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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Die Zollvereins-Niederlage in Hamburg.

Die einzelnen Lagerräume und Comptoire, in denen der Miether vollkommen freier Herr wie im eigenen Hause ist, sind solide, einfach und praktisch ausgeführt; selbst in Hamburg finden sich wenige Waarenlager, die den hier vorhandenen zur Seite gestellt werden könnten. Diese theils zwei-, theils dreistöckigen Gebäude haben mindestens vierzig Fuß Front und fünfzig Fuß Tiefe. Um so viel wie irgend thunlich an Platz zu ersparen, sind innerhalb der einzelnen Gebäude fast gar keine Scheerwände gezogen; gußeiserne Träger stützen die Deckenbalken. Auf diese Weise sind die, nebenbei bemerkt, selbst in den Kellerräumen außerordentlich trockenen Magazine so geräumig und bequem angelegt, wie nur möglich, und der Miether kann sich das Lager einrichten, wie es ihm am besten paßt. Daß praktische Vorrichtungen zum Aufwinden von Waaren nicht fehlen, versteht sich von selbst.

Wer keine eigenen Lagerräume in Miethe nehmen will, lagert seine Güter in dem großen allgemeinen Lagerschuppen, der unter Aufsicht der Verwaltung der Niederlage steht, und zahlt eine billige monatliche Lagermiethe nach Verhältniß des benutzten Raumes. Der allgemeine Lagerschuppen ist zweiundvierzig Fuß breit, tausend Fuß lang und bietet somit in Keller und Parterre einen Lagerraum von circa vierundachtzigtausend Quadratfuß Flächeninhalt. Die gewaltige Länge des Schuppens erregt das Staunen des Besuchers, der ihn in seiner ganzen Ausdehnung durchwandert; das Gebäude ist, wie aus dem Gesagten hervorgeht, fast eben so lang, wie die auf unserer Illustration dargestellte Hauptfronte. Der Baugrund senkt sich sanft von Osten nach Westen; der Schuppen ist daher in mehrere Abschnitte getheilt, die durch schiefe Ebenen mit einander verbunden sind. Wenn man die Wanderung durch den Schuppen beendet hat und sich umdreht, um den Blick durch das Gebäude in seiner ganzen Länge schweifen zu lassen, glaubt man eine meilenweite Perspective vor sich zu haben, so sehr verstärkt das Gefälle des Baugrundes den Eindruck.

Längs des Schuppens läuft ein vom Bahnhofe sich abzweigender Schienenstrang, so daß die Güter unmittelbar aus den Waggons in den Lagerschuppen übergehen können; der Kaufmann wird wissen, welche bedeutende Summen hierdurch erspart werden. Der eiserne Dachstuhl, auf welchem ein Zinkdach ruht, zeichnet sich durch eine von Fachmännern als genial gerühmte Construction aus.

Der Schuppen wird nur zur Lagerung von Massengütern benutzt; auch zollfreie Güter, wie Wolle, Baumwolle, Getreide, Lumpen und dergleichen mehr, werden hier gelagert, und zwar wegen des umfangreichen zusammenhängenden Raumes, wie sich so vorzüglich den Wünschen des Kaufmannes entsprechend selbst in der Handelsmetropole Deutschlands kein zweiter findet. Diese Räume werden auch namentlich zur Lagerung von sogenannten bonificationsberechtigten Gütern verwandt, d. i. solchen Industrieerzeugnissen, wie Sprit, Zucker etc., die im Zollverein einer Besteuerung des Rohmaterials unterworfen sind und, wenn sie in’s Ausland geführt werden, auf Rückvergütung der Steuer Anspruch machen können – eine Maßregel, die der deutschen Industrie im Kampfe mit der ausländischen gleiche Waffen sichert. Dergleichen bonificationsberechtigte Güter müssen unter Verschluß der Niederlageverwaltung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_568.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)