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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Zeit der hierarchischen Anmaßungen und Uebergriffe nicht hoch genug schätzen können, ist sein entschiedener Widerwille gegen jene Art von Pfaffenthum, wie sie sich zur Zeit in ihren fluchwürdigen Bestrebungen, den Strom der Wissenschaft und Geistescultur zurückzudämmen, breit macht. Er soll in dieser Beziehung wiederholt geäußert haben: „Sie treiben, was nicht ihres Amtes ist, und was ihres Amtes wäre, das thun sie nicht.“ Von Personen, welche schon öfter Gelegenheit hatten an der königlichen Tafel theilzunehmen, ist es auch nicht unbemerkt geblieben, daß der Erzbischof von München, so oft er zu derselben beigezogen wird, nie in der unmittelbaren Nähe des Königs placirt ist, daß er aber, hierdurch der Gefahr entrückt, vom König angesprochen zu werden, sich mit um so größerem Behagen und Eifer den Genüssen der Küche hingiebt, die dem hochwürdigsten Oberhirten auch sehr gut anzuschlagen scheinen.

Des Königs Dampfer steht nicht, wie man glauben sollte, in Berg, sondern in einer großen Schiffhütte zu Starnberg, und wenn der König auf ihm fahren will, muß deshalb nach Starnberg telegraphirt werden. Es ist so zu sagen ein Miniaturdampfer, ein zierliches, schlank und leicht gebautes Schiff, nur etwa dreißig bis vierzig Fuß lang, mit schmalem Kiel, die Außenseite in der oberen Hälfte grün, in der unteren weiß. Die Spitze des Schnabels ziert ein vergoldetes bairisches Wappen mit Krone, und der halbrunde Bogen des Radkastens zeigt in einfacher gothischer Schrift den Namen des Schiffes „Tristan“. Ebenso einfach ist dieses selbst eingerichtet. Die sehr kleine Kajüte des Hintertheils, welches kein Deck hat, ist mit ein paar schmalen rothsammtenen Divans, zwei eben solchen Fauteuils und einem des engen Raumes wegen nur einen Fuß breiten, jedoch mit einer gleich breiten Aufschlageplatte versehenen, im Gegensatze zu den dunklen Sitzmöbeln hellpolirten Tischchen eingerichtet, und quer über das Deck des Vordertheils, in der Nähe der Maschine, steht ein Sopha mit grünem Lederüberzug, während zu beiden Seiten dem Deckgeländer entlang sich je eine Rohrgeflechtbank hinzieht. Der Boden des Decks ist parketirt.

Auf diesem Dampfer fährt Ludwig der Zweite herüber bis weit über die Mitte des Sees zu dem anmuthigsten aller Eilande, zu der Roseninsel, vor sich die stolze Reihe der hochragenden, in leichten Duft gehüllten Alpen, über sich den in seiner tiefen Bläue oft an Italien mahnenden wolkenlosen Himmel. Dazu rauschen von den grünen Ufern her die sonnenglitzernden Wellen gegen den Kiel des Schiffs, dessen Name schon an die berühmteste Lieblingsneigung des Königs erinnert, und lassen es in ihrem leichten anmuthigen Spiel kaum ahnen, wie auch sie, zur Zeit des Herbstes von den nachtdunklen Stürmen gejagt, sich bäumen und tosen und, auf ihrem Kamme den weißen Gischt, gegen die ihres Sommerschmuckes beraubten Gestade in wildem Anprall branden können.

Der Abschied von der Insel hält schwer. Es liegt eine so harmonische Ruhe auf dieser weltvergessenen Einsamkeit, daß man sich ungern losreißt aus der herzerweiternden Beschränkung, wieder hinauszutreten in die Welt, welche das Gemüth nur zu häufig zusammenpreßt und -schraubt, so weit und schrankenlos sie auch erscheint …

Es war im nächsten Jahre, als ich auf’s Neue der Lockung unterlag, denselben Weg wieder zu gehen. Als wir an die Roseninsel kamen, gedachte ich meines Besuchs und zugleich eines schönen Paares, das damals seine Verlobung gefeiert und das ich eben auf der Roseninsel in vertrautem Gespräche gesehen hatte. Ich hatte den schönen Anblick noch nicht vergessen, den mir dasselbe bei heimlichem Betrachten geboten. Ich hatte mein Auge damals von dem Paare nicht wenden können; denn ohne Zweifel: zwischen ihnen wuchs eine Blume, wie man es wohl auf altdeutschen Bildern zu sehen pflegt, immer höher empor, – auch eine Rose und wohl die schönste, die duftigste von allen, die in Wahrheit zu pflücken nur wenigen Auserwählten vergönnt ist.

Damals hatte mir der Steuermann des Schiffs, auf dem das Paar mit mir zur Roseninsel gefahren war, Mancherlei über das erstere erzählen können, und nun forschte ich bei ihm begierig über das weitere Geschick der beiden jungen vornehmen Leute nach. „Das ist auch ganz anders gegangen, als man erwartet hatte,“ erwiderte er kopfschüttelnd. „Das schöne Paar ist uneins geworden und wieder auseinander gekommen; es ist einmal nicht anders auf der Welt, nicht aus jeder Knospe wird eine Rose!“

Eben fuhren wir an der Insel vorbei, – tief in Gedanken wiederholte ich die Worte des Steuermannes: „Nicht aus jeder Knospe wird eine Rose – das ist Rosenschicksal!“




Blätter und Blüthen.

Mahnung an eine Königsbraut. Ein Brief der Königin Louise. Die Gartenlaube hat im Jahrgang 1866, Seite 294, in dem Artikel: „Der letzte Ritter des Frankenlandes und seine Tafelrunde“ von einer Schwester der Königin Louise von Preußen, der Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen erzählt, die eine der größten Sängerinnen und zugleich die Mutter einer der schönsten Prinzessinnen ihrer Zeit war. An letztere, ihre Tochter Therese, richtete Königin Louise den nachfolgenden Brief, als ihr die Verlobung derselben mir dem Kronprinzen Ludwig von Baiern, Maximilian’s des Ersten Sohn, angezeigt worden war. Wir machen den Leser auf die Zeit aufmerksam, zu welcher diese Zeilen geschrieben sind: es war die von Preußens tiefstem Fall, und darnach würdige man den Inhalt.

Potsdam, den 11. Mai 1810.

Liebe Therese! Ich gratulire Dir von Herzen zu Deiner bevorstehenden Verbindung, und wünsche aufrichtig, daß sie sich zu Deinem Glück schließen möge. Viel, ja sehr viel wird dabei auf Deine Aufführung ankommen. Liebe und besonders der Rausch der Liebe kann nicht immer dauern; aber Freundschaft und Achtung kannst Du verdienen, wenn Du rein und unbescholten dastehst und wenn Klugheit Deine übrigen Schritte in der Welt leitet. Dazu gebe Dir Gott Kraft und Willen! Er leite Dich auf ebner Bahn und segne Dich und sei Dir nahe mit seinem Geist und seiner Gnade! Amen.

Dieses sind die aufrichtigen Wünsche meines Herzens für Dich, liebe Therese! Ich kann Dir keine großen Beweise meiner Liebe geben, ich schicke Dir hiebei eine Eventaille mit meinem Namen in bunten Steinen. Sie ist ganz einfach, ohne Juwelen, wie die Zeit es mit sich bringt. Kommt sie mal besser, so bekömmst Du noch etwas.

Noch vor einer Sache warne ich Dich. Laß die Eitelkeit, die Klippe der Jugend, nicht überhand nehmen. Bedenke, daß Du in ein gänzlich ruinirtes Land kommst, wo eine allgemeine Drangsal das Volk erdrückt. Bestrebe Dich, Gutes zu thun und Wohlthaten zu streuen, damit die Unglücklichen Deinen Namen segnen und nicht die marchandes de mode Dich loben. Dies kommt Dir jetzt vielleicht lächerlich vor, daß man zwischen den beiden Wegen nur wählen könne. Doch wirst Du recht wählen, dafür bürgt mir Dein Herz und das Beispiel Deiner unvergleichlichen Mutter, aber in Gefahr wirst Du doch manchmal kommen, wo Kopf und Herz nicht einig sein werden. Behalte diesen Brief, und kommen solche Gelegenheiten, so denke Deiner Tante, die durch Unglück und Trübsal der großen Bestimmung entgegenreifte.

Adieu, gute liebe Therese! Der Himmel sei bei Dir, mit Dir, um Dich! Behalte fest Deine Grundsätze und laß Dich nicht wanken in dem, was Du einmal für Recht erkannt hast!

Deine treue Tante und Freundin
Louise.

Nur zehn Wochen später hatte die gefeierte Königin ihre „große Bestimmung“ erreicht, ohne ihre schöne Nichte wieder gesehen zu haben. Die Mahnung der „Tante und Freundin“ blieb dieser aber heilig, sie ist in der That eine Wohlthäterin der Armen geworden und geblieben bis an ihren Tod, am sechsundzwanzigsten October 1854. Den vorstehenden Brief verdanken wir der Güte des Diaconus Dr. Armin Radefeld in Hildburghausen, der ihn, als Copie, von einer Kammerfrau der Königin Therese, Fräulein Stein, erhielt. Das Original ist offenbar in München zu suchen.


Die Holzschuh-Frage, die wir in Berücksichtigung eines wichtigen Elsässer Industriezweiges angeregt haben, ist mit so viel Theilnahme aufgenommen worden, daß sie uns fast über den Kopf wächst und dringend ihre Erledigung verlangt.

Vor Allem gestehen wir, daß es von unserem Correspondenten oder von uns ein Versehen war, als wir Wasselnheim als einen Hauptort der Holzschuhfabrication bezeichneten: hier werden vorzugsweise die zur Benutzung namentlich der feineren Holzschuhe unentbehrlichen Wollsocken, eine Art aus starker Wolle bereitete Schuhe oder Halbstiefel, von den Franzosen „chaussons“ genannt, geliefert. „Beide,“ so schreibt uns Herr J. Grohig in Wasselnheim, „müssen miteinander vereinigt werden, um in und außer dem Hause als eine warme Fußbekleidung zu dienen. Sollte es gelingen, diesen Artikel, welcher einen großen Industriezweig bei uns ausmacht, im alten Vaterlande einzuführen, so würde man dafür im neuen Reichslande und besonders in unserer Gegend zum größten Danke verpflichtet sein. Die Holzschuhe werden meistens in den beiden, ebenfalls am Fuße der Vogesen liegenden gewerbfleißigen Nachbarstädten Molsheim und Mutzig gearbeitet, viele aber auch aus dem Schwarzwald bezogen.“

Bekanntlich werden die Holzschuhe aus Linden- oder aus Kastanien-, Birken- oder Ulmenholz gefertigt. Sie sind entweder ganz aus Holz geschnitzt, oder, und das giebt dann die feineren Sorten, aus Holz und Leder zusammengesetzt. Ein solches Paar kaufte ich mir in Orleans, und es steht eben da vor mir, um für den Leser beschrieben zu werden. Aus Holz besteht die fingerdicke Sohle sammt dem Absatz und dem sogenannten Quartier (Hinterleder), Alles geschickt nach der Form des Fußes geschnitten. Daran ist ein sehr starkes Oberleder befestigt und zwar derart, daß selbst das beißendste Schneewasser keinen Durchgang zu den Socken fressen kann.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_655.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)