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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Weltwichtigkeit zu behandeln, mußten Verlagshandlung und Redaction an sämmtliche Bank-Directionen Deutschlands und die wichtigsten des Auslandes schreiben und sich von ihnen selbst die authentischsten Mittheilungen über deren Entstehen, Wesen, Entwickelung und Statistik erbitten. Dieser Bitte wurde von den meisten Directionen, und von einzelnen mit eben so großer Bereitwilligkeit wie Ausführlichkeit, entsprochen. Und aus diesen Stößen von Material mit den Tausenden von Zahlen mußte der Artikel herausgearbeitet werden, der nach der Oekonomie eines fünfzehnbändigen Werkes doch nur einen sehr bestimmt beschränkten Raum einnehmen darf. Nun selbst angenommen, in diese Materialmasse habe sich kein Irrthum eingeschlichen, wie leicht ist bei der Bearbeitung selbst durch den aufmerksamsten Mann ein Fehler begangen, denn der Geist ermüdet ja auch, und wie schwer ist dann ein solcher Fehler durch die Correctoren zu entdecken! Und so geht es mit jedem neuen Material; der Weg von der Quelle durch die Köpfe und Hände der Schriftsteller, Schriftsetzer, Correctoren und Revisoren bis vor das Auge des Publicums ist ein langer, und trotz aller Gewissenhaftigkeit bedarf jeder Mitarbeiter daran für sich nicht selten des entschuldigenden Sprüchleins, daß eben „Irren menschlich“ sei.

Dennoch kann die Fehlerzahl jedes gewissenhaft redigirten Conversationslexikons auf ein Minimum beschränkt werden, wenn das Publicum sich zu seinem eigenen Besten dazu entschließt, selbst Mitarbeiter, oder noch besser Mitcorrector seines encyklopädischen Hausbuchs zu werden. Wenn jeder Leser sofort jeden von ihm bemerkten Verstoß niederschreiben und verbessern und die Niederschrift der betreffenden Redaction einsenden wollte, anstatt etwa nur mündlich gegen Andere seinem Aerger über entdeckte Fehler Luft zu machen – wie dankbar würden ihnen die Redactionen dafür sein! Nur auf diesem Wege ist es möglich, nach und nach den höchsten Grad von Correctheit solcher Werke zu erreichen.

Es ist wirklich kein Meisterstück, selbst einem mit anerkanntester Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit redigirten Conversationslexikon immer noch eine Reihe von Fehlern nachzuweisen, wenn man mit ganz besonderem Eifer sich darauf legt, und namentlich, wenn man hinsichtlich der Auswahl der Artikel größere Anforderungen an ein Werk stellt, als es erfüllen kann oder will. Auch in dieser Hinsicht sollte das Publicum seine Wünsche offen gegen die Redactionen aussprechen, und es ist deßhalb ein sehr glücklicher Gedanke der Redaction des Meyer’schen Conversationslexikons, daß dieselbe zu diesem Behufe bereits einen brieflichen Verkehr mit ihren Abonnenten eröffnet, zu welchem sie die Umschläge ihrer Hefte benutzt. Man wird nämlich gerade in der dritten Auflage des Meyer’schen Werkes manchen weniger wichtigen geographischen und biographischen Artikel vergeblich suchen. Derlei mußte wegfallen, um einestheils für die ausführlichere Behandlung wichtiger Gegenstände und anderntheils für das aus der Gegenwart herandrängende Neue den nöthigen Raum zu gewinnen. Wird der Leser jenes Ausführliche und dieses Neueste missen wollen? Nein! Aber das Ausgefallene wünscht er auch noch dazu. Gut! Dann bedenke der Leser, daß dieser Zuwachs die Zahl der Bände des betreffenden Werkes eben um einen vermehren würde – und es ist dann ja sehr möglich, daß die große Mehrzahl der Abnehmer zu der Ueberzeugung gelangt, daß es besser sei, von einem gediegenen Buche einen Band mehr, als eine große Anzahl kleiner Artikel weniger zu besitzen.

Ein solches näheres Verhältniß zwischen Publicum und Redactionen ist möglich; wir erlebten es längst bei mancher Zeitschrift, an deren Redaction die Leser aus allen Nähen und Fernen sich mit ihren verschiedensten Wünschen und Bitten wenden; warum soll dies nicht auch da möglich sein, wo die Ausübung dieser neuen Pflicht ihre besten Früchte nur für das Publicum selber trägt?




Noch einmal Hoffmann von Fallersleben. Zu dem reichen Lorbeerkranze, den das deutsche Volk auf das Grab des entschlafenen Barden gelegt, wobei natürlich auch die Gartenlaube mit warmem Herzen des edlen Sängers gedachte, möchte ich ein kleines Reis noch hinzufügen, das manchen Leser gewiß interessiren wird.

In Hameln an der Weser, der alten wohlbekannten Rattenfängerstadt, lebte bis 1869 der auch in weiteren Kreisen durch seine gemeinnützigen Bestrebungen bekannte Dr. theol. Schläger, gemeiniglich „Vater Schläger“ genannt. Er war immer ein Vorkämpfer gewesen für freies Denken und festes Handeln und schon vor fünfzig Jahren hatte er viel gewirkt für eine Besserung der Lehranstalten für Mädchen. Wie allgemein bekannt sein dürfte, ehrt die Stadt Hameln in der Provinz Hannover das Andenken des alten Schläger durch ein Denkmal, welches, von dem talentvollen Bildhauer O. Ranau in Dresden ausgeführt, im nächsten Jahre in Hameln aufgestellt werden soll. Hoffmann von Fallersleben war mit dem Schläger’schen Hause seit vielen Jahren bekannt und jedesmal, wenn er nach Corvey von seinen Reisen zurückkehrte, besuchte er den alten Schläger.

An einem herrlichen Sommerabende in den fünfziger Jahren saß die ganze Familie im Garten unter dem Laubendache bei einem frugalen Abendbrode. Da trat plötzlich Hoffmann herein, mit freundlichen Scherzesworten den Vater Schläger und auch den zum Besuche anwesenden Abgeordneten Dr. H. Schläger begrüßend. Der Jubel war groß, und der noch jugend- und lebensfrische, geistig regsame Vater Schläger, damals ein Siebenziger, ließ nun den besten Trunk, den ein Pfarrkeller bieten konnte, aus dem Keller holen, und bei vollen Bechern flog bald ein freundliches Witzwort hinüber und herüber. Es war damals gerade die Zeit, wo das Regiment des Grafen Borries am straffsten angezogen war, und Maßregelungen hatten stattgefunden, von denen man in Preußen selbst in der Conflictszeit keine Ahnung hatte. Ein königlicher Diener durfte nicht wagen seinen Kaffee von einem Nationalvereinler zu beziehen, sonst riskirte er sofort versetzt zu werden.

Hoffmann zog mit kräftigen Worten über dieses Regiment los und predigte dem Abgeordneten Schläger Muth ein, nicht nachzulassen in dem Kampfe. Der Exminister Windthorst spielte damals eine Zeitlang die Rolle eines Führers der Opposition, eine Rolle, die mit vielem Geschicke durchgeführt wurde. Dr. H. Schläger hatte versucht, bei seinen Parteigenossen dagegen zu wirken, und auf das Bedenkliche aufmerksam gemacht, solch einem Führer sich anzuvertrauen; er war aber nicht durchgedrungen. Man freute sich, in dem Kampfe gegen Borries einen so kundigen, gewiegten Führer zu haben. Hoffmann machte hierüber die kräftigsten Witze und zeichnete mit vielem Humor die daraus entstehenden Folgen.

Der alte Schläger nahm lebhaften Antheil an dem politischen Gespräche und achtete es nicht, als es kühler wurde und die Familie nun wünschte, er solle die Abendluft meiden und sich zurückziehen. Der Abend war herrlich. Im nahen Gebüsche sang die Nachtigall ihr Lied, das wunderbar einstimmte in das fröhliche Gelächter dort in der alten Pastorenlaube. Von ferne tönte das Rauschen der Weser, wie sie am Wehre hinunterstürzte. Da ergriff Hoffmann das volle Glas und brachte dem Alten einen Toast:

Alles Guten Reger,
Alles Schönen Pfleger,
Alles Edlen Träger,
Alles Bösen Feger,
Im Wohlthun niemals Träger
 etc. etc. etc.
Es lebe Vater Schläger.

Leider sind dem Schreiber dieser Zeilen (der damals noch ein junger Mensch war) die verschiedenen Reime auf Schläger, deren Hoffmann noch eine ganze Reihe zum Besten gab, entfallen; er erinnert sich aber sehr gut, daß die Reimerei so lange dauerte, daß alle Zuhörer es für unmöglich hielten, noch einen Reim zu finden, und immer doch gelang es. Der Jubel war groß, als Hoffmann geendet, und begeistert schloß der alte Schläger ihn in die Arme und folgte dann dem Wunsche der Familie, während die übrige Gesellschaft noch bis in die späte Nacht zusammenblieb. Lange hat dieser schöne Abend Wiederhall gefunden bei Allen, die ihn miterlebt, und noch oft werden die Reime auf „Schläger“ in der Rattenfängerstadt benutzt.

Brinkama.




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Naturgeschichte


der


Hof- und Stubenvögel.


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Von Dr. J. M. Bechstein.


Neu herausgegeben von Dr. Edmund Berge (Alfred Keil).


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Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_522.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)