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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


sie selbst am eisernen Schlosse nicht gekannt und wie nur die moderne Maschine bei tausendfacher Wiederholung sie herzustellen pflegt. Ein ebenbürtiger Genosse dieser Vorlegeschlösser sind die Hufeisen in der Größe von einem Groschen bis zu einem Thaler; Jockeymützen, Reitgerten und Sattelzeug als Ohrring schließen sich demselben würdig an.

Hierbei sei, für die deutschen Frauen wenigstens, bemerkt: dieser Jockeyschmuck stammt, wie so vieles andere Gute und Schlechte, aus Frankreich. In Paris ist es üblich, daß die Damen für besondere Gelegenheiten sich Phantasietoiletten erdenken: bei Kahnfahrten erscheinen sie in einer Art von phantastischem Matrosencostüm, bei Jagdgelegenheiten wird der Anzug mit der Darstellung von Jagdgeräthschaften geschmückt und bei den großen Pferderennen, bei denen Alt und Jung hinausströmt, die der Sammelplatz der ganzen und halben Welt sind, mögen denn auch als Phantasiestücke und Abzeichen der Huld, in welcher die edle Renngesellschaft bei den Damen steht, derartige Schaustücke getragen werden. Das ist ein halb scherzhaftes Vorgehen, dem Niemand seine Berechtigung absprechen wird, aber wenn die Französinnen wüßten, daß man diese Eintagsfliegen der Mode in Gold und edlen Steinen nachahmt und mit einem derartigen Schmucke in Theatern und Concerten, auf Promenaden und schließlich bei soliden Hochzeiten und Kindtaufen erscheint, so würden gerade sie, welche die Formen erfunden haben, die Ersten sein, welche uns über deren geschmacklose Anwendung verhöhnten.

Andere von den modernen Schmucksachen erscheinen ehrbarer. Dahin gehören die Armbänder in Manschettenform. Diese Idee, thöricht an sich, wird nun sofort in allen Consequenzen ausgebeutet. Die ursprüngliche Form der Manschette entsteht aus der Natur ihres Materials, welches aus Leinewand und Spitzen besteht; sie hat nur Sinn als Ueberschlag des Hemdärmels und muß ihrem Stoffe nach als zugehörig zu demselben erscheinen können. Nun aber trägt man die Manschette am bloßen Arme und noch dazu von Gold! In dem Golde ahmt man womöglich die Stiche und Nähte nach; durch Knöpfe und Knopflöcher soll Alles zugeknöpft erscheinen, was sich doch auf den ersten Blick als feste, unbewegliche Masse kennzeichnet. Schließlich vergißt man dann wieder, daß man eine Manschette nachahmt und setzt mitten hinein schwere Steine oder legt auch einen Balken quer darüber, der wiederum mit Steinen besetzt ist. Dieser Querbalken spielt überhaupt eine verhängnißvolle Rolle und legt sich ebenso rücksichtslos über Ohrgehänge, Halsschmucksachen und Medaillons. Daß man sich eine Spinne von bunten Steinen durch das Haar laufen läßt, daß eine Brustnadel wie ein Schwefelholz oder wie ein vierköpfiger Hufnagel aussieht, der durch die seidene Binde hindurchgetrieben ist, darüber wundert man sich schon gar nicht mehr, sondern begrüßt es womöglich als eine hübsche neue Idee.

Was konnte uns nun aus dieser Verwilderung retten? Man wies auf die classischen Vorbilder hin, und bald fand sich eine Reihe von Musterzeichnern und Fabrikanten, welche dieselben benutzten. Zuerst geschah dies ziemlich plump. Man nahm einzelne Ornamentformen heraus, Palmetten, Greifenköpfe, Sphinxe, die heiligen Käfer der Aegypter, die Scarabäen, und brachte dieselben ebenso zusammenhangslos auf den Reifen, Brochen und Ohrringen an, wie man es vorher mit den Jockeymützen und bunten Steinen gethan. Damit ist aber der Sache noch nicht geholfen. Nicht auf die Einzelheiten der griechischen oder ägyptischen oder sonst einer guten, als Vorbild empfehlenswerthen Kunstperiode kommt es an, sondern auf den Geist, in welchem jene alten Arbeiten erfunden sind. Verstehen muß man lernen, was an denselben Gutes ist, und diese guten Eigenschaften in geeigneter Weise für unsere modernen Zwecke benutzen. Nirgends ist dies leichter als auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst. Die äußerlichen Bedingungen sind seit der Zeit der Griechen wesentlich dieselben geblieben. Arm und Nacken unserer Frauen rundet sich in denselben Formen wie der jener Griechinnen, für welche die köstlichen Arbeiten ersonnen sind, die jetzt als edelste Vorbilder unsere Sammlungen zieren. Durch die lebendigen Locken der blonden Scheitel unserer Frauen läßt dasselbe Diadem sich flechten, dessen zerfallene Reste wir aus einem Grabe erhoben haben, einem Grabe, dessen Decke sich vor zweitausend Jahren über dem Antlitz einer Griechin geschlossen hat. Jene goldene Spange, die Jahrtausende im Grabe nordischer Hünen geruht, kann unverändert den Arm der letzten Enkeltochter schmücken.

Die Reform unseres Goldschmuckes ist davon ausgegangen, daß man unverändert die griechischen Vorbilder copirte. Castellani in Rom gebührt hierin das hauptsächlichste Verdienst. Er ist es, der die Arbeiter wieder herangezogen hat, und wunderbarer Weise hatten sich in den kleinen italienischen Felsennestern, an welchen die Cultur des letzten Jahrtausends fast spurlos vorübergegangen war, die Traditionen der alten Goldschmiedekunst erhalten, welche sonst in der ganzen Welt erstorben war. Aus Italien bekamen wir diese trefflich gelungenen Nachbildungen endlich wieder, jene Urtypen des menschlichen Schmuckes, welche seitdem eine heilsame Umwälzung zum Besseren angebahnt haben.

Und was ist es denn, wodurch diese griechischen Arbeiten so mustergültig werden? Es sind wie auf allen Gebieten des Lebens und der Kunst Einfachheit, guter Verstand und gerader rechter Sinn. Jedes Schmuckstück ist nur das, was es sein soll, und nichts anderes. Das hört sich so einfach an und scheint doch so schwer zu begreifen. Man sucht keine Absonderlichkeiten, sondern nimmt die Formen, die sich von selbst ergeben. Das Stirnband, wenn es durch die Haare geschlungen werden soll, ist ein glatter Streifen, von seinen Rändern eingefaßt, der mit werthvollen Stücken besetzt ist, die einfach neben einander gereiht sind, mögen dies Steine, Perlen oder sonstige Kostbarkeiten sein, aber es ist dafür gesorgt, daß die einzelnen Stücke im Zusammenhange ein fortlaufendes Band bilden. Soll dieses Stirnband nicht von den Haarflechten halb überdeckt sein sondern sich frei über der Stirn erheben, so wird es zum Diadem, das nach oben ausstrahlend das menschliche Haupt krönend abschließt. Dann kann es nicht mehr ein glatt fortlaufendes Band sein, sondern muß, entsprechend der Form des menschlichen Hauptes, auf dem Scheitel einen krönenden Mittelpunkt haben; am unteren Rande wird der Abschluß gegen das Haupt durch kräftig ausgedrückte Querstreifen bezeichnet; darüber entwickeln sich die Blätter der Palmetten, in die Höhe wachsend und nur durch ihr eigenes Gewicht die Spitzen senkend, damit sie nicht stachlicht in die Höhe starren, sondern sich gleichsam leise wiegend, nicht unähnlich der Art der sie umspielenden Locken, das Haupt umgeben.

Wenn irgendwo, muß hier der Charakter der Schwere vermieden werden, falls er nicht beabsichtigt ist, um einen besonders monumentalen und majestätischem Eindruck hervorzubringen. Wie beim Diadem Alles in die Höhe strebt, wird sich beim Ohrgehänge Alles niederhängend und freischwebend zu gestalten haben. In anmuthigen Schwingungen soll das Gehänge die Bewegung des Kopfes begleiten und den Formen desselben einen zierlichen Abschluß gewähren. Hier ist Alles zu verbannen, was als schwer oder herabziehend erscheinen könnte, was eine horizontale, gleichsam feindlich gegen den Kopf gerichtete Bewegung annehmen könnte. Wie unendlich fein und geistreich sind hierbei die Griechen zu Werke gegangen! Hängende Knospen und Blüthen, vor Allem aber schwebende Figürchen liebten sie an dieser Stelle anzubringen und auch nur solche Figürchen, die als geflügelte Wesen von selber zu schweben schienen. Hier schaukelten sich anmuthige Liebesgötter, bald auf einer Taube, dem heiligen Vogel der Venus, reitend, bald die Flöte blasend, bald auch den Finger auf den Mund legend als zierliches Zeichen des Schweigens und gleichsam herausfordernd zum vertrauensvollen Geständnisse. Auch die leichte Schaar der Siegesgöttinnen, geflügelte Genien, Kränze und Blumen tragend, sowie flatternde Vögel fanden hier ihre Stelle. Wie traurig roh und gedankenlos erscheint hierneben fast Alles, was unser modernes Kunstgewerbe an eigenen Erfindungen zu bringen gesucht hat! In welche Verkehrtheiten ist man verfallen! Habe ich doch auf einer der Weltausstellungen in dem Kasten eines englischen Juweliers als Ohrgehänge Strickleitern gesehen, auf welchen kleine Matrosen, die Fahne schwingend, hinaufkletterten, und diese Stücke beanspruchten noch, jenen griechischen Gedanken in moderner Form ausgeführt zu haben.

Ebenso anmuthig, wie Diadem und Gehänge, war der Halsschmuck der antiken Kunst, ein Gefüge aus feingegliederten Ketten; geschmeidig genug, um der zartesten Biegung des Halses zu folgen und doch zugleich voll genug, um in fester Weise die Abgrenzung zu markiren, vertheilte er sich nach unten hin in ein Flechtwerk von Ketten und zierlichen Bommeln, welche glatt hängend eine fest geschlossene Masse bildeten, aber auf der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_372.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)