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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Stallraum etwa für ein Schwein, eine Ziege, Hühner oder sonstiges Gethier versehen ist und so zur Gemüthlichkeit und zum Nutzen des Haushaltes, besonders zum Vergnügen der Kinder beitragen mag. Die Zimmer sind fast alle größer, als wir sie bis jetzt in theuren und ungesunden Miethswohnungen finden, wesentliche Bedingung für gesundes Athmen. Da andere Häuser mit freien Hofräumen oder Hintergärten, wie sie namentlich für die Heimstätten über tausend Thaler beabsichtigt und zum Teil schon angelegt sind, einander gegenüber liegen und nur durch niedrige Mauern oder lebendige Hecken getrennt sind, so bildet sich hinter diesen Häusern ein freier, großer, freundlicher, gesunder Raum für alle Umwohner zugleich. Durch solche große Gartenflächen sind namentlich Londoner Vorstädte so gesund und malerisch schön geworden. Man blickt aus dem Vorgärtchen durch zwei Zimmer hindurch in die dahinter liegenden, und in die Zimmer winkt und wirkt von beiden Seiten grünes, lachendes Leben hinein. Welcher Gegensatz zu den engen, giftigen, dichtbewohnten Höfen großstädtischer Miethscasernen, die oft eben so eng als tief und hoch ihren Bewohnern den Himmel mit Luft, Licht und Leben nur wie eine kleine Oeffnung über dunklem Abgrunde voller Kohlensäure und Pestluft aus der selten gereinigten Excrementenhofburg zeigen! In dem wohlfeilsten, einfachsten Häuschen des deutschen Central-Bauvereins ist den äußeren Bedingungen für ein gesundes, edleres Culturleben ebenso Rechnung getragen, wie in den theueren für wohlhabende Classen.

Diese Tausendthaler-Häuser kann sich jeder Vereinsgenosse durch wöchentlich einen Thaler Abzahlung allmählich als schuldenfreies Eigenthum erwerben, und zwar mit Grund und Boden, auch dicht bei Berlin oder anderen Großstädten. Dies sind aber noch nicht die ärmsten sparfähigen Classen, so daß man namentlich für wohlfeilere Gegenden und die armen Arbeiter auf dem Lande nach englischen Mustern noch tiefer steigen wird. In meiner Broschüre „Die Stadtgifte“ etc. habe ich die musterhaften „Panzerhäuser“ beschrieben, wie sie in England schon für fünfzig Pfund, also für etwa ein Drittel des bei uns erreichbar erscheinenden niedrigsten Preises gebaut werden. Dies wird auch bei uns möglich sein, so daß den Mitgliedern einer Baugenossenschaft schon bei einer wöchentlichen Einzahlung von zehn Silbergroschen binnen fünfzehn bis zwanzig Jahren das bewohnte Haus zum schuldenfreien Eigenthume wird, wie in England.

Der deutsche Central-Bauverein ist in Deutschland das erste Unternehmen, die sogenannten „Terminal-Baugesellschaften“, wie sie sich in England geradezu tausendweise wohlthätig ent- und abgewickelt haben, in’s Leben zu rufen. Durch Auswahl der besten Bestimmungen daraus ist die Sache bereits ebenso vereinfacht als vervollkommnet, und in Bezug auf Münzung und Verwerthung des genossenschaftlichen Credits, worüber sich namentlich der sachverständige Dr. Engel in Berlin, das berühmte Haupt der Statistik, ausgesprochen, lassen sich noch viele Vortheile für alle Genossen verwirklichen. Namentlich empfehlen sich Entrichtungen für das Creditgeben, also Vorschüsse für Genossen, die auch als redliche Arbeiter oder Handwerker in den Fall kommen können, Geld auf Credit gut zu verwerthen und deshalb auch zu verzinsen. Da sie zugleich Gläubiger und Schuldner der Genossenschaft sind, durch Einzahlungen, Eigenthum und Vertrauen Gewähr bieten, kann ihnen die Bank der Genossenschaft gelegentlich Geldverlegenheiten sehr gut ersparen.

Unser Verein hat zunächst um Berlin herum verschiedene Bodenflächen erworben, um darauf seine Häuser in Abstufungen von tausend bis zehntausend Thalern den Genossen der einzelnen Mitgliedsgruppen zu erbauen und so Blüthentrauben von Vorstädten anzulegen, wie sie namentlich London in Schichtungen weit rings umgeben. Dies wird auch zu der englischen Lebens- und Geschäftsweise führen, wie sie sich in Hamburg, Köln etc. bereits vortheilhaft geltend macht, und wie ich sie in der Gartenlaube früher geschildert und empfohlen habe. Der Mittelpunkt der Stadt wird immer mehr Geschäft, in welches man jeden Morgen aus der gesunden, halbländlichen Wohnung geht, fährt oder reitet, um ununterbrochen bis vier, fünf Uhr zu arbeiten und dann in die Ruhe und Schönheit des Familienlebens draußen zurückzukehren. Künstler, Gelehrte und sonstige gebildete Familien können fortdauernd draußen wohnen und arbeiten und sich der ihr Eigenthum werdenden Häuslichkeit ohne Störung und Stadtgifte erfreuen.

Nach den Statuten des Vereins bilden sich einzelne Genossenschaften für Häuser von tausend bis zehntausend Thalern. Jedes Mitglied zahlt nach einer Einlage von zwei auf je tausend Thaler (die angerechnet werden) wöchentlich einen. Diese Einzahlungen werden mit Zins auf Zins gutgeschrieben und vierteljährlich mit fünf Procent verzinst. Ausgearbeitete Tabellen darüber, jedem Genossen eingehändigt, zeigen die erstaunliche Fruchtbarkeit solcher eingezahlter Ersparnisse, der Capitalserwerbung auf die leichteste und vortheilhafteste Weise, so daß die Zahlungen für den Nießbrauch des Hauses bis zur völligen Abzahlung dadurch so gut wie vergütet werden. Ist der Betrag für ein Haus beisammen, so steht dasselbe schon fix und fertig und wird verloost. Durch weitere Einzahlungen, wobei Zins auf Zinszinsen, Capital und Credit ungemein förderlich werden, ist der Beitrag für das nächste Haus und dieses selbst bald da und letzteres wird wieder verloost. Und so geht es fort, und zwar so, daß kein Mitglied länger als zwölf Jahre für sein Haus einzuzahlen und zu sparen braucht. Das Geld fließt also wie in eine Sparcasse. Viele zahlen, wie in England, ohne Rücksicht auf ein Haus, blos der guten und sicheren Zinsen wegen ein. Dadurch wird die Genossenschaft überhaupt eine wohlthätige Vereinigung von Personen, die Credit geben und nehmen. Wer auf ein Haus einzahlt, kann den Betrag, wenn er nicht weiter fortfahren will oder kann, stets unverkürzt zurückerhalten. Aber wenn nun ein Ernährer, nachdem er so und so viel Jahre eingezahlt und vielleicht schon ein Haus gewonnen hat, plötzlich stirbt und Wittwe und Kinder nicht weiter zahlen können? Im schlimmsten Falle können die Erben ihren Eigenthumsantheil verkaufen; aber jedes Mitglied wird es hoffentlich vorziehen, sich sofort für den Fall seines Todes auf den Betrag für das Haus zu versichern. Dies wird nach englischem Muster so gemacht. Man zahlt auf ein Haus für die und die Summe ein. Diese wird bei einer Lebensversicherung mit zwei bis drei Silbergroschen wöchentlich auf je tausend Thaler so versichert, daß im Todesfalle diese Lebensversicherungsgesellschaft den Rest des Guthabens an die Baugenossenschaft zahlt und die Erben dadurch sofort in den schuldenfreien Besitz ihres Hauses eintreten. Größerer Deutlichkeit wegen ein Beispiel. Der versicherte Genosse hat fünf Jahre lang etwa zweihundertfünfzig Thaler auf sein Haus für tausend Thaler eingezahlt und stirbt. Jetzt zahlt die Versicherungsgesellschaft den Rest der Schuld, siebenhundertfünfzig Thaler, auf einmal an die Baugenossenschaftscasse, und Wittwe oder Erben erhalten das Haus sofort als schuldenfreies Eigenthum, das sie vielleicht mit fünfzig Procent Gewinn verkaufen können. Der Versicherte zahlte während der fünf Jahre etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Thaler. Man kann also die Seinigen auf die billigste Weise gegen alle Gefahr vor Verlust schützen. Die Billigkeit erklärt sich dadurch, daß sich mit jeder Woche der auszuzahlende Betrag für den Todesfall verringert und zwar mit Rücksicht auf die übrigen Einzahler so bedeutend, daß sich die zwei, drei Silbergroschen auf’s Tausend in England erfahrungsmäßig noch als ein bedeutender Nebengewinn der Versicherungsgesellschaften erwiesen haben.

Unser Verein wartet übrigens durchaus nicht mit seinen Bauten, bis sich die Beträge für je ein Haus eingefunden haben. Im Nordosten Berlins läßt er auf einmal dreißig Eintausendthalerhäuser, im Süden mehrere Reihen von theureren und auf dem luftigen, schon malerisch bepflanzten und bebauten Westende mehrere Zehntausendthaler-Villas aus eigener Capitalskraft bauen, um sie den Genossen zur Verfügung zu stellen. Abzweigungen für dieselben Zwecke mit denselben Statuten haben sich in mehreren Provinzialstädten theils gebildet, theils sind sie noch im Werden begriffen. Die Statuten geben blos allgemeine, unerläßliche Bedingungen, innerhalb welcher noch mit jedem einzelnen eintretenden Genossen ein freies, klares Abkommen getroffen wird, worin er in Bezug auf den Bau und die Einrichtung seines Hauses u. s. w. seinem Bedürfnisse und Geschmacke Genüge und Rechte sichern kann. Dasselbe gilt für Zweig-Vereine in den Provinzen.

Kurz, die Suche ist so begründet und gegliedert, daß jeder Betheiligte immer nur gewinnen und selbst bei Verarmung oder Tod das eingezahlte Geld nie verloren gehen kann. Auch ist die Genossenschaft frei von den Gefahren, denen andere, selbst solide Unternehmungen nicht selten unterliegen. Das Geld wird ja immer in soliden, sich durch weitern Anbau im Werthe steigernden Häusern angelegt und diese hypothekarisch und durch Feuerversicherung über anderweitige Gefahr erhoben. Jeder Besitzer zahlt fünf Procent für den Nießbrauch seines Hauses nur bis zur Höhe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_268.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2021)