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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

„Halten zu Gnaden, königliche Hoheit, aber der arme Meier sieht immer noch sehr elend aus und kann noch gar nicht wieder zu Kräften kommen.“

„So, – so, – hm, – fatale Geschichte,“ sprach der Fürst in seiner abgebrochenen Manier und ging im Zimmer herum.

„Ja,“ faßte sich der Haushofmeister ein Herz, „es würde wohl besser mit ihm werden, wenn er nur eine stärkende Kost zu sich nehmen könnte.“

„So? – na, – warum he, – warum thut er das denn nicht?“

„Ach, königliche Hoheit, dazu reicht sein Gehalt nicht aus bei seiner großen Familie,“ wagte Jener vorzustellen.

„Wie? – wo? – nicht ausreichen? – hm. Na, – Augenblick warten,“ damit gingen Serenissimus vorsichtig an Allerhöchstdero Secretär, nahmen eine Rolle mit zwanzig Goldstücken heraus und versetzten gnädig, aber leise: „So, – geb’ Er ihm das, – sich ordentlich pflegen, – bald gesund werden, – verstanden? hm!“

„Zu befehlen, königliche Hoheit,“ sprach der Haushofmeister mit einem neuen Bücklinge, indem er das Geld nahm. Als sein hoher Herr dann mit dem Kopf nickte, ging er zur Thür hinaus, froh über das Geschenk für den armen Reconvalescenten.

Aber ach, so leise auch königliche Hoheit den Secretär geöffnet hatten, eine hohe Dame hatte in dem Nebenzimmer – die Thür war nur angelehnt – das ihr wohlbekannte Knarren desselben mit feinem Ohre doch vernommen, und draußen auf dem langen Corridor kam sie jetzt schnell dem Davoneilenden nach und hielt ihn fest.

„Er kommt von Sr. königl. Hoheit?“ frug sie kurz und bestimmt.

„Zu befehlen!“ stammelte der Ueberraschte, die Rolle vorsichtig in der hohlen Hand verbergend.

„Was hat Er da in der Hand? Laß Er doch ’mal sehen, mein Freund,“ sprach die Dame, den Finger gegen ihn ausstreckend.

„Hoheit, es ist nur – Serenissimus befahlen – der arme Meier –“

„Ach, Larifari, zeig’ Er nur ’mal her!“ entgegnete mit gerunzelter Stirn die Dame, erwischte den Erschrockenen ohne Weiteres beim Aermel und nahm ihm höchsteigenhändig das Geld ab, trotzdem Jener ihr eindringlichst vorstellte, es sei für den kranken Lakai, der des Geldes so sehr bedürfe. Es half Alles nichts, die Dame rauschte mit dem Gelde von dannen, der Haushofmeister aber ging betrübt seiner Wege, und mit den Eigenthümlichkeiten seiner Herrschaft seit langen Jahren sattsam bekannt, hütete er sich wohl, irgend Jemandem ein Wort von dem zu sagen, was hier vorgefallen war, am allerwenigsten dem Fürsten selbst.

Wenige Tage später wollte es nun das Schicksal, daß dieser auf einer seiner Morgenpromenaden im Schloßparke dem kranken Lakaien, der seinen ersten Ausgang machte, von ungefähr begegnete. Um ein Haar hätte er seinen eigenen langjährigen Diener gar nicht wieder erkannt, so elend und gebrochen sah derselbe aus, nur an der Livrée noch sah der Fürst, daß er einen seiner Lakaien vor sich hatte. Er blieb deshalb ganz erschrocken und mitleidig stehen, winkte den Mann zu sich heran und sprach herablassend: „Hm, hm, – sehr blaß, sehr mitgenommen, mein Freund – besser pflegen, besser pflegen!“

„Ach, königliche Hoheit,“ stammelte dieser mit matter Stimme und trübem Blick, „ich habe vier Kinder, und bei der Theurung –“

„Wie, wa –?!“ unterbrachen ihn hier Serenissimus erzürnt, „Theurung? – vier Kinder? – hm. Was soll das heißen? Eben erst zwanzig Wilhelmsd’or geschickt, schon wieder alle, he –?“

„Mir?“ rief der Lakai überrascht aufblickend, und seine eingefallenen Wangen rötheten sich ein wenig, „mir? – o, königliche Hoheit belieben zu scherzen!“

„Was – wie, scherzen? Scherze nie, dummes Zeug!“ rief der Fürst zornig, „Haushofmeister erst vor drei Tagen horrendes Geld für Ihn gegeben!“

„Königliche Hoheit,“ entgegnete der Lakai vorwurfsvoll, „da muß ein Irrthum vorgegangen sein, ich habe nicht einen Pfennig bekommen außer meinem Gehalte, aber ich bedanke mich unterthänigst für die gnädige Absicht.“

Nun geriethen königliche Hoheit in helle Wuth, stampften mit dem Fuße heftig auf den Erdboden und befahlen Allerhöchst ihrem Adjutanten, Allerhöchstdero Haushofmeister augenblicklich herbeizurufen. Dieser kam alsbald und wurde gar übel und ungnädig empfangen (man kann sich ungefähr denken, wie), er war aber glücklicherweise schon an die Eigenthümlichkeiten seines Herm seit langen Jahren zu gut gewöhnt, um sich viel daraus zu machen, und als es ihm nur erst gelungen war, zu Worte zu kommen, klärte sich bald die ganze Angelegenheit zu seinen Gunsten auf.

„Hm, hm,“ sprachen Serenissimus, als er geendigt hatte, mit finsterem Stirnrunzeln und einigem Stampfen auf den Fußboden, „Graf X.…, hm, Fürstin in ihren Appartements?“

„Nein, königliche Hoheit,“ erwiderte dieser ausweichend und sich tief verneigend, „Durchlaucht sind vor einer Stunde aus dem südlichen Portale mit Prinzeß nach der Stadt gefahren.“

„So, so – hm – hm – na, warten, warten! – mitkommen, mitkommen!“ (d. h. der Lakai sollte warten, der Haushofmeister aber mitkommen) sprach nun der Fürst und damit eilte er schnell in’s Schloß und auf sein Zimmer, öffnete noch einmal den Secretär und händigte diesem eine Rolle mit fünfzig Wilhelmsd’or ein.

„Hm, hm,“ sprach er dabei mit einem Blicke auf die Nebenthür, „Vierzig sind für ihn und zehn für Ihn, – bin übrigens sein gnädiger Fürst, hört Er, hm – aber –!“

Der Haushofmeister verstand dieses „Aber“ und der Lakai Meier kam bald wieder zu Kräften, denn diesmal trat die hohe Dame nicht in den Weg. An demselben Nachmittage soll es aber noch in den Appartements der hohen Dame eine sehr heftige Scene zwischen dieser und ihrem Gatten gegeben haben.

H. H.




Verbotene Früchte schmecken bekanntlich am besten, wenn sie auch nicht allemal gut bekommen. Eine der gefährlichsten Früchte, welche aber für die gesammte Knabenwelt ihren unwiderstehlichen Zauber übt, ist der edle Rauchtabak, und eben deswegen wird unsere Illustration auf S. 797 der großen Mehrzahl unserer Leser wie ein Stück heimlichster Erinnerung aus dem eigenen Leben vorkommen, wenn auch für Viele nicht gerade eine Dorfschulstube der Schauplatz dieser geheimen Freuden und – Leiden war. Unser Bild selbst bedarf keiner Erklärung. Dagegen freut es uns, über den Künstler, Karl Schlösser, und nach seinen eigenen Berichten mittheilen zu können, daß er zu den Deutschen in Paris gehört, welche es aus eigener Erfahrung zu preisen wissen, daß in der Würdigung der Kunstleistungen in Frankreich parteiloser vorgegangen wird, als man häufig meint. Das Bild unsers Landsmannes, eines geborenen Darmstädters, der schon mehrere Jahre in Paris lebt, gehört zu den wenigen Kunstwerken, welche aus der großen Ausstellungssammlung, und zwar vom Kaiser Napoleon dem Dritten selbst, angekauft worden sind. Ein Bild von gleich humoristischem Inhalte ist sein „Schulzwang“.




Inhalt: Heimath. Novelle von Adolf Wilbrandt. – Erinnerung an Julius Mosen. Mit Abbildung. – Der Arbeiterinnen Heim in New-York. – Wie werden Moden gemacht? Von Eugen Laur in Paris. – Der Habermeister. Eine Geschichte aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Schluß.) – Blätter und Blüthen: Aus einem Fürstenschlosse. – Verbotene Früchte. Mit Illustration.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_800.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)