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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

eigenen Bedarf; ferner die Gärtner, welche ihre Etablissements in der Nähe größerer Städte haben; sie sind es, welche viele Kaninchen zum Verkaufe bringen. Im südlichen Frankreich, in Belgien und Holland werden massenhaft die „lapins“ gezogen und nach dem Auslande geschafft. So wurde mir versichert, daß in Flandern ein Ort Roulers sei, in welchem Kaninchenschlächtereien zu finden, die im Winter wöchentlich sechszigtausend Stück dieser Thiere nach London liefern, und ebenso ist es bekannt, daß von Ostende aus im Winter wöchentlich fünfzig- bis hunderttausend Stück nach London geschafft werden. Durch eine im englischen Oberhause gehaltene Rede des Lord Malmesbury wissen wir, daß nach England jährlich ein und eine halbe Million Kaninchen importirt, daß im genannten Lande zweiunddreißigtausendfünfhundert Tonnen (à zwanzig Center) Kaninchenfleisch verzehrt werden und daß die ärmere Bevölkerung der Stadt Nottingham allein wöchentlich dreitausend Stück Kaninchen consumirt. Das sind Zahlen, die wahrlich allein sprechen.

Das wilde Kaninchen wiegt ein halbes bis zwei Kilogramm, der gewöhnliche deutsche Stallhase zwei bis zwei und ein halbes Kilogramm, das englische Hängeohrkanin drei und ein halbes bis fünf Kilogramm, der Lapin ordinaire – wenn er sechs bis acht Monate alt ist und angemästet wurde – drei und ein halbes bis fünf Kilogramm, der Lapin bélier sieben bis neun Kilogramm (neun Kilogramm als Seltenheit).

In Belgien zahlt man für ein gemästetes, sehr schweres, sogenanntes Lapin fort (das Thier wird stark gefüttert, in engen Bretterverschlägen oder in hölzernen Kasten gehalten, damit es sich nicht viel bewegen kann, und wird dadurch bis acht Kilogramm schwer) höchstens fünf bis sechs Franken. In Frankreich giebt man auf dem Markte für ein halb- oder dreivierteljähriges etwa vier Kilogramm schweres Kaninchen dreieinhalb bis fünf Franken. Für das Fell können im Durchschnitt einhalb bis dreiviertel Franken erzielt werden. Das Pfund Fleisch kostet in Frankreich durchschnittlich sechszig Centimes oder etwa nach unserem Gelde fünf Silbergroschen; für fette, ganz besonders gute Waare wird jedoch auch achtzig Centimes pro Pfund bezahlt. Das Fleisch ist also keineswegs ein allzu billiges.

In Deutschland sind die Preise sehr viel geringer. Die deutsche landwirthschaftliche Zeitung giebt in ihrem Marktberichte an, daß in Berlin im Monat Februar dieses Jahres das deutsche Kaninchen pro Stück mit sechs bis zwölf Silbergroschen fünf Pfennige, Lapins aber mit zehn bis zweiundzwanzig Silbergroschen fünf Pfennige bezahlt worden seien.

Das Fleisch der Kaninchen kann sich nur als sehr billiges herausstellen, wenn man die Thiere zum eigenen Bedarf selbst gezogen hat und zwar in kleineren ökonomischen Wirthschaften, in Gärtnereien und dergleichen, wo sonst nicht verwerthbare Abfälle genug vorkommen, die als Nahrungsmittel für Kaninchen benutzt werden können.

Die hier in Frage stehenden Geschöpfe nützen uns aber nicht nur durch ihr Fleisch, sondern auch durch ihr Fell und ihre Haare. Die Winterkaninchenfelle kommen zunächst als Pelzwerk in Betracht. Schwarze Kaninchenhäute werden zu Trauerpelzwerk, weiße zu sogenannten imitirten Hermelin (hauptsächlich für Kinderpelzwaaren) verwendet. Weiße Kaninchenpelze kommen hauptsächlich als sogenannte „Lissakanin“ in den Handel. Von Polnisch-Lissa aus werden große Mengen dieser Felle in die Welt geschickt und man zahlt gewöhnlich acht bis zwanzig Thaler, ausnahmsweise für ganz schöne Waare dreißig Thaler pro hundert Stück. Keineswegs aber stammen diese Felle von dem in Polen und Rußland heimischen Himalayakanin allein, sondern es scheint häufig vorzukommen, daß man überall gesammelte weiße Kaninchenfelle nach Lissa schickt, um sie dort durch die in der Zubereitung der Felle sehr geschickten Kürschner zurichten zu lassen, und dann kommen die Häute, welche in Lissa durch die Hand der Kürschner gegangen sind, als Lissakanin in den Handel.

Was die sonstigen Preise der Felle anderer Kaninchen anlangt, so würde zu erwähnen sein, daß der Pelz des englischen Silberkanin eine sehr gesuchte Waare abgiebt. Echte, große, englische Silberkaninhäute bezahlt man bis zu vierzig Thaler für das Hundert. Die Bälge der gewöhnlichen englischen oder australischen Silberkaninchen gelten fünfzehn bis fünfundzwanzig Thaler das Hundert. Die Häute der gewöhnlichen deutschen Stallhasen scheinen nur geringen Werth zu haben; man versicherte mir, daß selten mehr als ein bis drei Silbergroschen für das Stück gezahlt werde. In Belgien kostet das Fell eines außergewöhnlich großen und mit feinen Haaren versehenen Lapin einen, höchstens zwei Franken, im Durchschnitt wird für die Haut eines sehr großen Kaninchens neunzig Centimes ausgegeben; große und kleine Bälge im Gemenge kosten nicht mehr als vierzig bis fünfzig Franken das Hundert.

In Belgien und Frankreich existiren eine große Anzahl von Fabriken, welche in wirklich meisterhafter Weise Kaninchenfelle zu färben verstehen. In der Stadt Gent allein werden über zweitausend Kaninchenpelzfärber beschäftigt. Eine der bedeutendsten derartigen Fabriken ist die Teinturerie De Peaux De Lapins von Chr. Zurée und Compagnie in Gent. Sie wurde 1867 gegründet; in ihr arbeiteten anfangs nur sehr wenige Arbeiter; sie hatte damals keine Dampfmaschine und gab sich nur mit Schwarzfärben der Felle ab. Gegenwärtig beschäftigt Chr. Zurée und Compagnie in einem sehr stattlichen vierstöckigen Gebäude zweihundertsechszig Arbeiter. Eine Dampfmaschine von fünfundfünfzig Pferdekräften, sowie eine Menge zweckmäßiger Maschinen, welche zur Zubereitung der Häute dienen, sind im Betriebe. Das Etablissement liefert jede Woche zwölfhundert Dutzend in verschiedener Weise zugerichteter und gefärbter Kaninchenfelle. Gerade diese Fabrik versteht es, nicht nur sehr schöne schwarzgefärbte Waare zu liefern, sondern auch Bälge, welche, wie es in einem Geschäftsberichte dieser Firma heißt, „die Färbung der kastanienbraunen Felle (nachgeahmte Fischotter) und der hellbraunen (nachgeahmter Marder), die Appretur der natürlichen Felle, sowohl der blauen, der weißen, wie der silberfarbigen etc.“, die zu jener Zeit sehr in Aufnahme waren, in täuschendster Weise vor Augen führen.

Ja, ja, geehrte Leserin! Gar manche Dame trägt Pelzwerk, das angeblich Feh, das heißt das kostbare Fell des grauen Eichhorns sein soll, oder aber Fischotter- oder Marderpelz, und es ist doch nichts weiter als geschickt gefärbter Kaninchenbalg. Auch der Stoff zu den in neuester Zeit in England so vielfach getragenen „Seehundjäckchen“ ist weiter nichts als gefärbter Kaninchenpelz. In Gent oder in Frankreich werden die einfach gefärbten Kaninchenfelle das Dutzend mit zweiundzwanzig bis sechsundzwanzig Franken bezahlt. Trotzdem in Deutschland einzelne Kaninchenpelzfärbereien vorhanden sind, schickt man doch meistentheils aus unserem Vaterlande die ausgezeichneteren Kaninchenbälge nach Gent oder nach Frankreich, angeblich weil dort das Färben besser und billiger ausgeführt wird. Der Mangel einer größeren Zahl gut eingerichteter Färbereien in Deutschland dürfte zwar mit einer regeren und gesteigerten Kaninchenproduction wegfallen, immerhin ist dieses Moment gegenwärtig als ein Hinderniß für die genügende Verwerthung der Felle bei eintretender Massenproduction von Kaninchen anzusehen.

Die Kaninchenhaare werden ferner zur Fabrikation von Hüten verwendet. Fast alle in Frankreich producirten Kaninchenhäute gehen zunächst nach Paris, wo sie sortirt werden. Die meisten werden dann in besonderen Etablissements geschoren, die einzelnen ausgezeichneten Bälge aber den Pelzfabriken abgelassen. Der Umsatz von Kaninchenfellen für die Hutfabrikation in Frankreich wird auf circa fünfunddreißig Millionen Franken, der für Pelzwerk auf acht bis zehn Millionen Franken angegeben. Die Felle der grauen englischen Gehegekaninchen und die der wilden Kaninchen aller Länder werden von dem deutschen Hutmacher, nach mir gemachten Angaben, besonders bevorzugt. Hundert Stück Felle von deutschen wilden Kaninchen wurden im vorigen Jahre bei uns mit neun oder zehn Thalern, hundert Stück von englischen grauen wilden oder von den Gehege-Kaninchen aber mit zehn oder elf Thalern bezahlt. Haare erster Qualität (vom Rücken) kosteten das Pfund drei Thaler bis drei Thaler zwanzig Groschen, solche zweiter Qualität (Haare vom Rücken und den Seitentheilen der Kaninchen) das Pfund zwei Thaler zwanzig Groschen. Die Haare vom Bauche, von den Keulen und vom Schwanz sollen die wenigst werthvollen und demgemäß die billigsten sein. In Oesterreich zahlen die Hutmacher für das Pfund zur Filzfabrikation geeigneter Kaninchenhaare jetzt durchschnittlich etwa sechs Gulden. Hundert kleine Kaninchenbälge geben etwa vier bis fünf Pfund Haare, während zehn gute große Hasenfelle ein Pfund für den Hutmacher brauchbare Haare liefern sollen. Die geschorenen Felle werden in Leimsiedereien verwerthet. Wie man früher ganz besonders die Haare des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_448.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)