ueberblick des Schlachtfeldes von der entgegengesetzten Seite.

Am andern Morgen besuchte ich das an der Chaussee nach Turnau gelegene Schlachtfeld, wo die Sachsen auf dem schönsten Berge ihren gefallenen Cameraden ein Denkmal errichtet haben, einen vierundzwanzig Fuß hohen eingegitterten Sandstein-Obelisk mit dem sächsischen Wappen und der Umschrift: „Virtuti in bello providentiae memor.“

Seitdem sind noch mehr Denkmäler hinzugekommen, ganz neuerdings auch der die Chlumer Höhe zierende, dem Andenken der österreichischen und sächsischen Gefallenen errichtete Ehrenstein, und


  1. Diese meisterhaften, in feinstem Gyps ausgeprägten Reliefbilder des Schlachtfeldes von Königgrätz, Gitschin etc. sind in der Kunst- und Kartenhandlung von D. Reimer in Berlin erschienen; das letzte hat ohne Rahmen einen Umfang von mehr als zwei Fuß Quadrat und ist genaue Copie des großen Reliefs von sechsundzwanzig Fuß Quadrat.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_750.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)