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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

so manches Menschenkind beschämend, das in seiner Ueberschätzung das unansehnliche Thier kaum eines Blickes würdigt. Auf ihn passen vollkommen die Züge eines musterhaften Schäferhundes, welche Hoog entwirft, wenn er bestätigt, daß ein Schäfer mit einem guten Hunde mehr ausrichte, als zwanzig Schäfer ohne Hund, und daß ohne dies gelehrige Thier das Schafhüten eine Unmöglichkeit wäre; daß mehr Menschenkräfte vonnöthen seien, um eine Herde zusammenzuhalten, zu leiten, sie von den Anhöhen herabzutreiben, sie in die Ställe und Pferche zu bringen und auf Märkte zu führen, als von dem die Herde abwerfenden Ertrage bezahlt werden könnte.

Schäferhund der Wetterau.
Originalzeichnung von F. Specht.


Auch ich, der ich ihn in seinem rauhen grauen Kleide so oft auf den Feldern meiner Heimath beobachtet habe, ich kann ihm wie Hoog ein begeistertes Lob bringen, ihm ein Denkmal setzen der Anerkennung und Bewunderung. Wohl darf der Schäfer ebenso stolz auf ihn sein, als er Antheil an ihm nehmen muß, denn mit seiner großen Genügsamkeit bei unermüdlichem Eifer im Dienste ist er es, der die Familie des Schäfers ernährt, welcher ohne den braven, dienstbeflissenen Helfer sein Amt niederlegen müßte. Er hegt die rührendste Treue und Anhänglichkeit an seinen Herrn fort und fort, und selbst bei schlechter Behandlung vergilt er nicht Gleiches mit Gleichem, sondern waltet seines beschwerlichen Amtes ohne Murren und Mißbehagen. Wie erwacht in mir immer auf’s Neue die Erinnerung so mancher glänzenden That der Wachsamkeit, Ueberlegung und Charakterstärke, wenn ich des besten Vertreters dieser Race, den ich je gekannt, des alten Franz, gedenke, wie er beim Eintreiben der Herde in die Stoppelfelder ohne das mindeste Geheiß sich vor die dort hin und wieder noch stehen gebliebenen Fruchthaufen hinstellte, ernst und würdig im Bewußtsein seines Amtes wie eine Schildwache, sodann die ganze Herde vorüberwandeln ließ, um gegenüber seinem Herrn den Wachtdienst von Haufen zu Haufen gleich gewissenhaft und doch stets mit Gemessenheit und Ruhe zu verrichten, wie es von Menschen nicht besser hätte ausgeführt werden können. Mit derselben umsichtigen Ruhe beschützte er lautlos die Gemüseäcker, an welchen seine Herde vorüberzog.

Man sah den Schafen an, daß sie wohl inne waren, welcher Meister des Hütens ihre Flanken bewachte. Da war kein starrköpfiges Schaf, das aus der Reihe sprang, selten ein Leckermaul,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 761. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_761.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)