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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Männern, so haben selbe selbstverständlich doch mehr Sympathien für ihre Landsleute und ihr Vaterland, als gegen fremde Nationen, ihre Abneigung gegen Alles, was deutsch heißt, kann man ihnen, von ihrem Standpunkt aus, weder verdenken, noch übelnehmen. Es ist begreiflich, daß sich alle diese Uebelstände für uns, die „Aschenbrödel aller Nationen“, so fern von der Heimath, breiter und peinlicher fühlbar machten, als sonst irgendwo. Das Jahr 1870, welches so Manches gebrochen, was unzerstörbar schien, scheint auch hier rüstig vorzuarbeiten, man wird endlich auch am Hofe in Kairo und Alexandrien begreifen, daß im Falle der Noth der Schwerpunkt, der Anker, an dem ein fester Halt zu finden, in Berlin liegt, nicht wie bisher in Paris.

Die Umstände zwingen den Schreiber Dieses, der aus eigener Anschauung berichtet, zu dieser Einleitung, die länger zu werden droht, als die Geschichte selbst, die nur als Beleg für obige Behauptungen gelten mag.

Bekanntlich dürfen laut den Tractaten keine Zeitungen in fremden Sprachen ohne Zustimmung der Behörden im Orient erscheinen. Ein Franzose, wenn wir nicht irren, der Vicomte de Macorri, der in seiner Eigenschaft als solcher über dem Gesetz zu stehen dachte, gründete in Aegypten ein Journal, unter dem Titel: „Independant“. Die Tendenz dieses Blattes war: Schmähung gegen die dortigen Behörden, Schmähungen in maßloser Heftigkeit, – die Absicht lag auf der Hand. Selbst seinen eigenen General-Consul, den Vicomte Brenier du Montmeraud, schonte der Redacteur nicht, er beschimpfte diesen so gut wie die Regierung des Landes, als dessen Gast er lebte. Gegen diesen Rochefort von Alexandrien trat nun Nubar Pascha, der kluge und besonnene Minister des Aeußern, klagbar auf, indem er sich zu wiederholten Malen an das französische Generalconsulat wandte, das ungesetzliche Verfahren des Herausgebers des rechtlos erscheinenden Journals hervorhob, und um sofortige Aufhebung desselben nachsuchte. Der Minister erhielt die absonderliche Antwort: „man möge sich aus den Schmähungen des Mannes nichts machen, da ja auch er, der Generalconsul, die Beschimpfungen desselben schweigend hinnehme.“ Dies wunderliche Argument scheint denn doch Nubar Pascha nicht eingeleuchtet zu haben, und eines schönen Tages wurde die Zeitung confiscirt, und ein Colporteur, auch Franzose, der trotzdem eben mit einer großen Anzahl von Exemplaren die Druckerei verließ, wurde von ägyptischen Beamten verhaftet und direct dem Generalconsulat zur Bestrafung übergeben. Der Vertreter der grande nation antwortete damit, daß er den Arretirten sofort auf freien Fuß setzte, und dafür, daß die ägyptische Behörde gewagt habe, einen französischen Unterthan zu verhaften, die eclatanteste Satisfaction verlangte. Als diese nach einigen Tagen nicht erfolgte, erschien zum maßlosen Erstaunen der ganzen Bevölkerung eine Ordonnanz, worin alle Franzosen ermächtigt wurden, „Waffen zu tragen, um sich selbst vertheidigen zu können, ja er, der Generalconsul, gestatte seinen Landsleuten, im fremden Lande sich selbst Recht zu verschaffen, und wenn sie irgend wie angegriffen würden, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.“

Die Bekanntmachung dieser frechen Ordonnanz à la commune, die allem Menschen-, allem Völkerrechte Hohn sprach, sich zum Kläger und Richter in eigener Sache aufwarf, erregte bei allen Rechtlichdenkenden die tiefste Entrüstung.

Der älteste der politischen Agenten in Aegypten, der österreichische Generalconsul Baron von Schreiner, berief eine Zusammenkunft sämmtlicher Generalconsuln, in welcher die obige Ordonnanz des französischen Vertreters für unlegal, gegen die bestehenden Tractate und die allgemeinen Menschenrechte – droits des gens – verstoßend, erklärt wurde. Als unter einigen der Anwesenden die Stimmung schwankend und aus Aengstlichkeit für etwaige Folgen zweifelhaft wurde – zu obigem Beschluß war die volle Stimmeneinheit nöthig –, als namentlich der Vertreter des gerade abwesenden tüchtigen englischen Generalconsuls ungewiß erklärte, er müsse in so wichtigen und vielleicht von schweren Folgen begleiteten Angelegenheiten erst die speciellen Befehle seiner Regierung einholen, da trat der deutsche Generalconsul und politische Agent des neuen Kaiserreiches, Herr von Jasmund, auf und riß die Versammlung durch eine hinreißende und bewältigende Rede zum einstimmigen Beschluß hin. Er erklärte, daß durch diese völkerrechtswidrige, unnatürliche und unmoralische Ordonnanz die Sicherheit aller übrigen Nationalitäten auf’s Aeußerste gefährdet sei, daß der französische Generalconsul weder ein Recht noch eine Veranlassung zu einer solch unerhört willkürlichen Ordonnanz habe, daß sich Frankreich überhaupt im Orient in unlegitimster Weise stets eine Ueberhebung zu Schulden kommen lasse, welche die Ehre und Würde der anderen Nationen auf das empfindlichste verletze. Diese Ueberhebung, die sich bei jeder Gelegenheit geltend gemacht, müsse von jetzt an ein Ende haben!

Er – Herr von Jasmund – beanspruche nicht den geringsten Vorzug vor den übrigen Vertretern der Großmächte, aber nie werde er zugeben, daß ein anderer sich herausnehme, eine höhere Machtstellung gebrauchen zu wollen, als die deutsche. Zu große Opfer seien gebracht für diese Berechtigung, zu viel edles Blut sei geflossen für dieselbe, als daß Deutschland solch schlecht begründeten Ansprüchen gegenüber ruhig zusehen könne. Er stelle es dem französischen General-Consul frei, die übereilt gegebene Ordonnanz zurückzunehmen, ehe er von seiner Regierung gezwungen werde, dies zu thun.

Eine so männlich kühne Sprache war aus deutschem Munde an dieser Stelle noch nicht vernommen worden. „Die Kanonen von Sedan haben gesprochen!“ erzählten sich die erstaunten Einwohner am nächsten Morgen in Kairo. „Wird er nachgeben, oder nicht?“ frugen die Franzosen. „Lächerlich, er wird, er kann und darf nicht!“ Und doch – er mußte: Jules Favre rief den Vertreter seiner Regierung nach drei Tagen telegraphisch ab und hob die Ordonnanz auf. Die Kanonen von Sedan hatten gesprochen! Zum ersten Male wurde eine Satisfaction verweigert, welche der französische General-Consul in Kairo forderte, zum ersten Male protestirten alle Vertreter fremder Mächte einstimmig französischer Anmaßung gegenüber, zum ersten Male gelang es nicht, eine Maßregel der Willkür gewaltsam durchzuführen. Möchte der Vicekönig endlich einsehen, daß bisher nur Eigennutz den größten Theil seiner Umgebung an ihn kettet, und daß das Wort „Deutsche Treue“ kein leerer Schall sei. An dem tapferen Benehmen des General-Consuls v. Jasmund kann er sehen, wie fest und treu der Deutsche steht, wenn es gilt: als Wacht am Rhein oder als Wacht am Nil!


Rettung dreier Erbschaften. 1) Einige zwanzig größtentheils arme sächsische Gebirgsbewohner haben Anrecht auf eine Erbschaft von etwa dreihundert Thalern. Die Erbregulirung stößt sich jedoch an die Abwesenheit eines Miterben, der vor fünfundzwanzig Jahren nach Amerika ausgewandert ist. Sollen nach demselben gerichtsamtliche Aufrufe in den Zeitungen erlassen werden, so würde dies die Erbschaftsmasse leicht bis auf ein Minimum verringern. Da muß nun wohl die „Gartenlaube“ wieder ihr Glück versuchen und bittet, etwaige Kunde über Johann Gottlieb Krüger aus Johanngeorgenstadt im Königreich Sachsen, der 1846 nach Newyork reiste und dessen Ehegattin Johanna Concordia im Jahre 1870 zu Marienberg gestorben ist, der Redaction freundlichst mitzutheilen.

2) Im Jahre 1864 ist Christian Scheeler aus Herbartswind im Herzogthum Meiningen nach Amerika gegangen und hat seine zwei unehelichen Kinder ihrem Schicksal überlassen. Vier Jahre später soll er gestorben sein und Vermögen hinterlassen haben. Kann Niemand den Ort angeben, wo Scheeler gestorben und sein Nachlaß aufbewahrt ist? Scheeler’s Eltern und Verwandte haben den armen Kindern zu Liebe auf jedes Erbrecht verzichtet.

3) So mancher jenseits des Oceans verlorene oder verschollene Sohn ist durch einige Zeilen in der Gartenlaube wiedergefunden worden. Sollte es denn nicht möglich sein, in irgend einer deutschen Mutter oder Schwester die Erbin eines hübschen amerikanischen Capitals zu entdecken? Es starb nämlich ein gewisser wahrscheinlich aus Süddeutschland stammender John Hankele im Frühling 1865 in Alton im Staate Illinois, Nord-Amerika, und hinterließ ein Vermögen von 1583 Dollars 85 Cents. Der Verwalter des Nachlasses giebt unter Eid an, daß der Verstorbene keine Erben in den Vereinigten Staaten habe, und darum bleibt nichts übrig, als dieselben in Deutschland zu suchen.


Ein neues Licht. Ein französischer Chemiker hat ein Licht entdeckt, das dem Gas so weit vorzuziehen ist, als dieses seinem Vorgänger, dem Oel. Wir werden bald Gelegenheit haben, dies schöne, klare und der Gesundheit zuträgliche Licht zu bewundern. Die Beamten des Krystallpalastes haben Röhren gelegt und Gasometer aufgestellt, um in wenigen Tagen ihre Krystallspringbrunnen und seltenen Kunstwerke mit dem neuen oxyhydrischen Licht zu erleuchten. Um dem Publicum zugleich durch den Augenschein seine gewaltigen Vorzüge vor dem Gas darzuthun, werden Gas- und oxyhydrisches Licht abwechseln und die dunkle, gelbe flickernde Gasflamme wird doppelt so erscheinen in der ruhigen hellen Beleuchtung, die von ihrem Nebenbuhler ausgeht und welche so stark ist, daß sie das Gaslicht einen Schatten werfen läßt auf der nämlichen Wand, die sie erleuchten soll.

Dies Licht ist viel billiger herzustellen, als Gas, und ist nicht nur glänzend hell, sondern auch der Gesundheit nicht nachtheilig. Ueber der Oeffnung der gewöhnlichen Gaslampe zeigt das Licht einen dunkeln Raum, den die Flamme umgiebt; darin schwimmen spritzende Atome aufwärts; viele davon bleiben unverzehrt, verderben die Luft, schaden den Augen und den Lungen, und andere, die halb an der Flamme verzehrt werden, theilen sich als Rauch und Staub der Atmosphäre mit und ruiniren Gemälde, Decken und Goldrahmen. Nichts von alledem kommt bei dem neuen oxyhydrischen Lichte vor. So berichtet das „Mechanics’ Magazine“ vom 14. October.



Hülfe für Chicago.


Siebenzigtausend Bewohner einer der größten Städte der Vereinigten Staaten sind durch die schrecklichste Feuersbrunst dieser Tage um Haus und Heerd gekommen und sehen dem herannahenden Winter mit Frauen, Greisen und Kindern obdachlos entgegen. Das fordert unsere Opferwilligkeit heraus, auch wenn ein großer Theil der von diesem Unheil Betroffenen nicht der deutschen Nation angehörte.

Die Gartenlaube kommt mit ihrer Bitte allerdings später, als jedes andere Blatt, aus Umständen, die dem Leser ja längst bekannt genug sind. Dagegen werden unsre Bitten durch den bedeutenden Vortheil unterstützt, daß unser Blatt in Leserkreise vordringt, wohin oft wenige andere Zeitungen gelangen, und daß wir an Umfang unsers Wohlthäterkreises den Zeitverlust der Besteuerung reichlich ersetzen.

Unsere verehrten Leser werden mit ihrer Hülfe um so freudiger beigehen, wenn sie sich daran erinnern, welche werkthätige Theilnahme gerade das rastlose Chicago jedem deutschen Unglück gegenüber stets erwiesen und mit welch ansehnlichen Gaben es sich an den Sammlungen für unsere Kämpfenden, Verwundeten und Hinterlassenen des jüngsten Kriegs betheiligt hat.

Und so ist denn die Gartenlaube hiermit bereit, für die von so schwerem Unglück Heimgesuchten in Chicago den Opferstock zu öffnen, den Gebern öffentlich zu quittiren und das Erzielte an den Ort seiner Bestimmung zu befördern.

Die Redaction.

Redaction der Gartenlaube 100 Thlr. – H. Hesse in B. 1 Thlr. – Alfred 3 Thlr.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 728. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_728.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)