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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

haben sich verschlungen, oder durch irgend einen Drachenschwanz, eine Peitschenschnur, die zu großem Leidwesen der Betheiligten an den Drähten hängen geblieben ist und beim Eintritte feuchten Wetters durch die daran sich ansetzende Nässe zum Leiter wird.

Vermag schon eine solche Kleinigkeit so unangenehme und oft nicht leicht zu beseitigende Betriebsstörungen zu verursachen, so ist dies bei einer bedeutenderen Beschädigung der Linie in erhöhtem Maße der Fall. So brachen die Stürme des vergangenen Winters an verschiedenen Orten Telegraphenstangen um und setzten dadurch mehrmals die Betriebsfähigkeit ganzer Linien in Frage. Denn eine brechende Stange reißt sehr oft noch die Nachbarstangen mit um, und dadurch entsteht unter den Drähten, deren Zahl manchmal bedeutend ist, ein heilloser Wirrwarr, dessen Beseitigung dem Wiederhersteller keine leichte Aufgabe bietet. Unter Anderm war eines schönen Morgens die westliche von der östlichen Hälfte Deutschlands durch den Bruch einer ganzen Stangenreihe fast vollständig getrennt; nur auf Nebenlinien konnte die Correspondenz unter bedeutender Verzögerung vermittelt werden.

Die Nordoststürme, welche vor einigen Jahren die Küsten der Ostsee verwüsteten, hatten auch die telegraphischen Verbindungen zwischen bedeutenderen Plätzen fast ganz unterbrochen, sodaß z. B. die Correspondenz von Hamburg nach Berlin über Dresden geleitet werden mußte.

So ist Gott Aeolus des Telegraphen Feind; freilich sind es andere Elemente noch mehr.

Die Wechselwirkung von Hitze und Kälte, Trockenheit und Nässe schädigt ebenfalls am meisten die Stangen, dieses kostbarste Linienmaterial. Fortwährend schutzlos allen Einflüssen der Witterung und des Bodens preisgegeben, würden sie binnen Kurzem den allseitigen Angriffen erliegen, wenn sie nicht besonders zubereitet, nämlich mit antiseptischen (fäulnißwidrigen) Stoffen durchtränkt würden. Von diesen werden besonders drei verwendet: Kupfervitriol, Zinkchlorid und kreosothaltiges Theeröl. Die verschiedenen Methoden der Durchtränkung (Imprägnirung) eingehend zu beschreiben und ihre Vortheile abzuwägen, würde uns hier zu weit führen. Die deutsche Reichstelegraphenverwaltung hat sich neuerdings wieder der Durchtränkung à la Boucherie mit Kupfervitriol zugewendet und mehrere Anstalten erbaut, wo die Stangen in großen Massen derartig durchtränkt werden.

Zur Verwendung lebender Bäume als Stützpunkte für die Leitung schreitet man nur selten und ungern. Die Gefahr der Beschädigung der Isolatoren und des Drahtes, sowie der Ableitung des Stromes zur Erde ist bei dem fortwährenden Schwanken der Bäume zu naheliegend, als daß man dieselben in ausgedehnterem Maße benutzen könnte. Nur in der Provinz Preußen ist die Leitung auf einer längeren Strecke an Bäumen fortgeführt, und wieder wurde dies nur durch eine andere geniale Erfindung von Chauvin’s ermöglicht. Seine Pendel-Isolatoren sind noch heute mustergültig. In Java freilich ist man durch die alles todte Holz zerstörenden weißen Ameisen gezwungen, nur in den Wipfeln belaubte Palmen anstatt der Stangen zu benutzen. Dabei fällt aber auch die Gefahr weg, daß der Draht die lebenden Aeste berühren und hierdurch dem Strome ein Weg zur Erde geöffnet werden könne.

In Deutschland verwendet man zu Stangen meist das Holz der Kiefer, welches sich durch seinen geraden gleichmäßigen Wuchs hierzu um besten eignet und überall leichter zu bekommen ist als Lärchenholz, welches allerdings eine größere Dauerhaftigkeit besitzt. Die kiefernen, mit Kupfervitriol durchtränkten Stangen sollen laut Nachrichten aus Frankreich und Belgien, wo man die Boucherie-Methode schon seit dreißig Jahren anwendet, eine durchschnittliche Dauer von fünfzehn Jahren erreichen, während die mit Chlorzink oder Theeröl getränkten eine bedeutend längere Dauer aufweisen.

Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß alle oberirdischen Leitungen vermöge ihrer Construction zu sehr vielen Betriebsstörungen Anlaß geben. Man ist daher in richtiger Würdigung aller dieser der Correspondenz auf Luftleitungen drohenden Gefahren schon seit dem Beginne der gewaltigen Entwickelung der Telegraphie darauf bedacht gewesen, Mittel und Wege zu finden, um diese Gefahren zu vermeiden. Am leichtesten schien dies erreichbar, wenn man die Leitungen über der Erde ganz aufgab und dieselben in die Erde verlegte. Freilich mußte man dann die Drähte ihrer ganzen Länge nach isoliren, das heißt mit einer möglichst schlecht leitenden Substanz umgeben, um dadurch den galvanischen Strom am Entweichen zu hindern. Zu diesem Zwecke konnte man nur Stoffe benutzen, welche elastisch genug waren, um die mancherlei oft sehr scharfen Krümmungen des in die Erde verlegten Drahtes ohne Gefahr für ihre relative Festigkeit mitzumachen, und zugleich dicht genug, um der Feuchtigkeit, die allzeit bereit ist, dem gefangenen Strome bei seiner Flucht zur Erde behülflich zu sein, den Zutritt zu den Drahtadern zu verwehren. Endlich darf der zu verwendende Stoff auch nicht allzu empfindlich gegen Temperaturschwankungen sein, sodaß seine isolirenden Eigenschaften darunter litten.

Alle diese Momente schränken die Auswahl gewaltig ein, und in der That sind bis jetzt nur drei Stoffe zur Isolation unterirdischer Drähte mit Erfolg verwendet worden, nämlich Guttapercha, Kautschuk und Asphalt. Die im Jahre 1842 von Jacobi in Petersburg gelegte erste unterirdische Telegraphenleitung, wobei man die Drähte mit in geschmolzenes Wachs, Harz und Talg getauchtem Zwirn oder gleich präparirter Baumwolle umwickelt hatte, konnte ihren Zweck durchaus nicht erfüllen.

Die Constructionen der mittelst der erstgenannten drei Substanzen isolirten Drähte sind ebenso complicirt wie verschieden. Die Verwendung der Guttapercha wurde zuerst 1847 von Werner Siemens vorgeschlagen, welcher zugleich die hierzu erforderlichen Maschinen erdachte. Um dem Sprödewerden der Guttapercha in der Kälte vorzubeugen, mischte man ihr fünf Procent Schwefel bei, erzeugte dann aber durch die Berührung dieser vulcanisirten Guttapercha mit dem Kupfer Schwefelkupfer, welches in Verbindung mit der übrigen keine isolirende, sondern leitende Substanz wurde. Diesem ersten mißglückten Versuche haben aber Praxis und Wissenschaft so viele vom Glücke mehr begünstigte folgen lassen, daß die jetzt construirten Drähte an Isolirfähigkeit kaum etwas zu wünschen übrig lassen.

Es genügt aber nicht, daß man die isolirten Drähte einfach in die Erde legt und nun ihrem Schicksale überläßt; man muß dieselben auch vor Beschädigungen von mancherlei Art sorgfältig schützen. Bei der ersten Anlage unterirdischer Leitungen hatte man nicht daran gedacht, vielleicht auch der zur Isolation verwendeten Guttapercha eine absolute Unzerstörbarkeit zugeschrieben; kurz, man hatte den isolirten Draht einfach zwei Fuß tief in die Erde gegraben. Allein diese geringe Tiefe schützte die Leitung noch nicht vor Verletzungen durch Hacke und Spaten der Eisenbahnarbeiter; Maulwürfe und Feldmäuse zeigten eine seltsame Leidenschaft für Guttapercha, die sie massenhaft verzehrten; die Isolirmasse war nach kurzer Zeit spröde und brüchig geworden, hatte sich sogar theilweise vom Metalle abgelöst, und so sah man alsbald die Nothwendigkeit ein, die Drähte durch eine weitere Umhüllung vor den eben erwähnten ungünstigen Einflüssen zu schützen. Zu diesem Zwecke hat man wieder sehr verschiedene Methoden angewendet; man umwickelte die Drähte mit Hanfband, oder legte sie in hölzerne Rinnen, oder zog sie durch Bleiröhren, die sich beim Durchgange durch eine Drahtpresse fest an dieselben anlegten, oder durch stärkere eiserne Röhren. Alles dies brachte wieder zahlreiche Unzuträglichkeiten mit sich, und so verwendet man jetzt zu den unterirdischen Leitungen in Deutschland Kabel, die sich nur durch die geringere Stärke der äußeren Schutzdrähte von den Submarinekabeln unterscheiden. Die Construction derselben ist kurz folgende:

Mittelst sinnreich eingerichteter Maschinen umwickelt man die zu einem Bündel vereinigten Guttaperchadrähte in entgegengesetzter Richtung mit zwei Lagen sorgfältig getheerten Hanfes, um sie dadurch vor einer Verletzung der isolirenden Umhüllung zu schützen. Da aber diese Hanflagen wieder durch allerlei Thiere etc. leicht beschädigt werden können, so umspinnt man die Kabel mit noch einer Lage mehr oder weniger starker Eisendrähte, welche aus dem besten Eisen hergestellt sein müssen. Die Anzahl und Stärke dieser Schutzdrähte richtet sich nach dem Zwecke, welchem das Kabel dienen soll; unterirdisch zu verlegende Kabel werden weniger und schwächerer Drähte bedürfen als Fluß- und Küstenkabel, weil diese durch Wellenschlag, Reibung am Grunde und schleppende Schiffsanker bedeutend mehr in Bezug auf ihre absolute Festigkeit in Anspruch genommen werden als jene, welche nur vor gefräßigen Thieren und unvorsichtigen Arbeitern gesichert zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_626.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)