Seite:Die Gartenlaube (1872) 730.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

10,000 dänische Soldaten und eine Anzahl Kriegsschiffe vertheidigte Insel zu erobern; – aber es mußte versucht werden, und es gelang!

Das Ueberschiffen sollte am Morgen des 29. Juni vor Tagesanbruch in hundertsechsundsechszig Kähnen und Booten erfolgen und die Division Manstein zuerst übergesetzt werden; ihr sollte die Division Wintzingerode folgen. Nach diesem Befehl begann die Mannschaft der ersten Division um zwei Uhr Morgens in aller Stille ihre Fahrzeuge in das Wasser zu schieben. Das Ufer war so flach, daß die Soldaten eine längere Strecke im Wasser waten mußten, bevor sie einsteigen konnten. Einige Boote schlugen um, weil die Soldaten nur an einer Seite einstiegen; es ging aber dabei kein Menschenleben verloren. Sowie ein Boot flott war, griff Alles, Officiere wie Soldaten, nach den Rudern, und es begann ein edler Wettkampf, denn jedes Fahrzeug wollte das erste am jenseitigen Ufer sein!

Die vorderste Reihe der Kähne und Boote mochte sich noch sechshundert bis siebenhundert Schritte von den feindlichen Laufgräben befinden, als von dort her ein Schuß fiel. Er wurde auf allen Fahrzeugen mit lautem „Hurrah!“ beantwortet, was aber zur Folge hatte, daß nun in den Tranchéen ein lebhaftes Feuer entstand, welches wieder aus den Fahrzeugen nicht minder lebhaft erwidert wurde. Viele Boote wurden von Kugeln durchlöchert und einige sanken, darunter dasjenige, auf welchem sich der Fahnenunterofficier des ersten Bataillons vom vierundzwanzigsten Regimente befand. Hauptmann von Radowitz eilte schwimmend hinzu und rettete Fahne und Unterofficier; von der übrigen Mannschaft der gesunkenen Boote erreichten die Meisten schwimmend glücklich das Ufer.

Bisher hatte dunkle Nacht die beschriebenen Scenen umhüllt, aber plötzlich flammte das rothe Licht des Fanals an der Alsenküste auf und zischende Raketen stiegen gen Himmel. Es war ein Feuerwerk, wie man noch keins gesehen hatte, und im rosigen Lichte desselben sprangen die Preußen aus den Booten und stürmten dem Ufer zu. Lieutenant Petry, vom brandenburgischen Pionnierbataillon, war der Erste, der den Fuß auf die Insel setzte; Oberst Hacke pflanzte mit eigener Hand die erste Fahne auf die Brustwehr.

Die zweite Colonne folgte nun und hierauf die dritte; aber Granaten, Kartätschen und Gewehrkugeln begrüßten die Herannahenden und brachten Tod und Verderben. Eine Granate zerschmetterte einen der Kähne, und im Nu verschwand die Mannschaft in der Tiefe. Die nächsten Boote wollten helfen und retten; aber ‚Vorwärts!‘ donnerte das Commando, denn es stand Größeres auf dem Spiele! Zum Glück enthielt dieser Kahn gute Schwimmer, doch mußten Drei den Tod in den Wellen finden.

Es hatten jetzt nach und nach drei Colonnen das jenseitige Ufer erreicht, und die Kriegsfurien durchflogen die Reihen! Die Dänen wehrten sich anfangs tapfer, und so entspann sich auf beiden Seiten ein wüthender Kampf; dem stürmischen Angriffe der Preußen vermochten sie aber doch nicht lange zu widerstehen, und als sie erst aus ihren Schanzen hinausgeworfen und auf die dahinterliegende Fohlenkoppel zurückgedrängt waren, hielten sie nicht mehr Stand, sondern retirirten nach Rönhof und Kjaer, wo sie von frischen Truppen aufgenommen wurden. General v. Manstein gebot seinen Truppen hier auch Halt, weil er abwarten wollte, daß ein zweites Echelon mit einer Batterie übergesetzt sein würde. Dies hatte auf der Ueberfahrt mit dem dänischen Panzerschiff ‚Rolf Krake‘ einen harten Strauß zu bestehen. Kaum war dies Ungethüm herangedampft, als es die Boote mit Kartätschen und Kugeln zu überschütten begann; es sollte aber erfahren, daß man einen Gegengruß in Bereitschaft hatte. Die Bemannung auf dem Decke wurde durch die Zündnadelgewehre weggefegt, und aus einer Anzahl schwerer gezogener Geschütze am Strande schlug eine solche Masse Kugeln in das Schiff, daß es nach wenigen Minuten umkehren mußte. Die Landung wurde nun glücklich vollbracht.

Während der nun folgenden Kämpfe gegen die Besatzung der Insel war General von Goeben gegen Sonderburg marschirt und rückte in drei Colonnen vor. Alle drei Colonnen stießen auf den Feind, dieser leistete aber nur matten Widerstand, und als die Preußen die Stadt erreichten, fanden sie diese von den Dänen verlassen.

Die ruhmvolle Eroberung der ganzen Insel kostete den Preußen dreihundertdreiundsiebenzig Mann an Todten und Verwundeten. Der Verlust der Dänen betrug nach ihrer eigenen Angabe fünfundsiebenzig Officiere und dreitausendeinhundertsechsundzwanzig Mann. Außerdem büßten sie sämmtliche Positionsgeschütze, eine Menge Munition, Brückenmaterial, achthundert Betten, viele Lazarethgegenstände, bedeutende Quantitäten an Holz, viele Boote, Schiffe und Waffen aller Art und eine wohlgefüllte Kriegscasse ein.

Eingedenk dieser beiden großen Waffenthaten hat nun die deutsche Nation den gefallenen Heldenbrüdern auf Düppel und Alsen zwei Denkmäler gesetzt, deren Hülle unter angemessener Feierlichkeit am 30. September dieses Jahres gefallen ist.

Beinahe auf dem höchsten Punkte der Düppeler Höhen, etwa eine halbe Stunde von Sonderburg entfernt, dort, wo einst in der dänischen Schanze Nr. 2 Leutenant Anker sich so tapfer vertheidigte, erhebt sich das Düppel-Denkmal. Dasselbe, nach einem Entwurf des Herrn Oberhofbaurath Strack in Berlin, von Mayer und Kopp zu Herford in Sandstein ausgeführt, hat eine Höhe von siebenzig Fuß rheinisches Maß und schaut stolz auf Land und Meer herab.

Die vier Figuren des Denkmals stellen zwei Infanteristen im Sturmanzug, einen Pionnier und einen Artilleristen dar. Die Reliefs, je eins zwischen zwei Figuren, zeigen nacheinander die Widmungsinschrift, welche die Worte trägt: „Den bei der Erstürmung der Düppler Schanzen am 18. April 1864 siegreich Gefallenen zum fortdauernden Andenken“; ferner einen Kriegsrath mit dem Kronprinzen, Prinz Friedrich Karl, dem Feldmarschall Wrangel und dem Artilleriegeneral Hindersin; dann den Ingenieurobristen Mertens in den Laufgräben und Pionniere, welche mit Schippe und Hacke arbeiten; endlich eine Gruppe Stürmender, unter ihnen den Feldwebel Probst, welcher, wie er die Fahne aufpflanzt, fällt. Ueber jedem Relief befindet sich ein Orden und zwar der Reihe nach: pour le mérite, Hohenzollersche Hausorden, Kronen- und rother Adlerorden mit Schwertern. Rings um das eigentliche Denkmal, das ein eiserner Zaun umschließt, läuft eine größere Plattform, zu der hinauf einige Stufen führen und auf welcher nach drei Seiten zu steinerne Bänke angebracht sind.

Das Denkmal zu Arnkiel, wohin man mit gutem Winde von Sonderburg aus in einer Stunde gelangen kann, liegt dicht am Alsensunde, an der Stelle, wo am 29. Juni 1864 das vierundzwanzigste Regiment gelandet ist. Noch bezeichnet auf dem kurzen Wege vom Strande zum Denkmal ein einfacher Stein, den ein ehemaliger Officier obigen Regimentes, der jetzige Obrist von C., zum Andenken an die glorreiche That hat setzen lassen, genau den Ort, wo der erste Kahn mit Preußen gelandet ist. Das Denkmal ist ebenfalls, wie das Schwesterdenkmal zu Düppel, nach einem Entwurfe des Herrn Oberhofbaurath Strack in Berlin, von den Herren Mayer und Kopp in Herford in Sandstein ausgeführt und hat eine Höhe von achtundsechszig Fuß rheinisches Maß. Auch hier ist die Plattform, hier der eiserne Zaun um das Denkmal, hier die Reliefs, die Orden, die Figuren. Letztere zeigen nach Westen – dem Wasser zu – einen Pionnier im Kahne, nach Norden einen Infanteristen, der mit der Mütze dem Lande zuwinkt, nach Osten – dem Walde zu – einen Jäger und endlich nach Süden einen Artilleristen, der nach den Schanzen hinschaut. Unter ihnen sind auch hier die vier Orden pour le mérite, rother Adlerorden, Kronenorden, Hohenzollersche Hausorden angebracht. Die Reliefs zeigen die Inschrift: „Den bei dem Meeresübergange und der Eroberung von Alsen am 29. Juni 1864 heldenmüthig Gefallenen zum ehrenden Gedächtniß“; ferner: einen Kriegsrath, einen Kahn, in welchem der Steuermann tödtlich getroffen zurücksinkt, während der Officier das Steuer ergreift; endlich noch eine Gruppe Landender.

So ragt denn empor, ihr Siegesdenkmale, als Zeugen einer Kraft, die hier den ersten Schritt auf der Heldenbahn einer neuen Zeit gethan und schon sechs Jahre darnach ihre Triumphbanner auf den wieder deutsch gewordenen Thürmen von Metz und Straßburg aufpflanzte. Und wie diese als Ehrenwächter des Reichs im Westen dastehen, so sind jene beiden Denkmalthürme auf ihren Siegesstätten die deutschen Ehrenwächter gegen den Norden, der leider in kindischem Haß noch immer vergißt, daß aller germanische Geist fortan keinen festeren Schutz hat, als das deutsche Schwert.




Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_730.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)