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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

und ihr gesteh’n, daß ich den Franzl so gern hab. Wenn Ihr aber zuerst so ein bissel d’rum ’rum reden und zufällig auf den Franzl kommen wolltet, wie er so ein braver fleißiger Bub’ ist – recht ’rausstreichen sollt Ihr ihn, versteht Ihr! – nachher thät’ ich mich halt viel leichter und ich könnt’ Euch nicht genug Dank sagen.“

„Recht gern will ich das thun, Mädel, wenn nur auch Du meine Lene beruhigst und ihr den Irrthum benimmst.“

„Habt keine Sorg’!“ entgegnete zuversichtlich das Mädchen und der Kahn stieß auf das jenseitige Ufer.

„Deine Sachen schick’ ich der Resei,“ sagte der junge Mann während des Aussteigens lächelnd zu Franzl und benahm ihm und dem Mädchen damit jede weitere Befürchtung in Bezug auf sein letztes Jagdstückchen; „wenn ich Dir aber gut rathen soll, gieb das Jagen auf. Es geht nicht immer so gut aus weder für den Wilderer, noch für den Jäger.“

Der Jäger schlug die Richtung rechts durch einen jungen Eichenschlag gegen Brannenburg ein. Das Mädchen aber faßte ihren Burschen bei der Hand, zog ihn in der gleichen Richtung auf einen Fußweg durch die hohen Kornfelder, und mit wichtiger Miene und erhobenem Zeigefinger redete sie eifrig auf ihn ein:

„Franzl, morgen richt’st Dich fein sauber zusamm’, denn heut’ auf die Nacht sag’ ich’s der Godl, daß Du mein Bub’ bist, daß ich um die ganze Welt keinen Andern will, und morgen mußt halt nachher Du den Gescheidtern machen. So viel hab’ ich schon gemerkt bei der Godl, daß wir’s schon durchsetzen bei ihr.“

„Diendl, keine größere Freud’ hätt’st mir nicht machen können,“ rief der Flößer-Franzl, „an mir soll’s nicht fehlen!“ Und hell aufjubelnd schlang der stattliche Bursche den Arm um das Mädchen, und sie fest an sich drückend, hörte man ihn durch die leise bewegten Kornfelder fröhlich singen:

„Jetz’ bin i’ kreuzlusti’
Und juchez’ und lach’,
Kimm’ ’heut’ no’ zu’n Fensterl’n,
Lieb’s Diendl, bleib’ wach!

Und darfst Di’ nit sorgen,
I’ kimm’ so schö’ staad,
Als wenn i’ a’ Gambsei
B’schleicha thaat.“

Dem Hagengütchen war das glückliche Paar schon ganz nahe gekommen, da erst wand die schöne Resei sich aus dem Arm des Burschen, von dem sie sich nun rasch verabschiedete, um ihr Vermittelungsamt zu beginnen.

Die Hagen-Lene hatte die Beiden, starr vor Staunen, schon lange vom Fenster aus beobachtet. Es fiel ihr wie ein Schleier von den Augen, daß wenigstens ihre Cameradin, die Wirths-Resei, nicht zur Verrätherin an ihr geworden und schon ihren eigenen rechtmäßigen Schatz habe. Doch blieb ihr zum Nachdenken über die tröstliche Entdeckung nicht lange Zeit, denn mit heftiger Bewegung wurde die Stubenthür aufgerissen und die Genannte stand mit hochgeröthetem Antlitz vor ihr und rief halb athemlos im gutherzigsten Tone: „Wie, Lene, geh’ ein Bissel mit mir in den Garten ’raus, ich hätt’ nothwendig mit Dir was zu reden!“ Und ehe sie in ihrer Beklommenheit ein Wort zu entgegnen vermochte, war sie von der resoluten Resei schon beim Arm gefaßt und im Sturmschritt zur Stube hinaus in die Laube gezogen.

Der Jäger hatte unterdessen auch schon das Wirthshaus erreicht. Der düstere Ausdruck in seiner Miene war fast in Heiterkeit übergegangen, offen und freundlich grüßte er die Gäste, als er in das Herrenstübchen eintrat, und kaum konnte er die Gelegenheit erwarten, sich des übernommenen Auftrags bei der Frau Wirthin zu entledigen.

Es dauerte auch nicht lange, so nahm die von Natur sehr redselige Alte mit dem gewohnten Spruch: „Mit Verlaub, Herr Maxl!“ neben dem Jäger Platz, der seines ruhigen und anständigen Benehmens willen bei ihr sehr wohlgelitten war. Anfangs wollte die Unterhaltung nicht recht in Gang kommen, doch wußte der junge Mann das Gespräch unmerklich auf ihre Pflegetochter zu lenken. Von da an steigerte sich das Interesse der Frau, und bald war der Jäger in vollem Zug. Er erzählte ihr von seinem heutigen Zusammentreffen mit dem Mädchen am Sulzberg, sein Erlebniß mit dem Flößer-Franzl und damit in Kürze seine eigene Geschichte. Ehe die alte Wirthin vor Verwunderung über das Gehörte nur zu Athem kommen konnte, steuerte er keck auf sein Ziel los, rühmte ihr den Vortheil eines tüchtigen, rührigen jungen Wirthes für den Betrieb der Wirthschaft, und lenkte geschickt wieder auf den Franzl über, den er für des Mädchens Erwählten halte und der, wie sie selber wisse, in der ganzen Gegend als ein guter Sohn und arbeitsamer Mensch bekannt war.

Da trat Resei in voller Hast in’s Gastzimmer. Sogleich machte sie sich am Schenktische zu thun, von wo aus man durch die offene Thür in das Herrenstübchen sehen konnte. Mit freudeleuchtenden Blicken sah sie die Beiden in vertraulicher Unterredung beisammensitzen. Wie gerne hätte sie jetzt in dem Gesicht der Alten, das sie so gut kannte, lesen mögen, aber leider wandte ihr diese den Rücken zu. Dafür that ihr ein gegenüber hängender Spiegel die Freundschaft und zeigte ihr die gutmüthige, in jeder Falte hochverwunderte Miene der alten Godl, wie sie mit ihren klugen Augen eifrig den Worten des Jägers folgte und durch leises Kopfnicken jedem Satze innerlich zustimmte.

Wäre das junge Mädchen jetzt draußen im Walde oder in den Bergen gewesen, so hätte sie ihrer frohlockenden Seele durch einen Juhschrei Luft gemacht, denn was in dem Gesichte der alten Pflegemutter geschrieben stand, bedeutete nur Gutes. Hier zwischen den engen Wänden aber war sie in größter Verlegenheit, und wußte sie das vor Glückseligkeit überwallende Herz kaum zu beschwichtigen. Sie hatte außerdem eine wichtige Botschaft für den Jäger und wollte ihn um Alles jetzt nicht stören. Voll lebhafter Unruhe trieb sie sich in der Wirthsstube zwischen den paar Gästen auf und ab. Erst da sie bemerkte, daß das Gespräch allmählich in’s Stocken und die Alte in’s Nachdenken gerieth, machte sie sich in der Nähe der Thür durch ein Geräusch bemerkbar, und als sich der Jäger endlich nach ihr umschaute, winkte sie ihm mit den Augen. Dieser hatte selber Eile, mit seiner Vertrauten zu sprechen. Er nahm so schnell als möglich Abschied von der alten Frau, und draußen im Hausgang erwartete ihn auch schon seine Verbündete.

„In einer guten halben Stunde“, raunte sie ihm heimlich zu, „seid bei der großen Buche hinter’m Garten, da bring’ ich die Lene hin.“

„Tausend Dank!“ klang freudig des jungen Mannes Erwiderung und er reichte ihr im Fortgehen flüchtig die Hand, doch das Mädchen ließ ihn nicht sobald los.

„Nun, wie steht’s?“ sagte sie flüsternd, indem sie sich vorsichtig nach allen Seiten umschaute. „Hat die Godl nichts einzuwenden gegen den Franzl?“

„Alles steht gut, Mädel, nur das Wildern muß er halt lassen.“

„Ah was, Dummheit, das ist so schon ’rum! Als meinem Buben hab’ ich ihm die Freud’ ’lassen, aber meinem Mann, dem wollt’ ich’s austreiben!“ Und Resei’s Augen blitzten so entschlossen, daß der Jäger an der zum Besten Franzl’s geübten strengen Disciplin in ihrem künftigen Hausregiment nicht den leisesten Zweifel hegte.

„In einer halben Stunde also!“ rief er ihr lächelnd noch zu und entfernte sich durch den Garten.

Sorgfältig vermied das Mädchen, ihrer alten Pathe in den Weg zu kommen, denn ihr erregtes brennendes Gesicht hätte ihr inneres Glück verrathen. Sie mußte sich erst noch sammeln, ehe sie über das süße Geheimniß ihrer Liebe sich auszusprechen vermochte. Auch machte sie sich bald auf den Weg nach dem Hagengütchen, um dem Jäger ihr Versprechen zu halten.

Schon geraume Zeit saß dieser dort auf der steinernen Bank unter der Buche und schaute nach der Richtung, von wo die beiden Mädchen kommen mußten. Die Minuten wurden ihm zu Stunden und unverwandt hing sein Blick am Gartenthürchen. Da ging es endlich auf und die Mädchen kamen über den Wiesengrund auf ihn zu. Der dicke Stamm des mächtigen Baumes verdeckte ihn fast ganz und sie waren schon ziemlich nahe da, ehe sie ihn gewahrten. Er aber hatte mit Entzücken sein liebes blondes Mädchen von Weitem schon beobachtet und mußte sich mit Gewalt zurückhalten, ihr nicht entgegenzueilen und sie an sein heißschlagendes Herz zu nehmen.

Getheilt zwischen dem Gefühl des Unrechts, das sie an dem Geliebten begangen, und der grenzenlosen Freude, den Verlorengeglaubten wieder zu besitzen, kam Lene über und über erglühend, mit gesenkten Wimpern langsam und zaghaft näher und ließ es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_320.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)