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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

geladenen Mine führte. Ob aber das die einzige war, die in der Nachbarschaft lag, und nicht doch vielleicht irgend ein fanatischer Schwärmer getrieben werden konnte, einen solchen Streich auszuführen, wie jener Unterofficier in Laon? Aber wir zeigten ihnen wenigstens, daß wir uns nicht davor fürchteten, und unsere wackeren Truppen marschirten mit lustigem Spiele vorüber, bis unfern von dem Kronprinzen das Musikcorps wieder aufschwenkte und die Soldaten ebenfalls in Linie aufgestellt wurden.

Das nahm eine ziemliche Zeit, und ich hatte mich dem Volke zugesellt, das jetzt von allen Seiten herbeikam, sich unter die Soldaten drängte und – deutsch mit ihnen sprach.

Darüber war ich anfangs allerdings erstaunt, denn im Herzen von Frankreich hatte ich nicht geglaubt, so viele Elsasser zu finden. Diese scheinen aber, wie die Deutschen in allen fernen Welttheilen, als Arbeiter besonders sehr geschätzt zu sein, und Einzelne, die ich deshalb frug, versicherten mich, daß es hier in St. Denis viele große und bedeutende Fabriken gäbe – die Schornsteine sieht man allerorten emporragen – die weiter gar keine Arbeiter beschäftigten als nur eben Elsasser und Lothringer. Für die hier neu einquartierten Soldaten hat dies aber das sehr Angenehme, daß sie sich allerorten nun mit ihren Gastgebern leicht verständlich machen können.

St. Denis selber ist an manchen Stellen schon tüchtig durch unsere Granaten mitgenommen worden, dem Aergsten aber doch dadurch zur rechten Zeit entgangen, daß unsere neu vorgeschobenen Batterien noch nicht Gelegenheit bekamen, ihre furchtbaren Geschosse hier hereinzuwerfen. Die Leute mögen auch deshalb wohl so glücklich sein, daß das Bombardement jetzt plötzlich aufgehört hat, weil sonst jedenfalls ihre Fabriken zerstört und Tausende von ihnen auf lange Zeit brodlos geworden wären.

Und wie still rings umher die Welt lag – das furchtbare Donnern der Geschütze schwieg allerorten, denn auf diesen Tag war ja die Uebergabe sämmtlicher Forts rings um Paris bestimmt. „Gott sei Danke jetzt wird Friede!“ hörte ich viele Frauen sagen, die mit in den Reihen der Soldaten standen. „O, das war eine schreckliche Zeit!“ – und die Gesichter der Soldaten selber leuchteten dabei auf, denn sie dachten ihrer eigenen Weiber und Kinder – Gott sei Dank, jetzt wird Friede!


Blätter und Blüthen.

Die Feldschmiede. (Mit Abbildung). Wie drängen sich die Leute in Nancy oder Orleans oder sonstwo heran, wenn eine Batterie durch die Stadt marschirt, daß das Straßenpflaster dröhnt und die Fenster klirren und die Häuser leise erzittern! Heute weiß jedes Kind in Frankreich Wunderdinge von der deutschen Artillerie zu erzählen, und deren eherne Geschütze sind ebenso berühmt und gefürchtet geworden, wie die Lanzenspitzen der deutschen Ulanen. Da blickt denn mancher Blousenmann mit verbissenem Grimm auf die flotten Reiter vorn, auf die vorüberrollenden Geschütze und auf die diesen folgenden Munitions- und Vorrathswagen. Damit ist aber der Zug noch nicht geschlossen, denn, fast zu allerletzt, kommt ein Fahrzeug, welches in seinen zwei aneinandergehängten, einer vierundzwanzigpfündigen Geschützprotze und einem Munitionshinterwagen fast durchaus ähnlichen Theilen die allgemeine Neugierde umsomehr erregt, als fast Niemand seine Bestimmung kennt, und doch ist es nahezu das wichtigste Fahrzeug der Batterie: die Feldschmiede. Der Commandeur giebt auf die Dauer lieber ein Geschütz ab, als sie. Zwar hat die Feldschmiede keine Rolle in den Schlachten zu spielen, sie schleudert keine todbringenden Granaten in die Reihen des Gegners, aber sie sorgt, daß die Pferde auf dem harten Boden das Geschütz im Galopp an den Feind bringen, daß die Räder des Geschützes tüchtig mitlaufen können und daß das Gefecht selbst auch ausgefochten werden kann. Darum wird der Feldschmied von dem Commandeur der Batterie auch wie ein Kind behütet, und er allein hat während eines Marsches das Recht, die immer brennende Pfeife zwischen den Zähnen, von seiner Protze herunter mitleidig auf seine Cameraden sehen zu dürfen, die sich vor und neben ihm auf der staubigen und schmutzigen Landstraße abmühen, mit den rasselnden Geschützen Schritt zu halten. Wenn er nicht gerade ein losgegangenes Eisen festschlagen muß, steigt der Schmied während eines Marsches nicht von seiner Protze herunter, und fährt seine Batterie durch eine französische Stadt, so blickt der flotte, bärtige Geselle noch immer munter auf die rechts und links sich scheu herandrängenden Einwohner, für die sein müder und marschsatter Camerad schon längst kein Auge mehr hat.

Die Thätigkeit der Feldschmiede fällt, wie schon angedeutet, in eine Zeit, in welcher alle Andern ruhen, und es mag dem Schmiede wenig zum Troste gereichen, daß er sich erinnert, eben da geruht zu haben, wo die Andern wenigstens ihre Beine rührten; das dauerte aber oft lang, viele, viele Stunden lang.

Endlich ist es Abend geworden, endlich naht das Bivouac. Da steigt denn nun auch unser wackerer Schmied von seiner Protze; wenn aber der Bivouacplatz abgesteckt ist und die Pferde ausgeschirrt und angekoppelt sind, dann empfängt er die Schlüssel aus den Händen des Roßarztes und öffnet die Protze, um aus deren einem Seitenfach das Schurzfell zu holen, das sich da neben Schraubenschlüsseln, Streichstein, Schneidezeug, Kneifzangen und hundert andern Kleinigkeiten befindet. Das große Mittelfach der Protze liefert ihm die Steinkohlen, deren es zwei Scheffel bergen kann, und nun werden die auf den Tragbäumen des Hinterwagens rückwärts befindlichen Eisenplatten herausgezogen und damit der beste Herd von der Welt gebildet, der mit einem gleichfalls im Hinterwagenkasten befindlichen Blasebalg in Verbindung steht. Ambos und Klotz, die während des Marsches am Hinterwagen angebracht sind, werden nebenan aufgestellt, der Boden ringsum bedeckt sich mit Hämmern, Feuerzangen, Hufnägeln, die alle aus dem Protzkasten, und mit Feilen, Eisenbohrern, Schraubenziehern, Meißeln, Hufeisen, die alle aus dem Hinterwagenkasten genommen sind (es ist ein wahrhaft unerschöpflicher Vorrath von Instrumenten, der sich in diesen beiden Wagen befindet), und nun – das Feuer, vom Blasebalg angefacht, brennt schon lichterloh – kann die Arbeit beginnen.

„Und wenn Sie bis Morgen früh arbeiten, die Pferde müssen alle frische Eisen für die verlorenen aufhaben!“ Der Hauptmann hat gut reden; dort aber kommt ein Geschützführer um den andern, jeder mit und so viel Pferden, welche bei dem schlechten Wege das Eisen verloren haben; es beschlagen drei, vier Schmiede, aber noch lange ist kein Ende abzusehen. Es dunkelt und noch immerfort dröhnen die Hammerschläge durch das Bivouac und leuchtet die sprühende Gluth des Herdes. Der Schmied kennt jedes Pferd der Batterie – mit Entsetzen sieht er den alten Braunen kommen, der sich nicht beschlagen lassen will, den alten Fuchs, dem nur mit der größten Vorsicht Eisen aufzulegen sind, und dort den Rappen, auf dessen bröckeligem Huf kein Eisen haften will. Aber was hilft es? Fast erlahmt die Hand von dem langen Schwingen des Hammers und das müde Auge sehnt sich nach Schlaf – doch wehe dem Schmied, der das letzte Pferd nicht mit derselben Aufmerksamkeit beschlägt, wie das erste: morgen würde das Pferd lahmen, könnte stürzen, und das Geschütz könnte gerade dann in seinem stürmenden Anlauf aufgehalten sein, wenn sein Eintreffen am rechten Ort am raschesten und ersten nöthig wäre.

Der Schmied muß es selbst wünschen, daß seine Batterie zur rechten Zeit und am rechten Ort und ohne eigenen beträchtlichen Verlust in das Gefecht eingreifen kann; im entgegengesetzten Falle wird er wohl selbst mit eigener Person in das Bereich der feindlichen Granaten gezogen. Wie bekannt, theilt sich nämlich eine Batterie taktisch in drei Theile ein, welche von den sechs Geschützen, der ersten Wagenstaffel, die während des Gefechtes dicht bei den Geschützen bleibt, und der zweiten Wagenstaffel gebildet werden, die, möglichst gedeckt, tausend Schritte und noch weiter hinter der eigentlichen Batterie ihren Platz findet. Dieser zweiten Staffel gehört die Feldschmiede an, und man sollte darum glauben, ein Schmied sei sicher, weil er so weit vom Schuß ist. Damit ist es, wenigstens in diesem Feldzuge, Nichts, denn oft waren die Verluste der Batterien so umfassender Art, daß selbst die Schmiede und Schlosser als Ersatz in die Gefechtslinie rücken, daß selbst sie die lebensgefährliche Bedienung der Geschütze übernehmen mußten, und doch liegt gerade sie zu schonen im eigentlichsten Interesse eines jeden Commandeurs. Wenn diese letztere Soldatenpflicht für den Feldschmied aber auch nicht bestände, wenn er wirklich nur weit hinter der Fronte waltete und wenn ihm wirklich nichts Anderes obliegen würde, als im nächtlichen Bivouac am sprühenden Feuer zu stehen und auf dem klingenden Ambos das glühende Eisen zu schlagen – der Feldschmied mit seinen arbeitsharten Händen gehört auch zu Jenen, welche das Schlagen und Gewinnen einer Schlacht möglich machen, und darum gebührt auch ihm, trotz seines stillen, fast unbeachteten Schaffens, ein Theil der Ehren, mit welchen man jetzt die ganze Armee und vor Allem die Fürsten, Generäle und Officiere überhäuft. Gerade deshalb aber glaubte ich, Ihnen auch von dem Feldschmiede ein lobendes Wort schreiben zu müssen, das dieser so reich verdient – die Abbildung aber, die ich Ihnen dazu schicke, stellt die Feldschmiede einer Batterie des schlesischen Feldartillerie-Regiments Nr. 6 im Lager bei Villeneuf le roi vor Paris dar.


Aus dem Husarenleben. Wir erhalten zugleich mit den beiden Illustrationen, welche ihren Stoff aus den Begegnungen unserer Truppen vor Mezières mit den in dortiger Gegend sehr zahlreich gewesenen Franctireurs genommen haben und die wir heute unseren Lesern vorlegen, nachfolgende, Ende December geschriebene Zeilen:

„Wie gerne,“ schreibt uns H. Knackfuß, der Autor der beiden Bilder und selber ein wackerer Husar, „würde ich Ihnen häufiger Skizzen schicken, aber wie schwer arbeitet und zeichnet es sich in dem Kriegsgetümmel, zumal jetzt, da die Kälte eine so grimmige ist, daß Einem im Freien der Bleistift leicht genug aus der erstarrten Hand fallen kann, während die Quartiere dermaßen mit Infanterie überfüllt sind, daß sich kaum ein Plätzchen an einem Tisch finden läßt, um das Skizzenbuch darauf zu legen. So müssen Sie denn mit den Illustrationen vorlieb nehmen, wie ich sie eben in einer günstigen Minute rasch fertig bringe und wie ich sie diesmal unmittelbar nach unserem Streifzuge gegen die Franctireurs, aus welchem sie zwei Episoden schildern, auf das Papier geworfen habe.

Diese verwünschten Franctireurs fingen uns nämlich nachgerade an wirklich unbequem zu werden; sie molestirten uns auf allen Seiten und erschossen zuletzt meuchlings einen Husaren, der als Ordonnanz von einem Dorfe zum andern ritt, während sie am Tage darauf hinter einer Patrouille die Brücke zerstörten. Da galt es endlich die Hörner zu zeigen, und deshalb machten wir uns in einer der folgenden Nächte in Begleitung der Dreiundfünfziger und Siebenundsiebziger und einigen Batterien zu einem Rachezug auf. Mit Sonnenaufgang fielen vor uns, bei Harcy, die ersten Schüsse. Sogleich aber fuhr unsere Artillerie auf und bald hatten wir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_139.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)