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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Die Anstalt Hüningen hat sich bisher nur den Schutz der Eier angelegen sein lassen, weil dies auch unstreitig der wichtigste Theil der Fischzucht, besonders für eine Centralanstalt, ist. Dem Schutze der jungen Fische hat sie weniger Aufmerksamkeit schenken können, einmal weil die meisten der hier zur Anbrütung gekommenen Eier zur Versendung bestimmt waren, dann auch weil die Lage der Anstalt für Aufzucht von Fischen nicht günstig ist. Die Wahl des Ortes kann sogar nur durch die vor zwanzig Jahren noch sehr geringe Kenntniß von den zur Fischzucht nothwendigen Bedingungen entschuldigt werden.

Zu der Anstalt gehört im Ganzen ein Territorium von etwa hundertfünfzig Morgen, auf welchem mehrere größere und kleinere Teiche, Bäche, zahlreiche Quellen, herrliche Parkanlagen und Gärten angelegt und die wahrhaft großartigen Anstaltsgebäude errichtet sind. Die Vorrichtungen für den Schutz der Eier sind sehr praktisch und über alle Begriffe großartig.


Laboratorium, Bureau und Beamtenwohnung der Brutanstalt Hüningen.


Zwei große Gebäude, das Mittelgebäude und die Bruthalle, ersteres hundertvierzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit, letzteres hundertachtzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit, sind dazu bestimmt, diese Eier aufzunehmen. Zahlreiche künstliche Bäche im Innern der Gebäude dienen dazu, die Eier so weit anzubrüten, daß dem Embryo auch ein weiter Transport nicht mehr schaden kann. Die Anbrütung geschieht durch Quellwasser, welches der Anstalt durch einen gemauerten Canal von einem Kilometer Länge zugeführt wird. Vier mächtige Turbinen, welche durch das Wasser des Rhein-Rhone-Canals getrieben werden, pumpen unausgesetzt das crystallhelle Wasser gegen zwanzig Fuß hoch auf sieben große Bassins. Von hier aus vertheilt sich das Wasser, wie in den Adern eines organischen Körpers, durch zahlreiche untereinander in Verbindung stehende Bleiröhren in alle drei Gebäude der Anstalt. Die Eier selbst werden auf Glasrosten dünn ausgebreitet; die Glasroste liegen theils in gemauerten Canälen, theils in Gefäßen von gebranntem Thon, theils auf mächtigen Bruttischen von vierzig Fuß Länge. Diese Glasroste bewirken, daß etwaige Schlammtheilchen, welche das scheinbar völlig klare Wasser dennoch mit sich führt, sich nicht auf die Eier, sondern auf den Boden der Gefäße, der Canäle und Bruttische niederschlagen, auch bewirken sie, daß das belebende Wasser nicht nur über die Eier hinweg, sondern auch unter den Eiern fortströmt. Durch zahlreiche Messingkrähne kann man das Wasser ganz nach Belieben reguliren, so daß es nur ganz unmerklich dahingleiten, aber auch lebhaft plätschernd davon eilen kann.

In den ersten Tagen bleiben die Eier in diesen künstlichen Bächen gänzlich unberührt, weil der junge Keim im Ei noch so zart ist, daß die geringste Berührung ihn sofort tödten würde. Nach einigen Tagen beginnt jedoch die Hauptthätigkeit.

Gegen die zahlreichen Feinde des Thierreichs sind die Eier in diesen künstlichen Bächen wohl geschützt, gegen den heimtückischen und gefährlichsten Feind der Fischeier hingegen, den Schimmelpilz, schützt kein Verschluß, kein feines Gitter, keine noch so sorgfältige Filtration. So sorgfältig man nämlich die Befruchtung vorgenommen, so große Vorsicht man auch während des Transportes angewendet, es finden sich dennoch nach einigen Tagen mehrere unbefruchtet gebliebene und verdorbene Eier. Diese Eier werden bald die Brutstätten des so verderblich auftretenden Byssus; würde jetzt nicht schleunigst abgeholfen werden, so wären nach wenigen Tagen sehr leicht sämmtliche Eier in dem kleinen künstlichen Bache wie mit Baumwolle überzogen und die ganze Brut unrettbar verloren. Darum sehen wir während der ganzen Brutperiode stets zahlreiche Arbeiter, oft zwanzig bis dreißig Mann, mit der Ueberwachung der Eier beschäftigt. Jedes verdorbene Ei, welches sich durch seine weißliche Färbung leicht erkennen läßt, wird mit einer Pincette sofort unbarmherzig entfernt, wobei man sich jedoch sehr hüten muß, die umliegenden Eier zu berühren.

Eine wahre Freude ist es jetzt, mit anzusehen, wie unter dem belebenden Einflusse des unaufhörlich rieselnden Wassers der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_588.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)