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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Stand zu sehen. Der Kaiser ist häufig auf demselben abgebildet. Es verursachte ein allgemeines Lächeln, als der Kutscher uns mit wichtiger Miene sagte, daß Napoleon dies Pferd bei – Saarbrücken geritten habe. Der daneben stehende kleinere Vollblutbraune, Phébus, war von ihm bei Sedan geritten worden. Es ist dies ein wunderschönes Thier mit prächtigem, feinem Kopf und großen, klugen Augen, wenn auch nicht so kräftig und werthvoll wie Heros. Wagenpferde waren noch nicht angekommen.

Wir wurden auch in die Remise geführt, wo sechs Wagen des Kaisers standen, und auch hier machte uns der Kutscher auf den einen leichten Wagen aufmerksam, mit welchem Napoleon mit Prinz Ney gefahren war, um den deutschen Kaiser – so nannte ihn der Kutscher – zu treffen. Einige nicht eben delicate Fragen anwesender Schweizer beantwortete der Kutscher bescheiden und mit vielsagendem Achselzucken.

Unterdessen war auch die Frau erschienen, welche uns das Haus zeigen sollte. Es ist dies, wie gesagt, ein ganz einfaches, dreistöckiges Haus ohne irgendwelchen architektonischen Schmuck. Gleich von ebener Erde tritt man aus dem Garten in den Vorplatz, an dessen hinterer Wand eine Wendeltreppe in den obern Stock führt. In diesem Vorplatz stehen rechts und links sehr einfache magere Waffentrophäen, gebildet aus mittelalterlichen Waffen. Rechts steht ein Tisch an der Wand und auf diesem ein polirtes Kästchen zur Aufnahme von Briefen. An den Wänden hängen die Portraits von sechs Paschas, welche Napoleon der Erste in Aegypten unterwarf.

Wir traten zuerst in das links gelegene Zimmer, welches zeltartig eingerichtet ist, womit auch die weiß und blau gestreifte Tapete harmonirt. Die Einrichtung ist ganz einfach. Die Ueberzüge der Möbel sind gewöhnlicher Wollendamast, wie auch die Vorhänge. Das Interessanteste in allen Zimmern sind die Gemälde, theils Familienportraits. Ueber dem Sopha hängt ein Portrait des schon 1807 gestorbenen älteren Bruder des Exkaisers, Napoleon Charles als Kind mit einem großen türkischen Säbel umgehängt. Ein sehr schönes Bild. An einer Seitenwand sehen wir Napoleon den Dritten als jungen Mann, in Civilkleidung, in einer wilden Schneelandschaft, sein Pferd am Zügel führend. Ferner ein Portrait der Königin Hortense, seiner Mutter, und eines von Napoleon dem Ersten als General, mit der Fahne in der Hand bei Arcole.

Das elegante Zimmer im untern Stock ist ein kleiner Salon oder Bibliothekzimmer; wenigstens steht darin ein mäßig großer Bücherschrank, dessen Inhalt ich nicht Zeit hatte zu untersuchen. An einem Ende dieses Zimmers waren zwei größere Spiegel angebracht und vor dem Sopha ein Tisch mit Schreibmaterial. Auf einem Seitentisch standen ein Erd- und ein Himmelsglobus, auf einem Nebentische allerlei ägyptische Kleinigkeiten. Die Tapete des Bibliothekzimmers ist roth, die Vorhänge und Möbel von höchst einfachem gelben Wollenstoff. Ueber dem Sopha hängt ein sehr schönes, lebensgroßes Portrait der Kaiserin Josephine im Krönungsschmuck, und an den Wänden sind andere Familienportraits, wie der König von Holland, Joseph Bonaparte, Murat, Beauharnais, die beiden Söhne der Königin Hortense als Kinder, die schöne Fürstin Borghese, allein nirgends sieht man weder ein Portrait von Jérôme, noch von Plon-Plon, seinem Sohne.

An die Bibliothek stößt ein Billardzimmer, dessen Wände mit großen Aquarellen geschmückt sind, meist Ansichten von verschiedenen Städten. Das Speisezimmer, welches wieder ein blau und weißes Zelt darstellt, ist ganz einfach. Buffets stehen in den Ecken und ein runder Tisch in der Mitte. An den Wänden hängen bekannte Kupferstiche aus der Geschichte Napoleon’s des Ersten, wie der Abschied in Fontainebleau etc.

Im untern Stock befindet sich auch noch eine Art von Gartenzimmer, fast ohne Möbel, vermuthlich ein Rauchzimmer. Die ganze Einrichtung ist auffallend einfach bürgerlich und nirgends sieht man kostbare Vasen oder dergleichen und nicht einmal eine Pendule. In einem der Zimmer steht ein Piano.

Ich bedauerte sehr, daß wir die Zimmer im obern Stock nicht sehen durften, allein es war dies ausdrücklich untersagt worden. Was mich wundert, ist, daß der Zugang zu denselben nur eine einzige schmale Wendeltreppe ist. In diesem obern Stock soll sich ein ganz hübscher Salon befinden. Das kleine Theater, welches sonst dort war, ist beseitigt und die Zimmer sind anders eingerichtet, obwohl meist mit den alten einfachen Möbeln, die sich noch aus den Zeiten der Königin Hortense vorfanden. Nur das Zimmer, in welchem die Königin gestorben, ist ganz unverändert geblieben. Es enthält übrigens nichts Merkwürdiges, als die Harfe der Königin, zwei Commoden, welche Marie Antoinette gehörten, einige Portraits und einen Lorbeerkranz, den die Königin für ihren Sarg eben vollendet hatte, als sie starb. Als der Kaiser, ich glaube 1865, Arenenberg besuchte, schloß er sich eine halbe Stunde lang in diesem Zimmer ein und man sah, daß er geweint hatte.

Vor dem Hause, am Rande des Berges, steht ein Kastanienbaum, von einer Bank umgeben. Unter diesem Baume saß Prinz Napoleon häufig mit Persigny und anderen Vertrauten, und hier wurden die Schritte beraten, welche den Kaisertraum des Prinzen verwirklichen sollten. Von diesem Punkte aus hat man eine sehr schöne Aussicht auf den Untersee und links auf den nahen Landungsplatz der Dampfschiffe. In der Ferne sieht man die Gebirge Schwabens.

Die Capelle ist sehr einfach. Der durch eine offene Flügelthür abschließende, in einer Art von Nische befindliche Altar ist ziemlich schmucklos, Rechts und links hängen zwei Gemälde, ein Christus und eine Maria mit dem Kinde, gemalt 1857 von Türcher in Zug. Nahe der Thür stehen Schränke, wahrscheinlich zum Aufbewahren der Meßgewänder, auf deren Thüren man ein lateinisches H mit der Krone darüber steht. In der Capelle stehen etwa zwanzig Betstühle. Der interessanteste Gegenstand in dieser kleinen Capelle ist das an der rechten Seite stehende sehr schöne Denkmal den Königin Hortense, auf dessen Sockel steht. „A la reine Hortense son fils Napoléon III. Das Denkmal, vom Florentiner Bartolini in dem feinsten Marmor ausgeführt, ist wunderschön und von ergreifender Wirkung. Es stellt die Königin Hortense in einfachem Büßergewande knieend dar und versunken im Gebet. Der Ausdruck des Gesichts wie die ganze Haltung der Figur sind unübertrefflich schön. Damit man erkennt, daß die büßende Sünderin eine Königin ist, sieht man auf ihrer Stirn ein goldenes Diadem. Auf der Rückseite des Piedestals ist folgende eigenthümliche Inschrift eingegraben: „Fortuna. Infortuna. Fortuna.“

An die Kaiserperiode Napoleon’s des Dritten und an die Kaiserin Eugénie erinnert gar nichts in Arenenberg. Nur in der Wagenremise bemerkte ich, daß die gefühlvollen Stallleute unter jedem Wagen aus weißem und gelbem Sand abwechselnd ein gekröntes N und E gestreut hatten.

Will der Exkaiser hier sein Leben beenden, so wird ihn Niemand in diesem löblichen Vorsatze stören, und ein anderer Bartolini kann ihn seiner Mutter gegenüber als Büßer darstellen. Er mag dem Himmel danken, daß er einem großmüthigeren Feinde in die Hände gefallen ist, als es das harte Loos seines großen Oheims war. Möge er vor der Versuchung bewahrt werden, diesem nochmals nachahmen zu wollen! Arenenberg ist weit hübscher als Longwood!

Corvin.




Ein Bild versunkener Herrlichkeit.

Ja, ein Bild versunkener Herrlichkeit ist Schloß Moritzburg. Seine glänzendsten Tage datiren aus der Zeit des prachtliebenden August des Starken, der nach üppigem Male mir stolzem Jägertroß den weiten Forst durchzog, der jetzt in melancholischem Schweigen ruht. Nur das Schilf in den nahen Teichen rauscht und flüstert noch wie ehedem, und erzählt sich allerhand Geschichtchen von dem Silberdrachen der schönsten Courtisanen, von den italienischen Nächten, den Gondelfahrten, den gehetzten Hirschen und Wildschweinen, die mit ihrem rothen Blute das grüne Wasser färbten, nachdem sie, halb zu Tode gehetzt und bis zur äußersten Verzweiflung getrieben, in den schützenden Fluthen die letzte Rettung suchten; aber auch hier erreichte sie die wüthende Meute, und nicht selten versanken Wild und Hunde, die sich verbissen hatten, wenn nicht zu rechter Zeit Piqueure in heraneilenden Nachen das Opfer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_603.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)