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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

und kostbaren Dinge stehen, die als Geschenke so oft zum Merkzeichen von glücklichen oder bedeutungsvollen Stunden unseres Lebens werden. Das große massive Schreibzeug auf der Tischplatte ist aus Gußeisen, dahinter stehen kleine Aquarell-Bilder, Abbildungen des Palais in Berlin und des Schlosses Babelsberg, und hinter demselben die etwa einen Fuß hohe Alabaster-Figur eines Engels, der die Friedenspalme in seinen Armen hält. Derselbe ist ein Geschenk der Kaiserin am Jahrestage der Schlacht von Königsgrätz. Rechts der Schreibmappe sind Schreibutensilien, wie Federn, Siegellack, Messer, Scheeren, Petschafte aufgelegt; außerdem liegen

Der Kaiser im Park von Babelsberg.
Nach der Natur aufgenommen von H. v. G.

auf dem Tische noch die letzten Nummern des Deutschen Reichs-Anzeigers, die neueste, vier Finger dicke Rang- und Quartierliste der preußischen Armee, mehrere Bücher über den letzten Feldzug und ein in schwarzes Leder gebundenes Gesangbuch, auf das ein goldenes Kreuz gedruckt ist.

Auch Photographien in Etuis sind aufgestellt, die der Kaiserin, der Großherzogin von Baden als jungen Mädchens, der verstorbenen Kaiserin von Rußland und des Kaisers Nicolaus, der Großfürstin Helene und der Königin Victoria von England und des Prinzen Albert. Vor Allem aber ist ein kleines Bild dazu angethan, unser historisches Interesse anzuregen, ein vortreffliches Miniaturbild Friedrich’s des Großen, gemalt von seinem Hofmaler Pesne. Der große König hatte dieses Bild an den Herzog von Braunschweig-Bevern geschenkt, es war ein Versöhnungsgeschenk für den Herzog, der durch die Capitulation bei Breslau die Gnade des Königs verscherzt hatte. Nach dem Tode des Königs kam es in eine Stettiner Familie und diese hatte es in der Mitte der dreißiger Jahre dem jetzigen Kaiser, so besagte wenigstens die Schrift auf der Rückseite des Bildes, zum Geschenk gemacht.

Unterdeß hat der Leibjäger die dicke Ledermappe in das Zimmer gebracht, der Kaiser zieht einen Schlüssel, öffnet dieselbe, knöpft sich den Rock auf, setzt sich in den geschnitzten Schreibstuhl an den Schreibtisch und macht sich an die Arbeit.

Von dem Arbeitszimmer führen einige Stufen abwärts in das anstoßende Schlafzimmer des Kaisers. In die Thür ist ein in Wasserfarben, von Professor Heyden in Berlin gemaltes Bild des Kronprinzen eingelassen; dasselbe stellt den Heerführer in Campagneuniform mit der Feldmütze dar; es ist nach dem Feldzuge von 1866 gemalt und eines der schönsten Bilder, die von dem Kronprinzen existiren. Zu gleicher Zeit hat der König den General v. Steinmetz von demselben Künstler malen lassen und dem Bilde einen Platz dem Kronprinzen gegenüber angewiesen. In dem Raume selbst fesseln unsere Aufmerksamkeit noch zwei plastische Bildwerke; das eine ist eine von der Kronprinzessin modellirte Gypsbüste der Kaiserin, das andere ein Abguß der Todtenmaske der Königin Louise, aus dem Mausoleum zu Charlottenburg. Im Uebrigen ist in dem Gemache nicht viel zu bemerken, als etwa der einfache schlichte Sinn des Mannes, der hier seine Ruhe hält. An der Wand, den Fenstern gegenüber steht ein schmales niedriges Bett, zu dessen Häupten ein Kissen von Rehleder herausschaut und das mit einem schwarz- und weißcarrirten Plaid bedeckt ist. Am Fußende ist in einer Art Bildstöckchen ein kleines Crucifix aus Gußeisen angebracht. Die Gardinen des Bettes und der Fenster sind von weiß- und grüngeblümtem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_257.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)