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verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


doch nie im Traum eingefallen sein würde, so etwas für einen andern Menschen als ihren Bräutigam zu thun.

Wie sie es gesagt, geschah es. Sie verhandelte mit meinem Chef, und dieser ging in seiner Güte so weit, mir alle Vorwürfe, ja selbst eine auffällig rasche Entlassung zu ersparen. Er ließ am nächsten Montag Morgen einen älteren Gehülfen als Cassirer eintreten und mich in meiner früheren Geschäftsfunction bis zum nächsten Quartal weiter arbeiten. Dann trat ich aus. Ich selbst wünschte, diese Stellung zu verlassen; ich hatte nie große Lust zum Kaufmannsstande, und jetzt war er mir völlig verleidet. Die ganze Stadt, in der ich so schreckliche Stunden erlitten, war mir verhaßt; ich dankte Gott, daß ich sie hinter mir hatte und wieder bei meinem Vater war, um nichts zu sein, als ein tüchtiger Arbeiter. Ich lernte die Maschinenschlosserei und seitdem bin ich Werkmeister in der Fabrik, in der mein Vater thätig ist…“

„Aber Herr von Maiwand unterdeß?“ rief Landeck aus.

„Herr von Maiwand, freilich!“ fuhr Rudolph mit bitterem Tone fort. „Dieser Edle mußte es nicht möglich gefunden haben, mit dem ‚Volke Israel‘ fertig zu werden; er hat auch wohl seine desfallsigen Bemühungen sehr gewissenberuhigt eingestellt, da Malwine ihm einen Wink gegeben hatte, der ihm sagte, daß sie mich aus der Verlegenheit gezogen. Malwine hat mir nämlich wirklich ihr ganzes kleines Vermögen geopfert. Und dann hat sie ihren Vorsatz ausgeführt, sich zu überzeugen, ob Herr von Haldenwang ein Spieler sei oder nicht; sie hat ihn beobachten lassen und sich nach seiner Vergangenheit erkundigt; sie hat nicht die geringsten Thatsachen erfahren, welche diesen Verdacht bestätigen konnten; sie hat Haldenwang deshalb vertrauensvoll ihre Hand am Altare reichen können; sie ist bis auf diese Stunde überzeugt, daß ihr verstorbener Gatte damals ganz ausnahmsweise der Verlockung zu hohem Spiele erlegen und so ausgeplündert sei …“

„Und diese Ueberzeugung,“ nahm Landeck das Wort, „haben auch Sie, Herr Escher?“

„In jener Zeit, wo ich eine vertrauensvolle Seele war, wie es Malwine noch heute ist, ein so leicht zu täuschender Gimpel,“ versetzte Rudolph, „da hatte ich sie. Seitdem bin ich klüger geworden. Daß Herr von Maiwand wegen übermäßiger Schulden und unehrenhaften Betragens gegen seine Gläubiger ein halbes Jahr später den Dienst quittiren mußte, brachte mich auf den Verdacht, den ich ihm selber ausgesprochen habe, als er später, nach der Abreise Haldenwang’s und Malwinens nach Griechenland, hierher kam, um die Aufsicht über Haldenwang’s Besitzungen zu führen; es mochte das ein Posten sein, den der Letztere dem entfernten Verwandten aus Mitleid gab, weil er sonst nirgends ein Unterkommen hatte. Ich sagte ihm geradezu: ‚Damals haben Sie mich auf’s Schmählichste getäuscht, Herr von Maiwand. Sie waren es, der in der Klemme war, Sie selbst, dem ein Wucherer vielleicht mit der Wechselhaft drohte, und da mißbrauchten Sie den Namen Ihres reichen Vetters, um mir die Summe abzuschwindeln, deren Sie augenblicklich bedurften. Sie mochten die Hoffnung hegen, die Summe bei irgend einem andern Wucherer in den nächsten Tagen aufzutreiben und sie mir zurückzubringen – ich will das glauben, und es war ja natürlich, denn Sie konnten nicht wünschen, daß Ihr Vetter je den Betrug erfahre; aber leider kannten die sämmtlichen Wucherer der Stadt wohl Ihren Namen zu gut, und keiner that Ihnen mehr den Gefallen.‘“

„Und was antwortete er?“

„Mit einer beneidenswerthen Ruhe antwortete er: ‚ich sei ein mißtrauischer Geselle, aber lächerlich mit meinem Argwohne. Uebrigens mißgönne er mir das Privatvergnügen nicht, mir die Sache so auszulegen, müsse sich aber alle Erörterungen darüber verbitten, da es sich um eine alte längst abgethane Geschichte handle und durch Malwinen alles ausgeglichen sei; ob mein ehemaliger Chef sein Geld zurückerhalten von Haldenwang oder von Haldenwang’s Frau, das sei völlig dasselbe und darüber jetzt noch zu reden gänzlich überflüssig. Auch warne er mich vor solchen Reden, und namentlich, daß ich Malwinen einen solchen Verdacht einflöße; er werde mich dann als Verleumder dem Staatsanwalt anzeigen, und es werde mir schwerlich angenehm sein, von diesem über meine kurze Laufbahn als Cassirer in der Hauptstadt in’s Verhör genommen zu werden.‘“

„Der freche Schurke!“ rief Landeck aus.

„Daß dieses Wort nicht zu hart ist, habe ich leider noch so eben gesehen,“ versetzte Rudolph; „wäre eine Spur Gewissen und Scham in ihm, so würde er heute gethan haben, wozu ich ihn im Namen von Pflicht und Ehre aufforderte …“

„Und was verlangten Sie von ihm?“

„Auch das will ich Ihnen erklären. Ich sagte Ihnen, daß Malwine sich damals von ihrem Vormunde ihr ganzes Vermögen ausantworten ließ. Mein Vater weiß nun aus Haldenwang’s eigenem Munde, daß Malwine diesem kein Vermögen zubrachte. Zur Erklärung scheint sie ihm gesagt zu haben, sie habe es ihrem Vormunde zu seinem Etablissement gelassen – gewiß hat sie ihm die Beschämung ersparen wollen, ihm zu gestehen, daß sie seine angebliche Spielschuld, an welche sie selbst ja noch immer glaubt, gedeckt habe. Ich habe zu meiner unsäglichen Zerknirschung erfahren müssen, daß mein Vater meinen Oheim der Abscheulichkeit bezichtigt, seiner Mündel Vermögen unterschlagen, für sich selbst verwendet zu haben. Und nun – als ob die unseligen Folgen dieser entsetzlichen Geschichte gar kein Ende haben sollten, ist mir noch der schreckliche Verdacht gekommen, daß mein Oheim Gottfried wieder mich schuldig glaubt, durch eine tolle Verschwendung in der Hauptstadt und einen Griff in die mir anvertraute Casse Malwinen gezwungen zu haben, zu meiner Rettung ihr Vermögen hinzugeben. Was in der Welt sonst könnte ihn so hartnäckig, so unerbittlich gegen meine Bewerbung um Elisabeth’s Hand machen, die er mir ohne Angabe eines Grundes verweigert? Darum verlangte ich von Maiwand, daß er mit mir vor meinen Vater trete und diesem rund und offen heraus die Wahrheit erkläre: wohin Malwinens Vermögen gegangen; daß er dem Herrn Escher, meinem Oheim, sage, wodurch die Lücke in der Casse meines ehemaligen Chefs entstanden sei, die Malwinens Vermögen ausgefüllt habe.“

„Was er natürlich verweigert?“

„Sie selbst haben es gehört.“

„Aber ich sehe nicht ein,“ fuhr Landeck fort, „daß Sie deshalb zu verzweifeln haben. Klären Sie ganz einfach Frau von Haldenwang über Alles auf, und bitten Sie ebenso einfach Ihre Cousine, das zu thun, wozu Sie Maiwand nicht gewinnen können! Sie kennt ja dann den Zusammenhang der Dinge ganz ebenso gut, und kann Ihnen sowohl bei Ihrem Vater wie bei dem Oheim Escher als Zeugin dienen. …“

„Ah“ – rief Rudolph achselzuckend aus, „wenn ich auch Maiwand’s Drohungen trotzen wollte, glauben Sie, daß diese argwöhnischen Männer den bloßen Worten Malwinens irgend glauben, irgend etwas Anderes darin sehen würden, als ein kleines zwischen uns jungen Leuten geschmiedetes Complot?“

„Der Argwohn scheint freilich etwas wie eine Erbkrankheit in Ihrer Familie – aber ich meine doch …“

„Was Sie auch meinen,“ unterbrach ihn Rudolph, „Sie vergessen, daß Herr von Maiwand, der Edelmann, der ehemalige Officier, ihnen ein Ehrenmann scheint.“

Landeck schüttelte befremdet den Kopf.

„Ich werde niemals,“ fuhr Rudolph fort, „einen Glauben, ein Vorurtheil, das diese beiden Männer seit Jahren mit sich herumgetragen haben, und das so viel Zeit hatte, sich in ihnen festzusetzen, durch bloße Worte und ohne schlagende Beweise in Händen zu haben, umstoßen – es sei denn durch Maiwand’s eigenes Geständniß.“

„Und wie ihn dazu zwingen?“ rief Landeck jetzt aus. „Wenn wir auch den Doctor Iselt als Dritten im Bunde heranzögen, ich sehe dennoch kein Mittel, wie wir dieses Menschen Herr würden.“

„Den Doctor Iselt?“ fragte Rudolph. „Weshalb glauben Sie, daß er dabei ein Bundesgenosse für uns sein würde?“

„Er scheint eine besondere Abneigung gegen Maiwand zu haben; er hat vorhin in mir den Verdacht rege gemacht, daß dieser sich mit irgend einer bösen Absicht gegen Malwinens Eigenthum, mit einer betrügerischen Operation trägt, die sie gefährdete.“

Landeck erzählte Rudolph von dem Auftrage, den Malwine ihm gegeben, und dann den Inhalt seines Gesprächs mit dem Doctor.

„So wäre es ja eine wahre Wohlthat für die Welt, wenn Sie diesen Menschen im Duell erschössen, bevor er irgend eine

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