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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Wölbung des Halses aufliegend sich zierlich öffneten und, jeder Bewegung der Muskel folgend, sich in jedem Augenblicke theilten und wieder schlossen.

Ebenso sinnreich war das Armband erfunden. Eine Spange legte sich um den Arm entweder in den Windungen einer Schlange, deren Kopf und zierliches Schuppenwerk durch sorgfältig ausgeführte Arbeit bezeichnet war, oder in der Form eines Reifes, ähnlich wie das Stirnband, mit aufgesetzten Rosetten oder werthvollen Steinen geschmückt. Das Schloß bildete ein rundes, reichgeschmücktes Schild, oder es waren Köpfe, die sich in einander bissen. Manchmal bestand es aus runden Perlen oder ovalen Schildern, die an einander gereiht waren; stets aber war der Charakter des ringförmig Umschließenden gewahrt, so mannigfach auch die gegebene Form sein mochte.

Es giebt in den technischen Künsten, als deren Leiterin die Architektur dasteht, eine Reihe von Ausdrucksformen, welche man mit den Hülfszeitwörtern, mit den Präpositionen und Conjunctionen der Sprache vergleichen könnte. Das Sein, das Werden, das Oben und Unten, das An und Bei, das Herum und Zwischen – das Alles und die Verhältnisse, welche sich in allen Kunstformen, beim größten Tempelbau, wie beim Kleiderschrank und beim Ohrring, wiederholen. Diese müssen klar und deutlich ausgedrückt werden, dann kann man nachher alle Details in freier Phantasie bilden, und diese klare Formensprache, diese verständige Grundlage ist es, die wir vor Allem aus der griechischen Kunst zu lernen haben. Unsern Schatz an Vocabeln können wir schließlich aus allen Sprachen und aus allen Zeiten bereichern, gewöhnlich aber geschieht bei uns Letzteres ohne das Erstere. Man greift beliebig hier ein ägyptisches, dort ein assyrisches, hier ein indisches und dort ein indianisches Motiv heraus und glaubt damit etwas gewonnen zu haben. Nichts hat man gewonnen als eine Neuigkeit, um Unwissende zu blenden. Der wirkliche Gewinnst bleibt immer nur der an Verständniß und gutem Sinn.

Das Gebiet, auf welchem eine Erweiterung zu suchen ist, wird vielmehr das der Technik sein. In der allgemeinen Verschlechterung unserer Goldschmiedekunst sind auch die feinen technischen Arbeiten, auf welchen der eigentlich reiche Glanz beruht, mehr und mehr verschwunden. Man begnügt sich mit der goldenen Platte und mit Steinen von bestimmtem Werth. Wie viel reicher waren andere Zeiten! Das Gold wurde selten allein, meist in Verbindung mit verschiedenfarbigen Materialien angewandt. Das Gold selbst nimmt verschiedene Färbungen an. Röthlich, hellgrün und blaßgelb mit einander verbunden, strahlt es in zauberischem Glanz. Hierzu fügen sich die farbig schimmernden Steine und vor Allem die fein aufgeschmolzenen Glasflüsse, die Schmelzfarben des Email. In feinen Fäden ausgezogen, spinnt und knotet sich Silber und Gold im Filigranwerk zu zierlichen Schnecken und Maschen; in feinster Körnung giebt es der Oberfläche einen sammetweichen Schimmer. Zu den bunten Steinen reihen sich die Erzeugnisse des Meeres, die bläulich schimmernde Perle und die Koralle von blasser Fleischfarbe bis zum tief-dunkelglühenden Roth. Den figürlichen Schmuck geben die geschnittenen Achate und Muscheln im zierlichen Kameo; die bunten Steine und Glasstifte fügen sich im Mosaik zu graziösen Bildungen; auf der Emailplatte entstehen die feinsten und duftigsten Malereien. Alle diese Materialien wollen ihrem Werth und ihrem Charakter nach besonders behandelt sein; keines derselben ist dem andern in Form und Farbe, in Größe oder Leuchtkraft gleich.

Dem Brillanten mit seinen strahlenden, von allem Körperlichen gleichsam befreiten Feuer wird sich das werthlosere Metall bescheiden unterordnen müssen. Die Fassung mag ganz verschwinden, damit die Steine wie Sterne aus den dunkeln Locken hervorleuchten. Bei der schweren Mosaikplatte wird der Rahmen voll und kräftig sein müssen, um die zusammengesetzten Steine gleichsam festzuhalten und die dunkle Masse des Grundes wirksam von der Umgebung loszuheben. Kleine an sich werthlose Steine und Perlen wird man in ein Netzwerk von goldenen und silbernen Fäden verstricken, damit sie, zusammengefaßt, als ein Ganzes wirken; die große Perle dagegen wird man möglichst von aller störenden Umgebung befreit erscheinen lassen. Die von der Natur gegebenen Formen der Perlen und Korallen werden ebenso viele Veränderungen hervorrufen und bedingen.

Hier ist das Feld, auf welchem Geist und Erfindungskraft des Goldarbeiters sich siegreich bewähren können, aber an den Grundformen der Stücke, auf welchen der eigentliche Ausdruck beruht, an dem künstlerischen Grundgedanken soll und darf man nicht ändern. Es ist ja natürlicher Weise nicht möglich, in diesen Besprechungen auf alle Einzelheiten einzugehen. Wir möchten daher auf ein Unternehmen hinweisen, das auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst mit gutem Willen und tüchtigen Kräften diesen verständigen Weg betreten hat. Ein in Berlin erscheinendes, in den Handwerkstätten der Juweliere sehr verbreitetes Blatt, „Die Perle“, herausgegeben von einem anerkannt tüchtigen Musterzeichner, Martin Gerlach, welcher selber Juwelier von Fach ist, enthielt in seinen früheren Heften bis vor kaum einem Jahre nichts als die landläufigen Muster, welche wir in den meisten Juwelierläden zu sehen gewohnt sind. Seit Anfang des Jahres 1874 jedoch hat dieses Blatt eine vollständig andere Bahn eingeschlagen und zum ersten Male versucht, in fortlaufenden Veröffentlichungen der deutschen Goldschmiedekunst gute und stylgerechte Muster zuzuführen.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Anstoß hierzu von Niemand Geringerem ausgegangen ist, als dem Kronprinzen des deutschen Reiches. Auf die Zuschickung einiger Nummern des alten Blattes, welche demselben, als Gönner aller kunstgewerblichen Bestrebungen, vorgelegt wurden, erhielt der Herausgeber neben dem üblichen Dank für die gute Absicht die kategorische Antwort, daß er sich doch besserer Muster befleißigen möge, und in Besitz dieses an die Cabinetsordres des alten Fritz erinnernden Schreibens hat der Herausgeber, mit Unterstützung des deutschen Gewerbemuseums in Berlin, es nunmehr dahin gebracht, daß sein Blatt wirklich verständige und zugleich brauchbare Muster enthält, welche, ganz unabhängig von französischen Modejournalen, in selbstständiger Entwickelung guter Formen Anerkennenswertes leisten, welches zugleich den Goldschmieden den Weg weist, wie sie mit Benutzung der gegebenen Muster Neues und Verständiges schaffen können. Die hier eingefügten Muster sind jenem Blatte entlehnt.




Ein Abenteuer in Santorin.


Ende der sechsziger Jahre, einige Monate, nachdem in dem Hafenbecken von Santorin die Knechte des Feuergottes ihre Thätigkeit wieder aufgenommen hatten und neben den zwei alten erloschenen Feueressen auf Mikro und Nea Kaimeni eine neue entstanden war, kam ich an Bord der Fregatte R… nach Santorin. Wir ankerten ungefähr in der Mitte zwischen der Hauptinsel Thira und den großen Lavahaufen, welche unter dem Namen der Kaimeni- (verbrannten oder brennenden) Inseln bekannt sind. – Santorin bildet bekanntlich im Südosten des griechischen Festlandes mit Anaphi die südlichste Gruppe der Cycladen-Inseln; in nächster Nähe derselben stiegen im Jahre 1707 mehrere brennende Krater aus dem Aegäischen Meere empor. Die Insel selbst hat die Gestalt eines nach Westen offenen Halbmonds oder der größern Hälfte eines ehemaligen Rundwalles, von dessen östlichem Theile ein großes, etwa ein Sechstel eines Kreises betragendes Bruchstück, die Insel Therasia, und südlich davon ein ganz kleines, der Felsen Aspro, übrig sind, so zwar, daß von Nordwesten her eine engere, von Südwesten eine weite Einfahrt, nur durch die kleine Felseninsel Aspro unterbrochen, in das Becken von Santorin führen, in dessen Mitte die drei Kaimeni-Inseln Mikro, Nea und Paläa Kaimeni liegen. Von diesen trägt Mikro Kaimeni einen alten erloschenen Eruptionskegel, zweihundertzwanzig Fuß hoch, dessen Aschendecke schon etwas Vegetation zeigt; südwestlich von dieser Insel sehen wir Nea Kaimeni, nur durch einen schmalen Canal von der ersteren getrennt; zwei Eruptionskegel liegen in der Nähe, der eine dicht am Canal, viel jünger als der erstgenannte, aber auch erloschen (250 Fuß hoch), der andere, weiter abseits, ungefähr dritthalb

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_374.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)