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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

langsamer und äußerst sanft. Ohne jeglichen Todeskampf hauchte der Fürst seinen letzten Athem aus. Es war fünf Minuten vor zwölf Uhr, am 4. Februar 1871. In stiller Wehmuth drückte ich ihm die Augen zu. – Fast drei Jahre später, am 26. December 1873, wurde in denselben Gemächern, welche der Fürst zuletzt bewohnt und in denen er sein Leben beschlossen hatte, dem jetzigen Besitzer von Branitz, dem Herrn Reichsgrafen von Pückler, ein tüchtiger Sproß geboren, der Vierte dieses Geschlechts, der den Namen Hermann in der Taufe erhielt.

Das Testament des Fürsten Pückler sagte im sechsten Paragraphen: „Mein Leichnam soll, zur Ermittelung der Todesursache, von den drei Aerzten: Sanitätsrath Dr. Malin, Dr. med. Liersch und dem Kreis-Chirurgus Dr. Richter, alle Drei zu Cottbus wohnhaft, secirt, dann aber chemisch oder auf andere Weise verbrannt und die übrigbleibende Asche in eine kupferne, demnächst zu verlöthende Urne gethan und diese in den Tumulus des Branitzer Parkes eingesetzt werden.“

Da sich bei der Berathung der Herren Testamentsvollstrecker mit den Aerzten Bedenken gegen eine Verbrennung des Leichnams durch trockenes Feuer erhoben, so reiste Herr Kreisgerichtsdirector Sturm nach Berlin und befragte den Herrn Präsidenten des Consistoriums der Provinz Brandenburg (nicht den Cultusminister Mühler) und einen Chemiker, Herrn Dr. Müller. Ersterer hatte gegen eine Verbrennung der Leiche Nichts einzuwenden; Herr Dr. Müller empfahl die Auflösung der Leiche in concentrirter Schwefelsäure.

Da die mittlerweile eingetroffenen fürstlichen Verwandten baten, von der Verbrennung des Leichnams auf einem Scheiterhaufen abzustehen, da ferner diese Verbrennung überhaupt, abgesehen von der Menge des dazu nöthigen Holzes, doch eine sehr schwierige und kaum vollständig zu bewerkstelligende wäre, da außerdem zu derselben ein besonderer Apparat zur Sammlung der Körperasche angefertigt werden mußte, der in so kurzer Zeit, wie sie bis zur Bestattung gegeben wurde, sich nicht beschaffen ließ, und da endlich im Testamente die chemische Verbrennung vorangestellt war, so wurde von einer Zerstörung des Leichnams durch Feuer abgesehen. Nach den Ansichten, welche der Fürst uns Aerzten gegenüber wiederholt ausgesprochen hatte, würde er die jüngste Bewegung für Leichenverbrennung mit Enthusiasmus begrüßt und sicher sich einem Siemens’schen Ofen überliefert haben. Aber auch die chemische Zerstörung des Leichnams war zu damaliger Zeit nicht leicht zu bewerkstelligen. Die Auflösung desselben in Schwefelsäure, welche bezüglich der Weichtheile sicher in wenigen Stunden erfolgt wäre, und bei welcher auch die Knochen, die vielleicht besser mit Salzsäure aufzulösen gewesen wären, in kurzer Zeit zerfallen sein würden, hätte, zumal bei der großen Menge Wasser, welche ein menschlicher Körper enthält, sehr große Gefäße, namentlich einen großen Bleitrog oder Glasgefäße, erfordert. Auch ließ sich die Eindickung der entstandenen breiigen Masse sicher nicht unter vierzehn Tagen bewerkstelligen, abgesehen von der Schwierigkeit der Operation überhaupt unter den hier gegebenen Verhältnissen. So entschlossen wir drei Aerzte uns endlich, unter Beirath des Herrn Apothekers Rabenhorst, die chemische Zerstörung des Leichnams mit kaustischen Alkalien vorzunehmen. Wir hatten zuvor Versuche angestellt, aus welchen sich ergab, daß Muskelfleisch, mit solchen kaustischen Alkalien behandelt, sich in kurzer Zeit in eine gallertartige rothe Masse auflöst, daß die Knochen selbst weich und mürbe werden und daß die Fettsubstanzen sich in eine seifenartige Substanz umwandeln. Es wird also durch die Behandlung eines thierischen Körpers mit kaustischen Alkalien eine Art Verseifung eingeleitet.

Dem Testament entsprechend wurde zunächst am 7. Februar der Leichnam von uns drei Aerzten geöffnet, und konnten wir unser Gutachten dahin zu Protocoll geben, daß Se. Durchlaucht der Fürst Pückler-Muskau nicht durch eine locale Erkrankung, sondern durch allgemeine Alterserschöpfung – Marasmus senilis – verstorben sei. Das Herz wurde demnächst in eine Glasphiole gelegt und mit sieben Pfund concentrirter Schwefelsäure übergossen, wodurch es sehr bald in eine dunkelschwarze, formlose Masse umgewandelt wurde. Die Glasphiole wurde in eine kupferne Urne gestellt und diese dann verlöthet. Der geöffnete Leichnam hingegen wurde nach leichter Umhüllung mit einem feinen Laken in einen Metallsarg gelegt und mit einer Mengung von Aetznatron, Aetzkali und Aetzkalk durch und durch durchtränkt. Es wurden hierzu zehn Pfund Aetznatron, zwanzig Pfund Aetzkali und fünfundzwanzig Pfund Kalkhydrat gebraucht.

Es war nicht etwa eine gewisse Eitelkeit des Fürsten, seine irdischen Ueberreste auf nicht gewöhnlichem Wege der Erde übergeben zu lassen; es war ihm nur ein Gräuel, einst den Würmern anheimzufallen und befürchten zu müssen, daß seine Gebeine zerstreut und verworfen werden könnten. Und dies ist verhindert worden, da sein Leichnam schneller und sicherer dem Verfall und dem Zerstörungsproceß entgegengeführt worden ist, als dies bei anderen todten Körpern der Fall zu sein pflegt.

Am 9. Februar 1871, an einem sehr kalten Tage bei zehn Grad Kälte, bei Sturm und Schneegestöber fand die Einsetzung der irdischen Ueberreste des Fürsten in die von ihm selbst zu diesem Zwecke errichtete und mit einem See umgebene Erdpyramide statt, nachdem zuvor im Schlosse eine erhebende Trauerfeierlichkeit stattgehabt hatte. Der verschlossene reichverzierte Sarg von Eichenholz wurde in den in den Tumulus gegrabenen Stollen gestellt und die Urne mit dem aufgelösten Herzen auf dem Hauptende des Sarges befestigt. –

Jetzt ist der Stollen geschlossen; kaum eine Spur des Einganges ist äußerlich zu bemerken. Das freundliche Grün des Tumulus kehrt mit jedem Frühjahre wieder; der liebliche Park schmückt sich unter der besondern Fürsorge des jetzigen Besitzers mit jedem Jahre schöner und schöner; denn dieser hält Alles, was zur Erinnerung an seinen hochberühmten Onkel gehört, in Ehren. Die buntgefiederten Sänger, namentlich der Pirol, den der alte Herr so sehr liebte, kehren Jahr für Jahr in den gastlichen Hain zurück – aber der Schöpfer der freundlichsten Oase der einförmigem Mark ruht still in seinem Tumulus, umgeben von klarem, stillem Gewässer.




In und um Tirols Oberammergau.
2. „Auf den Bergen die Burgen“ und Notburga’s Ruhm und Preis.


Das Passionsspiel in Brixlegg hatte ich durch- und ausgenossen (– als letzter Vorstellungstag überhaupt war der letzte Montag des September bestimmt gewesen –), und nun konnte ich mich mit derselben Ausschließlichkeit dem Genusse der Natur in der nächsten Umgebung des theaterlustigen Tirolerdorfs überlassen.

Es wäre leichtsinnig, ein Stückchen Tirol, wo wir den Ludwig Steub herumlaufen sehen, allein zu durchwandeln, ohne ihn bei der Hand zu nehmen und zu sagen: „Grüß’ Gott, nimm mich mit!“ – Und wenn gerade er Einen nicht selber mitnehmen kann, so nimmt man ihn mit, sammt seinen „Drei Sommern“, gedruckt und gebunden und überall zu haben. Und so gehen wir also jedenfalls miteinander und betrachten vor Allem den Ort selbst, wo wir eben sind.

Früher war es viel stiller in Brixlegg, als die vielen Güterwagen noch über den Brenner gingen und die Tausende von Fuhrleuten ihr Millionendonnerwetter vor den Wirthshäusern im nahen Städtchen Rattenberg abluden. Wenn sich damals hier und da ein kecker Maler bis Brixlegg verirrte, so konnte er Aufsehen und Aergerniß mit seiner Erscheinung erregen. Jetzt dreht sich wegen solcher Herren dort Niemand mehr um, seitdem der Dampfteufel die Eisenbahn in’s Ländel geführt und just bei Brixlegg eine Station hingestellt hat. Jetzt geht auch da das Gewimmel los, und vorsichtige Reisende miethen angenehme „Logis“ gleich auf den nächsten Sommer voraus. Sie sagen, die Gegend thät’s hier, das breite Innthal mit den beiden großen und nahen Einmündungen des Ziller- und des Alpachthales und dies- und jenseits des stattlichen Thales die prächtigen Berge. Dagegen ist allerdings nichts einzuwenden; unsere Abbildung von Brixlegg (S. 502) verräth dies schon, und doch kann der Künstler nur abbilden, was er mit dem Blick nach einer Richtung sieht; was wirbelt noch Herrliches an diesem vorüber, wenn er sich auf dem Absatze herumdreht!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 680. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_680.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)