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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


es, daß es galt, einen politischen Gedanken anzuregen, die Ueberzeugung von der Wahrheit desselben zu verbreiten, Andere für ihre Ansicht zu gewinnen oder ein etwa gehegtes Mißtrauen zu beseitigen.

In allen Fällen, in denen es darauf ankam, die Zustimmung für etwas zu erlangen, vermochte die Herzogin mehr als selbst ihr so berühmter sogenannter Oheim. Diese Vorzüge und ihre seltene Beredsamkeit sicherten ihr daher auch einen großen politischen Einfluß, und sehr oft unterstützte sie durch dieselben die Thätigkeit des Fürsten, glich Widersprüche aus, die er fand, ersparte ihm viele Hindernisse und führte ihm wirksame Kräfte zu, bevor er noch mit Anderen angeknüpft hatte, oder mit sich selbst ganz im Klaren war. „Oefter war“ – wie der französische Biograph dieser Dame bemerkt – „diese so feine und so feste Klugheit, welche unter der Hülle der Grazie weniger mächtig erschien, den berühmten Fürsten in ganz bestimmter Weise hülfreich, bestärkte ihn in seinen Entschlüssen oder schmückte mit ganz besonderer Kunst die Form aus, welche sie denselben geben wollte.“

Diese so schön vertretene Ueberlegenheit machte sie in verschiedener Weise geltend. Mehrere Noten des Fürsten, sowie einige seiner Briefe an Louis den Achtzehnten und an andere Souveräne, selbst ganz vertrauliche, von ihm selbst copirte Briefe, lassen in manchen lebhaften und delicaten Ausdrücken, in manchen geschickt überredenden Wendungen die Hand der Herzogin Dino erkennen. Dieser Dame verdankt Talleyrand viele seiner nicht nur auf denn Wiener Congresse erzielten politischen und diplomatischen Erfolge.

Der Herzogin Dino stand die Fürstin Bagration würdig zur Seite, wenngleich ihre politische Thätigkeit bedeutend beschränkter war und ihre äußeren, wie geistigen Vorzüge denen der Herzogin nicht gleichkamen. Sie nahm in ihrem Salon die politischen Interessen Rußlands wahr und bemühte sich mit vielem Erfolge, die ihr gegebenen Aufträge in der einnehmendsten Weise zu erledigen. Denn vor allen andern Mächten war es ganz besonders Rußland, das sich bemühte, unter der Hand das ihm Wichtige auskundschaften zu lassen, Intriguen anzuspinnen und allerlei ihm nützliche Verwicklungen zur Erreichung seiner politischen Ziele herbeizuführen. Wir haben bereits früher die großen Vorzüge näher bezeichnet, welche die Fürstin besaß und welche sie ganz besonders zu der ihr gestellten Aufgabe befähigten. Durch den Zauber ihres ausgezeichneten Benehmens, ihre aristokratische Vornehmheit und feinen Formen, welche damals die diplomatischen Salons in Petersburg zu den ersten der Welt erhoben, übte sie daher auch eine seltene Wirksamkeit während des Congresses aus, wie sie kaum ein gewiegter Diplomat besser zu erzielen vermocht hätte. In welcher Weise und durch welche Mittel dies geschah, ist bereits früher angegeben.

Offener in ihren politischen Bemühungen auf dem Congreß ging die Fürstin Lubomirska zu Werke. Es war bekannt, daß sie zur Wiederherstellung ihres Vaterlandes weder Mühe noch Mittel scheute, und man fand in ihrem Salon stets viele ihrer Landsleute, mit welchen sie im Geheimen über die Mittel und Wege zur Wiederherstellung Polens berieth, zu welcher sich der Kaiser von Rußland nicht abgeneigt zeigte. Hierauf beschränkte sich jedoch die politische Thätigkeit dieser Dame, und daß diese eben eine fruchtlose gewesen, hat uns die spätere Theilung Polens gezeigt.

Wie weit die politische Thätigkeit der Prinzessin von Thurn und Taxis, die Preußens, sowie diejenige der Lady Castlereagh, die Englands, und der Gräfin Bernstorff, die Dänemarks Interessen vertrat, reichte, läßt sich nicht mit Genauigkeit bestimmen. Diese drei Damen eröffneten jedoch auch bereits vor Beginn des Congresses ihre Salons in Wien und sollen außer in der Unterhaltung ihrer Gäste auch für die Erledigung der ihnen ertheilten diplomatischen Aufträge thätig gewesen sein.

Wir schließen die Gallerie der auf dem Congreß Politik treibenden Damen mit der bereits erwähnten Herzogin von Sagan. Diese Dame bildete den Mittelpunkt eines sehr lebensvollen Kreises, in welchen die höchsten Fürsten und bedeutendsten diplomatischen Personen vertreten waren. Ihr einnehmendes, gütiges und zugleich energisches Wesen wirkte mit siegender Macht. Trotzdem theilten sich die Meinungen über ihre politische Thätigkeit auf dem Congreß. Auf der einen Seite sprach man ihr den Ehrgeiz ab, trotz ihrer seltenen Befähigung eine politische Rolle zu spielen, und fand diese Zurückhaltung und Beschränkung ihrer Thätigkeit auf das eigentliche Gebiet der Frauen als überaus bemerkenswerth, während Andere, in die Umtriebe auf dem Congreß näher Eingeweihte diesem Gerücht widersprachen, indem sie den Beweis führten, daß die schöne Herzogin ihren Einfluß, den sie bereits früher auf Metternich ausgeübt hatte, auch während des Congresses in entscheidenden Momenten geltend zu machen bemüht wäre. Jedenfalls ist festgestellt, daß die Herzogin durch ihr einschmeichelndes Wesen zu Gunsten Metternich’s auf den Kaiser Alexander zu wirken bedacht gewesen, sowie, daß der verschwenderische Staats-Kanzler früher aus ihrer Hand im Auftrage Rußlands bedeutende Summen empfangen hat.

Wenn wir das Treiben auf dem Congreß und dessen fruchtlosen Ausgang näher betrachten, wenn wir erwägen, daß derselbe eigentlich nur aus unaufhörlichen Belustigungen bestand, in denen die Salons eine hervorragende Rolle spielten, werden wir erst die damalige Thätigkeit und Bedeutsamkeit der Damenwelt erschöpfend würdigen können. Freiherr von Stein, der sich damals gleichfalls in Wien befand, spricht sich darüber in folgender Weise aus: „Die Salons haben einen verderblichen Einfluß auf die Geschäfte; sie vereinigen die Staatsmänner, die Ränkeschmiede und die Neugierigen, erleichtern die Verbindungen und Ausplaudereien, und die Rückwirkung der Geschäfte auf das gesellige Leben ist nicht weniger verderblich; sie verursachen Zwang und Aufregung und verbannen Fröhlichkeit und Zutrauen.“

So der berühmte Staatsmann über das Treiben in den Salons des Wiener Congresses.




„An der Saale kühlem Strande“.


Von all den Tausenden, welche alljährlich das Fernweh nach dem unversiechbaren Jungbrunnen der Thüringer Berge ergreift und aus dem Staube und Lärm der Städte hinaustreibt in das tannengrüne schattendunkle Reich des Waldes, wendet sich oder wandte sich doch bisher die große Mehrzahl dem nordwestlichen Theile Thüringens zu, besonders deshalb, weil dessen schönste Punkte von Eisenach ab am schnellsten und bequemsten zu erreichen waren. Und doch kann sich der Südosten Thüringens gar wohl mit den Orten des nordwestlichen Theils messen, denen die Hauptmasse der Waldfahrer zuströmt. Denn wo wäre wohl in diesem ein Thal von so ursprünglicher Frische und Waldespracht, wie das Schwarzathal? Oder giebt es wohl überhaupt ein harmonischeres Waldbild, als Schwarzburg vom Brockenhäuschen des Tripsteinfelsens aus? Und hat nicht der Südosten Ilmenau und seine anmuthige Umgebung, Paulinzelle mit seiner herrlichen Klosterruine?

Freudig mußte daher ein Unternehmen begrüßt werden, welches dem längst und schwer empfundenen Mangel der schnelleren und bequemeren Erreichbarkeit der südöstlichen Hälfte des Thüringer Waldes Abhülfe schafft. Dieses Unternehmen ist die am 1. Mai 1874 eröffnete Saalbahn, welche bei Großheringen, einem Dörfchen zwischen Kösen und Sulza, von der Thüringer Bahn abzweigt, in Saalfeld, wo sie sich mit der Gera-Eichichter Bahn vereinigt, endet und den Reisenden von Halle oder Leipzig ab in etwa fünf Stunden nach Rudolstadt oder Schwarza und damit mitten hinein in’s Thüringerland, dicht vor die schönsten Partien des Südostens führt. Sie ist aber nicht nur der schnellste, sondern auch der schönste Weg nach jenem Theile Thüringens; denn durch sie ist es möglich, auch das an malerischen Landschaftsbildern reiche Saalthal mit Aufwand geringer Zeit kennen zu lernen, und so führt sie daher nicht blos Thüringen eine größere Zahl walddurstiger Pilger zu, sondern sie erschließt zugleich erst der Reisewelt das schöne, bisher nur spärlich besuchte Saalthal.

Ihm nun und seiner Bahn sei von der Gartenlaube ein Besuch abgestattet, indem sie heute ihren Lesern das umstehende

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_433.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)