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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Federkraftbenutzung etc. das Ihrige geleistet, um eine überraschende Wirkung hervorzubringen.

Auch in reich ausgestatteter Couvertform mit wohlriechender Einlage finden diese Karten ihren Weg in außerdeutsche und überseeische Länder, und durch die mit Krepp und Seide verzierten, ähnlich fabricirten Pathenbriefe haben sich in streng protestantischen Gegenden unter gewissen bunten Heiligenbildern sogar eine wächserne Art derselben eingebürgert. In Folge der hierbei nöthig gewordenen mannigfaltigen Buntdruckreliefs zur Fabrikation dieser Karten haben sich in neuerer Zeit die meisten dieser Fabriken auf massenhafte Herstellung zum Verkauf geeigneter billiger Reliefs geworfen. In der Verbreitung und Beliebtheit derselben bei der Kinderwelt dürfte das beste Gegenmittel gegen die oft zweck- und sinnlose Briefmarkenmanie um so mehr zu finden sein, als auch der Anschauungsunterricht und der Sinn für Formenvollendung und Schönheitsgefühl wesentlich dadurch gefördert werden. Wer zumal die reizenden deutschen Märchen mit Versen in ihrer knappen Form und höchst künstlerischen Ausführung im Verhältniß des kleinen Raumes je gesehen, der wird das obige Urtheil nur unterschreiben können. Daß der Export in diesen Reliefs ein bedeutender ist, ja der bei weitem größte Theil des englischen Weltmarktes in Deutschland gedeckt wird, das beweisen die zahlreichen Auflagen in fremden Sprachen und die leider häufig vorkommende englische Grossistenmarke. Anerkennung in dieser Richtung verdient das renommirte chromolithographische Etablissement von Meißner und Buch in Leipzig, welches trotz bedeutenden Exports sich nie zur Anwendung anderer als seiner eigenen Herstellungsmarke herbeigelassen hat.

Der Verbrauch von Luxusbriefbogen und Papeterien ist seit einigen Jahren durch die in Aufnahme gekommene Papierconfection etwas in den Hintergrund gedrängt worden, welche auf Papier und Couverts dem jeweiligen Bedürfniß entsprechende Initialen, Figuren, Blumen etc. reichverziert, mittels Handprägepresse in beliebig kleinen Auflagen herstellt.

Eine Abzweigung der Luxuspapierfabrikation bildet noch die Fabrikation der Spitzenstreifen, Bouquetmanschetten und Tortenunterlagen, welche meist eigene Fabrikwerkstätten besitzt. Auch hier hat Berlin unstreitig in Bezug auf Größe der Production und Schönheit der Formen den Vorrang, sogar vor dem früher hierin dominirenden Paris. Die mit Bleihämmern entweder streifen- oder tellerförmig ausgeschlagenen, zarten Muster finden ihre Verwendung zunächst zum Decoriren der zu exportirenden Manufactur- und Weißwaaren, besonders aber zum Ausputz von Puppen, Schachteln, Kästchen, Schränken, Blumentöpfen und – Särgen. Der wahrhaft großartige Aufschwung, den seit einigen Jahren die Zierblumencultur durch die üblich gewordenen riesigen Bouquets genommen hat, ist, so sehr letztere Unsitte von ästhetischem Standpunkte aus zu tadeln sein mag, doch von gewaltigem Einflusse auf diese Branche geworden. Es kommen Bouquetmanschetten im Preise bis zu zehn Thalern zur Verwendung, deren Herstellung eine geübte Arbeiterin Tage lang beschäftigt, bei denen das kostbarste Material an Sammt, Krepp, echten Seidenstoffen und echten Spitzen in Verbindung mit künstlichen Blumen nicht gespart wird, und wo das Papier häufig nur das Gerippe bildet. Der große Consum hält sich jedoch an die sauberen Bogendüten von Spitzenpapier, welche allen Anforderungen des guten Geschmacks entgegenkommen, indem sie zu einem mäßigen Preis eine höchst anmuthige Umhüllung der Blumenspende darbieten. Die dafür angewendeten Muster bestehen entweder aus Blattwerk oder aus Spitzennachahmung. Der Buntdruck ist gleichfalls zur Decorirung dieser Spitzen thätig gewesen, ohne, mit Ausnahme der zu Gedenkhochzeiten verwendbaren Blattmetallverzierung, irgend welche nennenswerthe Resultate erzielt zu haben. Ein ähnliches Fabrikationsverfahren wird zur Herstellung von Goldborden und papierenen Sargverzierungen, welche letzteren die zinnernen fast allgemein verdrängt haben, sowie von Lampenschirmen, Lampenschleiern und Patentpapierbuchstaben (zur Anfertigung von Firmen und Schildern) angewendet.

Begreiflicherweise sind bei dieser Ausdehnung der Papierwaarenfabrikation der vermehrte Papierverbrauch und die dadurch hervorgerufene Preissteigerung der verwendbaren Rohmaterialien vom höchsten Einflusse auf alle Schreib- und Druckpapier verbrauchenden Unternehmungen. Da die Zunahme der allgemeinen Volksbildung offenbar von der billigen Herstellbarkeit letzterer Papiersorten abhängig ist, so hat sich von jeher die technische Wissenschaft mit der Aufsuchung billiger, leicht zu beschaffener Faserstoffe beschäftigt. Natürlich war von vornherein von der Benutzung spinnfähiger Faserstoffe wegen deren lohnenderer Verwendung zu Geweben aller Art abzusehen, umsomehr, da deren unbedingt erforderliche Eigenschaft, die Kräuselungsfähigkeit der Fasern, nicht zum Erforderniß der Papierbereitung gehört. Letztere verlangt nur eine Verfilzungsfähigkeit der Fasern, am besten so, daß die Fasern, mikroskopisch betrachtet, an den Enden spitz zulaufen. Wenn nun auch durch die heutzutage so billigen Transportwege besonders geeignete Faserstoffe (wie oben die Halfa) zum Zwecke der Papierbereitung unschwer zu importiren sind, so wird sich doch im Allgemeinen die Nothwendigkeit für billige Papierbereitung herausstellen, die jedem Klima entsprechenden billigen Faserstoffe an Ort und Stelle aufzufinden, respective zu erzeugen.

Die von den Alten benutzten Palmenblätter, auf denen nach Virgil das Buch der cumanischen Sibylle geschrieben war, ferner die innere, Liber genannte, leicht ablösbare, zum Gebrauch mit einem Mehlüberzug zu versehende Rinde der am Ausflusse des Nil und Euphrat massenhaft wachsenden Papyrusstaude, sowie der Pappeln, Eschen, Ulmen und Linden, letztere nach Quintus Septimius zur ältesten Niederschrift der Iliade benutzt, waren bereits zu Augustus Zeiten durch eine Papiersorte (empirotica), welche aus Lumpen gemacht wurde, vermehrt; es wurden in der Folge, nachdem sich dieses ursprünglich schlechteste Papier durch die Erfindung der nassen Stampfmühlen etwas vervollkommnet hatte, alle erstgenannten Materialien, insoweit nicht Pergament zur Anwendung kam, durch das Lumpenpapier ersetzt.

In Folge Einführung des Holländers, eines drehbaren Messers zum Zermalmen der Lumpen, mußte auch das Pergament dem nunmehr allen Anforderungen entsprechenden Papiere weichen. Nachdem jedoch die Lumpen immer mehr im Verhältnisse des Verbrauchs zu mangeln anfingen, war man gezwungen, auf die Materialien der Alten zurückzugehen und Blätter- sowie Holzfasern für die Fasergewinnung heranzuziehen. So bereitet man in Italien aus von Seidenraupen abgefressenen Maulbeerbaumzweigen seit neuerer Zeit ein sehr festes und feines Cigarrettenpapier. In Deutschland war durch die von Völter vor einem Jahrzehnt erfundene Holzschleifmaschine, welche allerdings im Verhältnisse der Leistung einen beträchtlichen Kraftaufwand erfordert (drei und eine halbe Pferdekraft produciren täglich nur einen Centner Holzstoff), der Weg zur billigen Faserstoffbereitung gefunden. Leider unterliegt die geschliffene Holzfaser sehr der Veränderung durch Luft und Licht, welche bei starkem Holzstoffgehalte des Papiers nach einiger Zeit zum Braunwerden, ja zum gänzlichen Zerfallen des weißesten Papiers führen kann. Dieser Uebelstand, der von der Verwendung von stark holzstoffhaltigem Papiere für andere als Tagesliteratur absehen läßt, rührt wahrscheinlich von der Entwickelung von Holzsäure bei der auf mechanischem Wege gewonnenen Faser her. Bessere Resultate hat die Chemie in der Fasergewinnung sowohl aus Holz wie aus Stroh erzielt. Letzteres war bisher überhaupt schon vielseitig zu groben Packpapieren verwendet worden und der Export darin nicht unbedeutend gewesen; der bedeutende Kieselsäuregehalt, welcher derartige Papiere hart und brüchig machte, ist, Dank der Chemie, nunmehr mit Vortheil dazu zu verwenden, den beispielsweise bei Schreibpapieren nöthigen, durch Talk- und Infusorienerde (Paperclay) erzielten Angriff des Papiers gleich durch das Fasermaterial selbst mit zu erlangen.

Dieses chemische Verfahren nach Sinclair, Ungerer, Lee u. A. besteht im Wesentlichen in der Anwendung von Dampfdruck auf die der Einwirkung einer starken Lauge ausgesetzten Holzspähne, Strohhäcksel oder sonstigen Fasermaterialien, worauf ein chemischer Bleichproceß mit der erlangten Cellulose vorgenommen wird. Andere basiren ihr Verfahren auf die Eigenschaft der Kohlenwasserstoffverbindungen (z. B. Benzin), den Faserstoffen ihr Gummi und Harz unter hoher Temperatur und starkem Drucke zu entziehen, während z. B. Keegan, erst nachdem er die Laugenflüssigkeit auf kaltem Wege durch Wassersäulendruck in die Faserbündel getrieben, das so getränkte Holz einer großen Hitze aussetzt und dann durch Waschen die Harze etc. entfernt. Den feinsten, sehr weichen und am meisten begehrten Faserstoff ergab bis jetzt das Sinclair’sche Verfahren (von Firmin Didot in Paris


Hierzu die „Allgemeinen Anzeigen zur Gartenlaube“, Verlag von G. L. Daube & Comp.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 733. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_733.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)