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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

empfanden. Indessen, zurück konnte man nicht – also vorwärts! –

Pizarro suchte seine Erscheinung zu einer möglichst imponirenden zu machen. Er ordnete seine Mannschaft in drei Treffen, wenn man so sagen darf, als ob es zur Schlacht ginge, ließ die Fahnen entfalten, die Trompeten schmettern und marschirte so, die Reiterei voran, die Feldschlangen in der Mitte, in echt spanisch-stolzer Haltung auf die Stadt zu. Er erreichte seinen Zweck: er imponirte. Tausende und wieder tausende von schwarzen Peruaneraugen hingen an dem herankommenden Zuge, an dem alles so fremdartig, daß er den Unterthanen des Inka’s wie unmittelbar vom Himmel gefallen erscheinen konnte. Später dürften sie sehr geneigt gewesen sein, zu glauben, die Hölle hätte diese Blaßgesichter ausgespieen.

In Kaxamalka eingerückt, erfuhr der Conquistador, daß der Inka in einer Villa residirte, welche etwa eine Legua weit hinter der Stadt und vor der Fronte des peruanischen Lagers gelegen war. Dorthin entsandte, den „Emperador“ zu begrüßen, Pizarro seinen Bruder Hernando und den Ritter Soto an der Spitze einer Reiterschaar, welche alsbald auf der von der Stadt zur kaiserlichen Residenz hinausführenden, wohlangelegten Kunststraße hingaloppirte. Bei ihrem Herankommen traten die peruanischen Krieger überall neugierig aus ihren Zelten hervor, verhielten sich aber durchaus friedlich. Die zeitweilige Behausung des Inka war leicht, aber hübsch gebaut; die Außenwände waren mit einer bunten Mörtelglasur versehen und um den offenen Hof lief ein Säulengang, in welchem das „Inkabad“ sichtbar war, das heißt eine große steinerne Wanne, in welche mittels Röhren warmes und kaltes Wasser geleitet werden konnte. Eine Menge prächtig gekleideter Hofleute und Offiziere füllte den Hofraum. Auch reichgeschmückte Frauen des kaiserlichen Harems waren sichtbar. Unschwer vermochten die Spanier die Person des Inka zu erkunden, nämlich in einem auf einem niedrigen Sessel dasitzenden Manne, welchen das außerordentlich ehrfurchtsvolle Bezeigen der ihn umstehenden höchsten Würdenträger als den „Emperador“ bezeichnete. Außerdem war Atahuallpa kenntlich durch das Symbol seiner Sonnensohnherrschaft, das heißt durch die rothseidene Stirnbinde, die „Borla“, deren Fransen ihm bis auf die Augenbrauen herabfielen. Nur der Inka durfte diesen Kopfschmuck tragen, und Atahuallpa hatte sich mit diesem heiligen Zeichen unumschränkten Herrscherthums erst geschmückt, nachdem er mittels Besiegung und Gefangennahme seines Bruders in den alleinigen Besitz der Macht in Peru gelangt war.

Der Inka empfing die beiden Boten des Conquistadors mit der ganzen Gemessenheit und stoischen Würde, welche den Häuptlingen der rothhäutigen Rasse bei Haupt- und Staatsactionen überall eigen war und ist. Hernando Pizarro und der Ritter Soto ritten bis dicht vor den Sitz Atahuallpa’s und richteten durch den Mund des Dolmetschers Felipillo ihren Auftrag aus, indem sie das wiederholten, was der Eroberer schon in Zaran dem Abgesandten des Inka’s gesagt hatte. Der Herrscher von Tavantinsuyu hörte schweigend und ohne eine Miene zu verziehen die Botschaft. Nur einer der ihm zur Seite stehenden Würdenträger sagte, als die Spanier ihre Anrede vorgebracht hatten, lakonisch: „Es ist gut.“ Damit war aber den Boten nicht gedient, und der Bruder Pizarro’s nahm daher abermals das Wort und bat den Inka, selber mit ihnen zu sprechen und ihnen seinen Entschluß und Beschluß mitzutheilen. Nun ging – so hat uns Soto berichtet – ein flüchtiges Lächeln über die ernsten Züge Atahuallpa’s, und er ließ sich herab, zu sagen: „Meldet Eurem Häuptlinge, daß ich dermalen Fasten halte, welche morgen zu Ende gehen. Dann werde ich ihn mit meinen Häuptlingen besuchen. Derweil ober möge er in dem Staatsgebäude an dem öffentlichen Platze in der Stadt Quartier nehmen. Was weiter geschehen soll, werde ich befehlen.“

Soto, welcher einen Andalusier ritt, dessen Feuer die Strapazen des Andesüberganges nicht zu schwächen vermocht hatten, bemerkte, daß der Inka das schöne Thier, welches ihm wie ein Wunder vorkommen mußte, aufmerksam, aber ruhig betrachtete. Da ließ der Ritter dem Renner die Zügel schießen, beschrieb in vollem Laufe ein paar Kreise auf dem Wiesenplane vor dem Hofraume, kam dann pfeilschnell zurück und hielt sein Roß so plötzlich und so dicht vor Atahuallpa an, daß es sich auf die Hinterfüße setzte und den Schaum seines Gebisses umherspritzte. Der Inka behauptete auch hierbei seine würdevolle Fassung, aber etliche seiner Officiere wichen entsetzt zurück. Ihr Gebieter soll sie, wie die Spanier aussagten, um solcher Feigheit willen noch am Abende desselben Tages haben hinrichten lassen.

„Was weiter geschehen soll, werde ich befehlen“ – hatte der Inka gesagt. Lag in dieser Aeußerung souveränen Machtbewußtseins eine Drohung? Sollte es etwa heißen: „Trotz alledem besitze ich die Mittel, euch Blaßgesichter mitsammt eurem Blitz und Donner, mitsammt euren vierfüßigen Schlangen zu erdrücken, sobald es mir beliebt!“? Nahm es Pizarro so?

Wie er es nahm, weiß man nicht; daß er aber handelte, als hätte er es so genommen, das weiß man. Kamen doch seine beiden Boten trotz des berauschenden Chikatrankes, welcher ihnen auf Befehl Atahuallpa’s durch schöne Odalisken in großen Goldpokalen kredenzt worden war, mit sehr gemischten Eindrücken aus dem Lager des Inka nach Kaxamalka zurück. Was sie da gesehen hatten und was sie ihren Gefährten berichteten, imponirte den Spaniern nicht wenig, und als die Nacht gekommen war und die zahllosen Lagerfeuer der peruanischen Krieger von den Berghalden herableuchteten – „so dicht wie die Sterne am Himmel,“ meldet uns einer der Augenzeugen –, da sank diesem in tausend Gefahren hartgegerbten „Heldengesindel“ der Muth.

Einer jedoch war darunter, dem blieb der Muth oben, Pizarro selbst, welcher derweil seine Leute in dem großen kasernenartigen Gebäude untergebracht hatte, welches den Marktplatz der Stadt von drei Seiten einfaßte. Dieses Bauwerk bestand eigentlich nur aus weiten Säulenhallen, welche sich gegen den Platz hin aufthaten und diesen zu einem geschlossenen Hofraume machten, indem die vierte Seite durch eine hohe, in der Mitte mit einem großen wohlbefestigten Thore versehene Mauer abgeschlossen wurde. Die Beschaffenheit seines Quartiers half zweifelsohne Pizarro’s Plan mitbestimmen.

Denn der Mann hatte einen Plan, einen verzweifelten, auf Sieg oder Untergang gestellten Plan, aber einen Plan, welcher mit ebenso fester Hand ausgeführt wurde, wie er mit festem Geiste entworfen worden war. Nachdem er am Abend des 15. Novembers mittels einer seiner bündigen, von Energie schwellenden Anreden seiner ganzen Schar zu Gemüthe geführt hatte, daß es jetzo gälte, für den heiligen katholischen Glauben gegen die Heiden einen großes Schlag zu thun, der schlechterdings gethan werden müßte, so sie nicht alle schmählich zu Grunde gehen wollten, versammelte er seine Officiere zu einem Kriegsrathe, setzte ihnen klar und bestimmt auseinander, was er vorhätte, was morgen gethan und wie es gethan werden sollte, und wies jedem seine Stelle und seine Rolle an. Dann entließ er sie, machte die Runde in dem ganzen Quartiere, prüfte die getroffenen Vertheidigungsanstalten, besichtigte die Wachtposten und legte sich endlich schlafen mit der Gefaßtheit eines Mannes, welcher wußte, daß er morgen zu dieser Stunde der Herr von Peru oder aber todt sein würde.




6.


Aus wolkenlosem Himmelsblau blickte am Morgen des 16. Novembers von 1532 die Gottheit Peru’s in stralender Majestät auf ihr Land herab. Sie sollte es an diesem Tage zum letztenmale in der Hand und Gewalt ihrer Kinder sehen.

Draußen im Lager des Inka war frühzeitig große Regung und Bewegung. Aber frühzeitiger noch riefen Trompetenstöße die Spanier in ihrem Quartier aus dem Schlafe und unter die Waffen. Der Conquistador erschien gepanzert und in voller Waffentracht. Ebenso seine Officiere und seine sämmtlichen Gefährten bis zum letzten Soldaten herab. Ein reichliches Frühmahl wurde eingenommen. Dann celebrirte Pizarro’s Feldpater an einem im Hofraume improvisirten Altar eine Messe und stimmte zum Schlusse das „Exsurge, Domine!“ an, in welches die ganze fromme Räuberbande höchst andächtig einstimmte. Hierauf ordnete der Führer, was noch zu ordnen war. Den Don Pedro de Kandia ließ er mit etlicher Mannschaft die zinnenbekrönte Mauer, in welcher die große Pforte eingelassen war, besetzen und hier wurde auch das „Geschütz“, das heißt die beiden kleinen Feldschlangen, aufgepflanzt. Innerhalb der um den Platz herlaufenden Säulenhalle stellte er auf dem rechten und dem linken Flügel in zwei von seinem Bruder und De Soto befehligten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_806.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)