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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


No. 7.   1871.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Pulver und Gold.
Den Mittheilungen eines Officiers nacherzählt von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


„Sie haben das Mittel, durch das ich Ihnen Nachtruhe geben wollte, verschmäht,“ antwortete der Abbé, „damit es nicht unbenutzt bleibe, will ich selber es nehmen; nach der Scene der verflossenen Nacht wird mir die beruhigende Wirkung, die es übt, wohlthun!“

„Ah,“ sagte ich, „eine Beruhigung darüber hätten Ihnen auch meine Worte geben können; ich habe nicht daran gedacht, daß dieses Pulver nicht ein sehr harmloser Stoff sei: sogar ein sehr wohlthätiger Stoff; hätte ich ihn zu mir genommen, so würde ich sicherlich so gut und so fest wie Friedrich geschlafen haben, und Sie und Fräulein Blanche hätten ungestört Ihr Vorhaben ausführen können; ich fühlte jetzt nicht die Verzweiflung über den Kummer, den ich Fräulein Blanche habe zufügen müssen, diese helle Verzweiflung, die mich dazu trieb, Sie um eine Unterredung zu bitten. Ich möchte von Ihnen erfahren, wie Fräulein Blanche in dieser Stunde von der Sache denkt, ob ihre wilde und mir unerklärliche Aufregung sich gelegt hat; ich möchte Ihnen auseinandersetzen, daß es einer solchen Aufregung über die einfache Thatsache ja gar nicht bedarf, daß diese derselben nicht werth ist …“

Der Abbé zuckte die Achseln und sah trübselig zu Boden, während ich eifrig fortfuhr:

„Der kleine Schwarm von Franctireurs hat aus Furcht, von uns überrascht zu werden, den Geldtransport in Ihrem Hause in Sicherheit gebracht; wir haben den leidigen Schatz entdeckt und confisciren ihn nach Kriegsrecht; ich gebe Ihnen eine Bescheinigung darüber, die mein Schwadrons- und, wenn Sie wollen, mein Regimentschef bekräftigen und besiegeln wird – Sie sind damit aller Verantwortung los und ledig – es ist eine einfache vis major, der Sie gewichen sind – kein Mensch auf Erden kann Ihnen oder gar Fräulein Blanche einen Vorwurf darüber machen!“

„Sie kennen die ganze Sachlage nicht, mein Herr!“ erwiderte der Abbé. „Ich will sie Ihnen erklären, wenn Sie verlangen …“

„Ich bitte, reden Sie, sagen Sie mir Alles.“

„Jenes Geld,“ hub der Abbé an, „ist vom Präfecten des Departements der obern Saone zu Vesoul an den des Doubs nach Besançon abgeschickt worden und sollte zur Errichtung und Ausrüstung des Bataillons der Mobilen der obern Saone dienen, das zur Sicherheit nach Besançon geschickt ist, um sich dort im Schutze der Festung zu formiren. Da man jedoch die Straße von Vesoul auf Besançon nicht mehr für ganz sicher hielt – man hatte Nachricht, daß Ihre Vortruppen auf Vesoul marschirten, und mußte dann ihr weiteres Vordringen auf der Straße nach Besançon erwarten – so wurde der Transport ostwärts auf der Straße in’s Oignonthal geführt, um über Montbazon und Voray ungefährdet Besançon zu erreichen. Aber was sich in diesem heillosen Kriege so vielfach gezeigt hat, daß Sie die Schnelleren und wir die Langsameren sind … der Wagen mit dem Gelde wurde von Ihrem Detachement auf einer Straße, auf der man Sie gar nicht erwartete, eingeholt; der Gensd’arm und die Franctireurs, die ihn geleiteten, hatten, wie Sie ja selbst wissen, kaum die Zeit, den Schatz in dies Haus zu schaffen. Es war Fräulein Blanche, die ihn aufnahm, die ihn rasch in den Raum schaffen ließ, wo er am besten aufgehoben scheinen mußte, in das Zimmer, worin Herr Kühn seine Geldmittel und seine Werthpapiere aufbewahrte, das eiserne Schränke und Gitter vor dem Fenster hatte, dessen Thür durch zwei Schlösser zu sichern war … es war so natürlich, daß man in der Hast nur an diesen Aufbewahrungsort dachte. Nachdem die kleinen Fässer dorthin getragen und so für’s Erste geborgen waren, athmeten die Franctireurs auf; ihre Sorge war von ihnen genommen, ihr Muth kehrte zurück, und da sie Ihnen an Zahl ungefähr gleich waren, beschlossen sie, sich gegen die anrückenden Ulanen zu vertheidigen; wenn diese vor dem Hause ankamen, wollten sie ihnen durch das Gitter des Hofthores eine Salve geben und sich dann in unser Haus werfen, um die Feinde aus dem Fenster niederzuschießen. Sie können sich unser Erschrecken über dieses Vorhaben denken; auch wäre es sicherlich zu einer solche Scene gekommen, wäre nicht Blanche gewesen, die sie beschwor, abzuziehen, weil das Ende des Kampfes sein würde, daß unser Haus niedergebrannt werden, daß ihre Mutter von solch einem schrecklichen Ereigniß den Tod haben würde … sie stellte den Leuten vor, wie ein Blutvergießen ganz unnütz sein werde, wie die feindliche Streifpartie vorüberziehen werde, wie sie schon in der Nacht zurückkommen könnten, ihren Geldtransport weiter zu schaffen – sie setzte hinzu, daß sie, Blanche, mit Allem, was sie habe, den Leuten bürge für ihre Geldfässer – wenn sie nur rasch verschwänden und nicht an einen Kampf dächten, dessen Wirkung auf ihre kranke Mutter Blanche mehr fürchtete als Alles.“

„Und auf diese Bürgschaft hin ließen sich die Leute bereden?“ fiel ich erregt ein.

„Sie ließen sich beschwichtigen und durch Marc, den Gärtner,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_105.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)