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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


dem Kaffee und den zwei Brödchen der Rechnungsräthin Pfennigmucker zurück. Engländer ziehen beim Frühstück durchweg den Thee dem Kaffee vor, und der Deutsche in England thut es meistens ebenfalls und um so mehr, als der Thee gut und der Kaffee gewöhnlich schlecht ist. In Deutschland begreift man das nicht, weil hier das Verhältniß umgekehrt ist. Das liegt theils am Material, zum größten Theil jedoch an der Bereitung. Daß man das lauwarme Gebräu, welches man in Berlin Thee nennt, mit etwas Arac oder Rum versetzt, oder ihm einen Vanillezusatz giebt, ist eine Verbesserung; in England würde man es als eine Barbarei betrachten. Die Engländer trinken meistens schwarzen Thee, doch wird er auch häufig mit grünem gemischt. Grüner Thee, wie wir ihn in den Läden sehen, ist jedoch Humbug; kein Chinese würde ihn anrühren, denn er ist eigens für den europäischen Markt fabricirt. Grüner und schwarzer Thee wachsen auf demselben Strauch, nur besteht ersterer – wenn echt – aus den ersten jungen Blättern; aber seine Farbe in getrocknetem Zustande ist gelbgrün und nicht blaugrün, wie wir ihn erhalten. Diese Farbe ist künstlich hervorgebracht und verdankt ihren Ursprung den Amerikanern. Ein amerikanisches Haus hatte eine ungeheure Lieferung von grünem Thee übernommen, und da derselbe nicht in der genügenden Quantität in Canton herbeigeschafft werden konnte, so suchte man durch Färben nachzuhelfen. Es ist übrigens ein Irrthum anzunehmen, daß diese Farbe durch das Trocknen des Thees auf Kupferplatten hervorgebracht werde, wenn es auch im Pierer steht. Der Proceß wird allerdings auf erhitzten Kupferplatten vorgenommen, allein nur, weil das Material in China mehr im Gebrauch ist als Eisen, und nicht des Grünspans wegen. Gefärbt wird der Thee mit Curcuma und Berliner Blau. Blaugrün wird er gefärbt, weil die Chinesen sich dem europäischen und amerikanischen Aberglauben fügen.

Die Form, in welcher der grüne Thee zu uns kommt, ist gleichfalls künstlich, und was wir Kugel- und Gunpowderthee nennen, ist Humbug und wird auf folgende Weise erzeugt: die noch feuchten Theeblätter werden nach dem Färbungsproceß in dichte Bündel zusammen gepreßt und dann von chinesischen Arbeitern, die sich dabei mit den Händen an einer quer durch das Zimmer laufenden Stange halten, mit den bloßen Füßen getreten. Nach vollendetem Proceß sind alle Blättchen in kleine Kügelchen zusammengerollt. Wohlfeilere Sorten werden selbst aus Theestaub und Gummi fabricirt. Wer nicht glaubt, daß der blaugrüne Thee gefärbt sei, betrachte einmal den ersten Aufguß.

Der feinste Thee kommt gar nicht zu uns, den trinken die Chinesen selbst. Mandarinen machen sich damit Präsente. Der feinste ist der sogenannte Affenthee. Er wächst auf Felsen, welche den Menschen unzugänglich sind, und Affen sind abgerichtet, die Blätter abzupflücken und in ihren Maultaschen herabzubringen.

Die Chinesen trinken den Thee ohne Zucker und Milch und benützen nur Regenwasser. Brunnenwasser läßt häufig die besten Theile im Thee unaufgelöst. Man verbessert die auflösenden Eigenschaften des Wassers, indem man demselben eine kleine Messerspitze voll doppeltkohlensaures Natron zusetzt. Das thun in England die armen Leute, wodurch sie viel Thee ersparen.

Daß der Thee nur gebrüht und nicht gekocht werden darf, weiß jede Hausfrau, allein in Amerika kocht man ihn häufig und besonders thun das die Negerköchinnen. Der Thee verliert dadurch sein Aroma. Guter Thee darf nicht braun wie Bier, sondern muß dunkelgoldgelb sein. Da sehr viel auf die Bereitung ankommt, so wird der Thee gewöhnlich auch von der Hausfrau am Tische selbst bereitet. Bei uns gießt man erst den Thee in die Tasse; in England thut man zuerst Zucker und Rahm hinein. Das gehört Alles eigentlich in ein Kochbuch, doch schadet es auch hier nichts.

Eine Dame ißt nur ein Ei beim Frühstück; Herren mögen zwei essen; nehmen sie drei, so macht die Hausfrau erstaunte Augen. Trotz dieser Mäßigkeit werden in London eine ungeheure Anzahl von Eiern verbraucht. Es giebt große Geschäfte, die nur mit Eiern handeln, welche sie aus allen Theilen Großbritanniens und hauptsächlich Frankreichs in großen langen Kisten erhalten, die aber häufig nach dem Stroh schmecken, in welches sie gepackt sind. Frischgelegte Eier – new-laid eggs – sind sehr gesucht und kosten drei Mal so viel als andere.

Schlechte Eier sind leicht zu erkennen, indem man sie gegen eine Gasflamme hält; scheint das Licht durch, dann sind sie gut. Ein anderes Mittel ist noch besser und sicherer. Man prüfe die Eier vor dem Kochen mit der Zunge; das breite Ende muß warm, das spitze kälter sein. Sind beide warm oder beide kalt, dann ist das Ei faul. Lange und auffallend große runde Eier enthalten junge Hähnchen, was ich anführe, da diese Notiz den Kopf nicht beschwert, aber vielleicht mancher Hausfrau angenehm ist.

In England ißt man die Eier, wie bei uns, nur mit Löffeln, welche an der Spitze abgerundet und nicht so weit sind, wie gewöhnliche Theelöffel. In Holland schüttet man meist den Inhalt auf einem Teller aus; in Amerika schüttet man ihn in ein Glas oder einen Porcellanbecher, oder läßt es durch den Kellner oder Diener thun.

Man ißt zum Frühstück außerdem Fische; zum Beispiel zur betreffenden Jahreszeit frische gebackene Heringe. Beefsteaks sind meistens auf dem Rost gebraten; allein trotzdem daß sie in England zu Hause sind, habe ich doch nur in Deutschland ein wirklich gutes Beefsteak gegessen, weil man hierzu meist die Lende verwendet. Wenn Euch ein deutscher Wirth ein „englisches“ Beefsteak vorsetzt, welches inwendig roh ist, dann sagt ihm, daß es keinem Engländer einfalle, rohes Fleisch zu essen. Der beim Durchschneiden herausfließende Saft muß blaßroth gefärbt sein.

Hammelcotelettes, ebenfalls auf dem Rost gebraten, sind zum Frühstück beliebt. Senf zum Hammelfleisch zu essen, wird als Barbarei betrachtet, und beim Essen von Fischen ein Messer zu gebrauchen, schneidet einer Engländerin geradezu in’s Herz. Man schneidet sich ein zierliches Stückchen Brod, nimmt dieses in die linke Hand und in die rechte Gabel. Ist der Fisch hart gebacken, dann darf man auf möglichst discrete Weise ein Messer brauchen. Das Messer in den Mund zu bringen, wie wir das in Deutschland noch häufig sehen, ist in England geradezu Hochverrath gegen die gute Sitte. Legt man seine Messer und Gabel so auf den Teller, daß sie einen Winkel bilden, so zeigt das dem Bedienten an, daß man von demselben Gericht noch etwas wünscht; legt man sie parallel neben einander, so nimmt der Bediente den Teller weg. Fragt die Hausfrau, ob man noch eine Tasse Thee wolle, so sagt man: ich danke, ja, oder: ich danke, nein. Wird man nicht gefragt und wünscht noch eine, so sagt man: I will thank you for another cup of tea. Wird man sehr genöthigt, was übrigens gar nicht Sitte ist, und will man diesem Nöthigen ein Ende machen, dann sagt man: I thank you, I had rather not (ich danke Ihnen, ich ziehe es vor, nicht zu nehmen).

Nicht selten findet man auf dem Frühstückstisch einen mit einer Serviette bedeckten Teller, auf welchem eine Substanz liegt, die wie geriebener Parmesankäse aussieht; es ist gedörrtes Rindfleisch, welches mittelst eines Instruments geschabt ist.

Fast auf keinem englischen Frühstückstisch fehlt Brunnenkresse; nicht die kleine krause, die man bei uns in den Gärten zieht und oft zu Namenszügen verwendet, sondern die große, mit fleischigem Stiel, die an den Bächen wächst. Diese Pflanze wird in der Umgegend von London in großen Massen künstlich gezogen und von Engroshändlern auf einen eigens dazu bestimmtem Markt gebracht. Hier kaufen dieselbe Hunderte von armen Frauen und Kindern, die man zur Frühstückszeit water-cressy! schreiend in allen Straßen sehen kann und womit sie sich ein paar Schillinge sauer genug verdienen. Ich habe zwar ungeheuer viel Leute gesehen, welche die Kresse kaufen, allein verhältnißmäßig wenige, welche sie essen; sie gehört aber auf den Tisch und wechselt manchmal mit Radieschen ab.

Sauce ist in England etwas ganz Anderes als bei uns. Die englische Sauce wird nicht in der Küche gemacht, sondern in Flaschen in den Läden verkauft. Sie ist eine Zusammensetzung pikanter Abkochungen, und man hat dergleichen für Fisch und Fleisch. Anchovissauce, Harveys, Catchsup und wie sie alle heißen, sind auf allen englischen Tischen zu finden. Außerdem hat man noch allerlei scharfe und pikante Präparate, die in Indien gemacht und zum Fleisch gegessen werden. In dieselbe Kategorie gehöre auch ein gelbes Pulver, Curvin[WS 1], welches sehr beliebt ist, aber einer deutschen Zunge anfangs wenig mundet und wie Medicin schmeckt. Eine Sauce, die von der oben erwähnten Form abweicht, ist Apfelsauce, die gewöhnlich zu Schweinebraten gegeben wird; bei uns nennt man’s Aepfelmus oder Aepfelcompot. Auch zu gekochten Fischen ißt man eine Art Sauce mit Austern oder kleinen Krabben; doch ist das schon eine französische Neuerung. Was wir Sauce nennen, heißt gravy. Die Jus, welche aus dem Braten auf die Schüssel fließt und sich in einer eigens dazu angebrachten Vertiefung sammelt, heißt dish gravy.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vermutlich gemeint: Cumin
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_822.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)