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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Frauenverein hatte seine Mitglieder an den Erfrischungsständen placirt und die schönsten Heben credenzten der stets durstigen Menge die Getränke; Gedenkmünzen an das Friedensfest wurden zu Tausenden von jungen Mädchen verkauft; im geräumigen Ballsaal wurde getanzt wie auf einer deutschen Kirmeß.

Als die Sonne unterging, kehrte Jedermann zurück nach der Stadt; wer Lust hatte, konnte bis an den hellen Morgen auf einem großen, in der „Platt’s Halle“ arrangirten Festball tanzen; – und als die Zeitungen am nächsten Morgen bewundernde Berichte der amerikanischen Presse über das große deutsche Fest brachten und als man beim Kaffee las, daß volle dreizehntausend Dollars eingenommen und wohl sieben- bis achttausend Dollars für die Verwundeten, Wittwen und Waisen Ueberschuß geblieben seien, da war die Freude über dieses schöne gelungene deutsche Friedensfest doppelt groß.

Die Deutschen in den californischen Landstädten haben sich San Francisco als Muster genommen und veranstalten jetzt ebenfalls Friedensfeste. Schon sind die Triumphwagen nach der fünfzig englische Meilen entfernten Stadt San José unterwegs und die Ulanen, die Ritter und Teutonen etc, sind in hohem Bedarf. Die Deutschen in San José stellten an das hiesige Generalcomité die Anfrage, ob dieses die Ulanen, das heißt deren Uniformen, nicht verkaufen oder vermiethen wollten? wir haben sie unseren patriotischen Landsleuten in der californischen Gartenstadt umsonst geborgt. San Francisco aber wird den Tag des großen Friedensfestes als einen der glänzendsten in seinen Annalen eintragen. Die hiesigen Deutschen haben den Amerikanern durch diese prächtige Feier dermaßen imponirt, daß selbst der Neid stumm geworden ist.

Die „Alta California“, das bedeutendste der hiesigen englischen Blätter, zum Beispiel sagt wörtlich, nachdem sie bereits eine sechs Columnen (größer als die der „London Times“) lange Beschreibung des Festes gegeben, in einem auf das Friedensfest bezüglichen, eine ganze Spalte langen Leitartikel:

„Welch ein Unterschied zwischen den amerikanischen Processionen, mit ihren unvermeidlichen von Bändern umflatterten Ochsen, den gemeinen Anzeigewagen und rohen Emblemen, und den Kutschen voll von schwarzgekleideten „nobodys“, und den Festzügen dieser Deutschen voll von Poesie und herrlichen geschichtlichen Darstellungen! Keine beleidigenden Mottos und Bilder gegen den gefallenen Feind waren da, nichts war zu sehen von dem niedrigen amerikanischen Malerialismus etc. Die ganze Procession war so zu sagen voll von lebendig gewordenen Gedanken, herrlich ausgeführt; die Liebe für das geehrte Vaterland, geschmückt von Kunst und Poesie, zog mit den blitzenden Colonnen durch die festlichen Straßen unserer Stadt. Wir haben anmaßendere Aufzüge in San Francisco erlebt, worin mehr Spectakel gemacht und vielleicht mehr Glanz entfaltet wurde, aber nie einen, der sich auch nur annähernd so durch Kunst und Bildung wie dieser unserer deutschen Mitbürger ausgezeichnet hat etc. etc.“

Theodor Kirchhoff.




Blätter und Blüthen.


Die belagerte Köchin. Als Nachzügler des sehr umfänglichen Schriftenthums, welches unser letzter großer Kampf um den Rhein in Deutschland, Frankreich, England, selbst in Schweden und Rußland hervorgerufen hat, erscheint soeben ein Büchlein von wenigen Bogen nur, aber von so charakteristischem und jedenfalls bis jetzt in seiner Art einzigem Inhalt, daß wir uns gedrungen fühlen, mit einigen Worten von der literarischen Curiosität Notiz zu nehmen.

Eine Pariser Hausfrau hat sich nämlich, für etwa vorkommende ähnliche Eventualitäten, veranlaßt gesehen, unter dem Titel „Die belagerte Köchin“La Cuisinière assiégée – eine Anleitung zu veröffentlichen über „die Kunst in Belagerungszeiten zu leben“ und darin eine Anzahl von Speiserecepten mitzutheilen, wie sie wohl noch in keinem Kochbuche gestanden haben.

Daß die Verfasserin – „eine intelligente und praktische Haushälterin“, heißt es in der Vorrede – als gute Französin die phrasenhafte Selbstüberhebung ihrer kämpfenden und nicht kämpfenden Landsleute theilt, „der heroischen Vertheidigung von Paris, der ganz Europa voller Bewunderung zugesehen habe,“ den erforderlichen Weihrauch streut und die „heldenmüthige Resignation“, mit welcher der verwöhnte Pariser die seltsamen Schüsseln hingenommen, und das „erstaunliche Talent, mit dem er das ungenießbarste Material zu neuen Triumphen seiner weltberühmten Kochkunst umgeschaffen habe,“ nicht genug zu preisen weiß, darf uns nicht befremden, kommt auch hier nicht in Betracht.

Uns interessiren allein die absonderlichen Belagerungsschüsseln und was die „belagerte Köchin“ über deren Trefflichkeit oder Verdienstlichkeit anführt, behauptend, daß viele der von der Noth gebotenen Gerichte einer Einbürgerung auch in die nicht belagerte Küche werth seien. Zugleich erfahren wir, daß die Vertheilung von Rind-, Hammel-, Schweinefleisch nur bis zum 22. November möglich geworden und daß von da ab das Pferd – „unser energischer und kühner Verbündeter auf dem Schlachtfelde und unsere substantiellste und wohlschmeckendste Nahrung während der Cernirung“ – der Hauptbestandtheil in der gewaltigen Hekatombe gewesen sei, „welche man auf dem Altar des Vaterlandes geopfert habe.“

Die Anordnung des Stoffes ist eine alphabetische, und so kommt zuerst der EselL’âne – an die Reihe, der sich „durch die Zartheit seines Fleisches“ zu einem Festgerichte für die reichste Tafel eignet. Das Eselfleisch ist, nach der Verfasserin, „weit feiner als das des Rindes und verträgt gleich dem des Maulthiers, das ebenfalls in permanentem Gebrauche zu bleiben verdient, jedwede Art von Behandlung.“

Von der Katze wird gesagt: „Dieses Hausthier, die Zierde und der Trost der Dachstube und der glückliche Liebling des eleganten Salons, ist eines der gesuchtesten und darum seltenen Belagerungsgerichte geworden. Das Fleisch der Katze ist weiß, fein und zart, nur muß es, bevor es auf die Tafel kommt, achtundvierzig Stunden lang gebeizt werden. Man kann es wie den Hasen als Ragout oder Pfefferfleisch oder als Braten zubereiten.“

Das Pferdefleisch „sieht aus und schmeckt völlig wie Rindfleisch; gut gekocht, ist es von dem letztern nicht nur kaum zu unterscheiden, sondern demselben sogar vorzuziehen. Nur muß es gleich dem der Katze vorher gebeizt, am besten sechsunddreißig Stunden lang in Essig, Oel, Salz und Pfeffer gelegt werden.“ Nun folgt eine ganze Speisekarte voller Pferdegerichte: Pferde-pot-au-feu, gekochtes Pferdefleisch, Pferdeschmorbraten, Cheval à la Parisienne, Cheval à la Mode, Pferderagout, Pferdehaché, Pferdesteak, Pferdegehirn u. m. a., zu welchen appetitlichen Speisen unsere belagerte Köchin die detaillirtesten Recepte enthüllt, auf die wir unsere deutschen Hausfrauen hierdurch aufmerksam zu machen uns erlauben.

Das Hundefleisch, wenn es zuvor achtundvierzig Stunden hindurch gebrüht worden ist, ähnelt in Aussehen und Geschmack dem Hammelfleische ungemein; ebenso lange marinirt, kann es als Reh passiren. Leider, meint die Verfasserin des merkwürdigen Büchleins, sei man bei der Vertheilung des Hundefleisches nicht rationell zu Werke gegangen, so daß dasselbe nicht die Ressourcen dargeboten habe, die man von ihm erwarten durfte. Von den verschiedenen Hundefleischzubereitungen, welche die „Belagerte“ aufzählt, erwähnen wir blos Hundecoteletten, Hundefilet mit Gemüse, Hundemilz und Hundeschnitzel.

Vom Maulthier gilt dasselbe wie vom Esel; nur ist es nicht ganz so zart wie dieser letztere; „unter allen Umständen indeß steht sein Fleisch keinem der in unserer gewöhnlichen Küche üblichen nach.“

Endlich wird auch die Ratte nicht vergessen, indeß bemerkt, daß man sich derselben nur mit großer Vorsicht als Nahrungsmittel bedienen dürfe, obwohl ihr Fleisch höchst wohlschmeckend sei. Sie enthalte eine Menge Würmer und trichinenartiges Ungeziefer, welche die Gesundheit des Menschen in hohem Grade gefährden können. Ganz vortrefflich hingegen sei in jeder Beziehung das Fleisch der Antilopen – was sich leicht begreifen läßt – und der Kameele; da jedoch dergleichen Thiere kaum jemals anders als unter so ungewöhnlichen Umständen wie die jüngste Belagerung von Paris für unsern Küchenbedarf in Requisition gesetzt werden dürften, so kann von einer Mittheilung von Recepten zu ihrer Zubereitung füglich abgesehen werden.

Ob die Verfasserin des Werkchens ihre Absicht erreichen wird: „die Küche durch eine Anzahl von Gerichten dauernd zu bereichern, welche die Noth improvisiren ließ,“ vermögen wir nicht zu entscheiden. Sonder Zweifel aber hat das Schriftchen als ein bezeichnendes Andenken an eine hochbedeutsame Zeit auch jenseits der Kochherd- und Bratofenkreise Anspruch auf Interesse.

H. Sch.

Das Ehrenthal bei Saarbrücken. (Mit Abbildung.) Den Einwohnern von Saarbrücken war es mit beschieden, die größten Schrecknisse des Krieges auszustehen. Wir haben in Nr. 36 des vorigen Jahrgangs unter dem Titel „Die Franzosen drei Tage auf deutscher Erde“ eingehend davon erzählt und geschildert, wie der Kampf unter den Mauern von Saarbrücken in den ersten Tagen des Krieges getobt, wie heldenmüthig Oberstlieutenant Pessel mit seiner kleinen Schaar sich vertheidigt, wie die Uebermacht der Franzosen endlich doch in die Stadt drängte und dieselbe bis zum Abend des 5. August besetzt hielt, um schon am nächsten Tage die fürchterliche Niederlage auf den Höhen von Spichern zu erfahren. Die Einwohner von Saarbrücken waren Augenzeugen jenes schrecklichen Kampfes, der sich bei der Erstürmung der berühmten Höhen entspann; mit jubelndem Herzen sahen sie die deutschen Truppen todesmuthig Schritt vor Schritt vorwärts dringen – was Wunder, daß die braven Leute bald der gleiche Heldenmuth begeisterte. Ohne an die Gefahr für das eigene Leben zu denken, folgten sie den Kämpfenden nach, nicht einzeln, nein, in Massen strömte die Bevölkerung auf das Schlachtfeld, um beim Einholen der verwundeten Brüder thätig zu sein: Jeder wollte einen Tapferen haben und ihn pflegen.

Aber auch der Todten gedachten sie. In dem Thale, das hinter dem für Saarbrücken so verhängnißvollen Exercirplatz und vor dem eigentlichen Spichererberg liegt, haben sie den für das Vaterland Gefallenen einen gemeinsamen Grabhügel gestiftet und der melancholischen Stätte, die fortan jedem Deutschen heilig sein wird, den schönen Namen „Ehrenthal“ gegeben. Ja, es ist ein Thal der Ehren, in welchem die Helden ruhen, die so treu und brav bis zum letzten Athemzuge die Wacht am Rhein gehalten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_323.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)