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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Nachfolger seines Vaters, Karl Heine, dem Künste und Wissenschaften reiche Kränze der Dankbarkeit zu flechten haben, und zu dessen einsamer Grabesstätte im fernen Frankenlande, wo ihn der Tod ereilte, noch heute die Grüße und Segenswünsche der Dankbarkeit aus der Heimath eilen.

Karl Heine starb kinderlos. Die Firma erlosch – seine Wittwe[1] verließ mit den in Hamburg erworbenen Millionen ihres Gatten die Stadt, um in ihr Vaterland Frankreich zurückzukehren; leer standen die prächtigen Räume des stattlichen Hauses in Hamburgs vornehmster Straße, dem weltbekannten „Jungfernstieg“, in dessen unteren Localitäten Ströme Geldes kamen und gingen, in dessen oberen der Reichthum so oft der Bildung, Grazie und Schönheit frohen festlichen Empfang bereitet hatte.

Aber diese Frist dauerte nicht lange – eine rege Thätigkeit entfaltete sich an und in dem Gebäude, das schon der Gründer des Geschäfts bewohnt hatte. Handwerker verschiedenster Art waren Monde lang emsig beschäftigt, und als sie ihr Werk vollendet, da war aus jenem Hause, das schon eine gewisse historische Bedeutung gewonnen, ein Monument der edelsten Pietät geworden, von Kindesliebe errichtet, den Namen der Eltern zu verklären: fünfundvierzig allerliebste Wohnungen, für minder begüterte Wittwen und Jungfrauen ohne Unterschied der Confession bestimmt, waren aus den glänzenden Räumen entstanden; welch erhebender Gedanke, den Genius des Wohlthuns, der stets an dieser Stätte gewaltet, nun ewig dauernd dort zu fesseln!

Die in Dresden lebende verwittwete Frau Präsidentin Therese Halle, ebenfalls eine Tochter Salomon Heine’s, ist die Schöpferin dieser Stiftung, der sie den schönsten Namen verlieh, den die Sprache für Bedrückte und Sorgenbeschwerte erfunden, – sie nannte sie „Heine’s Asyl“! – keine prunkende Marmortafel kündet von außen dem Beschauer die Bestimmung des Gebäudes, das in seiner aristokratischen Nachbarschaft selber in ruhiger Vornehmheit daliegt, – nur eine Inschrift über dem innern Mitteleingang trägt das herzerquickende Wort: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“, und wie zu seiner Erfüllung öffnen sich einem Zug der Klingel die Thüren, – wir betreten hohe durchwärmte Corridore, freundliche Zimmer mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehen, zum Theil die prächtigste Aussicht über das Alsterbassin bietend – und überall freudenerhellte Gesichter, überall dankbare Herzen und überall das Bild „unserer lieben Frau“ (so hörten wir selber die gütige Stifterin bezeichnen) von innigster Verehrung gehütet.

Daß eine Dame, deren Privatwohlthätigkeit mit ihren Mitteln und ihrer Herzensgüte gleichen Schritt hält, deren echt deutsches Wirken und Fühlen der jüngst geendete Krieg glänzend bewies, bemüht ist, den Insassinnen ihrer Stiftung das Dasein zu einem angenehmen zu gestalten, ist selbstverständlich. Wie sie ihnen in des Lebens Fährlichkeiten eine treue Schützerin, so hat sie wiederholt und erst kürzlich durch den Ankauf einer großen Bibliothek mit Werken verschiedenen Inhalts ein glänzendes Zeugniß eigner Bildung und hoher Fürsorge auch um das geistige Wohl ihrer Pflegebefohlenen abgelegt.

Möchten diese Zeilen den Stiftern zum Lohne, – Anderen zur Nachahmung, – ein schwacher Ausdruck der Gefühle sein, die jedes echte „Hamburger Kind“ bewegen, – wenn zu seinem Ohr der Name „Heine“ tönt – der altbewährte, gern gesprochene, gern vernommene Klang! H. H.




Dr. Stüve.

Der erste Bürger seiner Stadt. (Mit Portrait.) Der diesen Ehrentitel von seinen Mitbürgern erhielt, Dr. Johann Karl Bertram Stüve, Osnabrücks Bürgermeister und Hannovers Märzminister, ist am Abend des sechszehnten Februar vierundsiebenzig Jahre alt in Osnabrück, seiner Vaterstadt, gestorben. Er war, trotz seiner mit Vorliebe gepflegten vaterstädtischen Begeisterung, ein unerschrockener Kämpfer für das hannöversche Verfassungsleben. Von Haus aus Advocat trat er noch jung in städtischen Dienst, gab 1831 den ersten Anstoß zur neuen Verfassung, für die er in einer damals in Jena veröffentlichten Schrift: „Ueber die gegenwärtige Lage des Königreichs Hannover“ in die Schranken trat. Als er einige Jahre später, als Bürgermeister, Mitglied der zweiten Kammer geworden, bekämpfte er hier Ernst August’s Gewaltact gegen das hannöversche Staatsgrundgesetz muthig und mit persönlicher Gefahr, bis zum Sturmjahr 1848. Der allgemeine Umschlag wirkte auch in Hannover so, daß Bennigsen und Stüve Minister werden konnten. Letzterer wurde sogar des Königs Liebling, als derselbe, sobald das national-politische Streben auf Unterordnung der Einzelstaaten unter eine Spitze im Interesse der Einheit hinzielte, für die Selbstständigkeit der Einzelstaaten so entschieden auftrat, wie Ernst August selbst. Dennoch mußte endlich, im October 1850, auch er dem allgemeinen Rückschritt durch seinen Rücktritt nachgeben. Er wurde wieder Bürgermeister seiner Vaterstadt, pausirte dann längere Zeit im städtischen Dienst, ließ sich aber noch im Winter 1869 durch seine treuesten Verehrer, die Vertheidiger des Zunftwesens und der alten Ordnung überhaupt, bewegen, das Amt eines Bürgervorstehers des dritten Stadtviertels anzunehmen, dem er auch bis wenige Wochen vor seinem Tode vorstand. Von seinen literarischen Leistungen ist die „Geschichte des Hochstifts Osnabrück“ ein Werk von dauerndem Werth.




Ueber „Haar-Conservateure“ und „Haarmittel“. Unter den vielfach hierüber an mich gerichteten Anfragen will ich diejenigen, welche von allgemeinem Interesse sind, an dieser Stelle beantworten.

1) Es empfehlen sich in den Zeitungen „Haar-Conservateure“ – haben sie genügendes ärztliches Wissen, um den Krankheitszustand der Haare richtig zu beurtheilen?

Nein! Sie wissen nicht mehr als der Patient selbst über die Organisation des menschlichen Körpers und über die Krankheitsursachen. Sie sprechen von mikroskopischer Untersuchung (d. h. von einer Vergrößerung von zweihundert in der Linie) und machen eine Untersuchung mit der Lupe (d. h. mit einer Vergrößerung von drei bis fünf in der Linie). Und wenn sie ein Mikroskop besitzen, so verstehen sie nicht, es anzuwenden; und wenn sie dies verstehen, so fehlt ihnen die Kenntniß von dem mikroskopischen Bau des gesunden und des kranken Haares.

2) Was ist von den Mitteln dieser Haar-Conservateure zu halten?

Es sind theils schwache Spirituosen (in welchen metallische oder pflanzliche Stoffe gelöst sind), theils Theerpräparate, theils Oele. In vielen Fällen haben sie gar keine Wirkung, in vielen eine nachtheilige, in vielen eine vortheilhafte. Der „Conservateur“ hat drei bis fünf Präparate, mit denen er behandelt, gleichviel welche von den verschiedenen Ursachen der Haarkrankheit vorliegt; wenn er einen Patienten vor sich hat, weiß er nicht, welches seiner Mittel für den vorliegenden Fall noch am besten paßt (wenn überhaupt eines paßt), und wenn er das unpassende gewählt hat, sieht er es erst ebenso spät, wie der Patient selbst, d. h. zu spät.

3) Was ist von den Attesten zu halten, welche sie veröffentlichen?

Ich setze voraus, daß diese Atteste nicht gefälscht sind, und dann erklären sie sich in folgender Weise: Nach einem Nervenfieber, einer Blasenrose, nach chronischen Hautkrankheiten, nach starker Erkältung, nach gewissen Nervenkrankheiten fallen die Haare aus; sie kommen in sehr vielen dieser Fälle nach einiger Zeit von selbst wieder, gleichviel ob man Medicamente anwendet oder nicht. Werden nun bei solchen Zuständen die angepriesenen Mittel gebraucht, so glauben die Patienten, das Wiedererscheinen der Haare sei die Folge der Anwendung jener Mittel, und stellen die Atteste aus.


  1. Wohl die Nämliche, welche jüngst erst wegen ihres fanatischen Deutschenhasses von der gesammten deutschen Presse gebrandmarkt worden ist? D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_167.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2021)