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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 28.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.


Hund und Katz’.
Eine Geschichte aus dem bairischen Oberlande.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


„Da hast Du ein Darangeld auf Deinen Kuppelpelz, Du alter Wettermacher!“ rief Kuni dem Hochzeitbitter zu. „Wenn das Deine ganze Gescheidtheit ist, dann kannst Du sie zu den Scherben werfen und Dich heimgeigen lassen. Gieb das Hochzeitladen auf, wenn ich Dir gut zu einem Rathe bin, und laß Dich irgendwo auf ein Hausdach stellen als Wettermannl!“

Sie verschwand in der Hausthür. Verblüfft sah ihr der Alte nach; er bedurfte einige Augenblicke, bis ihm die in der Kehle stecken gebliebenen Worte wieder flott wurden. „Ja, wie ist mir denn jetzt gescheh’n?“ fragte er dann. „Jetzt weiß ich nicht, bin ich übergeschnappt oder ist es das Madel? Was hat denn das zu bedeuten?“

„Gar nichts,“ erwiderte der Bauer, „als daß Du Deine Sach’ so gescheidt gemacht hast, daß Du sie nimmer dümmer hättest machen können.“

„Ja, aber warum denn? Das ist ja doch völlig unbegreiflich,“ unterbrach ihn der Alte. „Der Sylvest ist doch ein prächtiger Bursch, und wenn er auch der jüngere Sohn ist und den Buchmaierhof einmal sein älterer Bruder bekömmt – bringt er doch einen Sack Geld mit, wie er sich für den gehört, der Dein Schwiegersohn werden will. Ist er nicht Einer der Schönsten vom ganzen Burschet (Gesammtheit der Bursche) weit und breit? Ist er nicht auch brav und ordentlich und fleißig?“

„Alles wahr,“ schaltete der Bauer ein. „Der Vestl wäre mir auch ganz recht, aber wenn ich keinen anderen Schwiegersohn bekomm’ als den, dann freut mich mein Leben, dann darf ich warten, bis die Kuh einen Batzen gilt. Den nimmt das Mädel nicht – da geht sie eher in den See, wo er am tiefsten ist, als daß sie den nimmt.“

„Na, das muß ich sagen, das ist mir zu rund,“ rief der Hochzeitlader. „Warum nimmt sie ihn denn nicht? Ist sie denn mit Blindheit geschlagen auf ihren blauen Augen, mit denen sie Einen durch und durch schauen kann? Ich hab’ Dein Schweizerwägel vor dem Hause stehen seh’n. Du wirst wohl auf den Dießner Markt fahren wollen. Nimm Deine Tochter mit! Der Vestl wird gewiß da sein. Du weißt ja, daß er’s gern ein Bissel anders treibt als die gewöhnlichen Burschen, daß er überall mehr wissen und verstehen will, als die Andern, und daß er deswegen freiwillig mit dem Könige Otto hinein ist in’s Griechenland. Jetzt ist seine Zeit um; vor ein paar Tagen ist er wieder heim gekommen. Wenn ihn die Kuni sieht in seiner Hulanen-(Ulanen) Uniform, mit dem Kreuzel auf der Brust und mit dem Schnurrbarte wie ein General, und wenn sie sich dann nicht Knall und Fall bis über die Ohren in ihn verliebt – nachher, nachher will ich meine Hochzeitladerei aufgeben und mit der Haselgerte hinter den Gänsen d’rein laufen.“

„Das nützt Alles nichts,“ sagte der Bauer. „Du kennst das Madel nicht. Wenn sie einmal ihren Kopf aufgesetzt hat, bringt sie nichts mehr herum, und wenn sie eine Ahnung davon hätt’, daß sie in Diessen dem Sylvest begegnen könnt’, brächt’ ich sie mit zehn Pferden nicht hin. Sie ist sonst ein richtiges Leut und die gute Stund’ selber. Ich wüßte nicht, daß sie eine Feindschaft hätt’ gegen irgend einen Christenmenschen, aber der Sylvest, der ist ihr zuwider wie Gift und Opperment, und wenn sie nur von ihm hört, geht es ihr wie einem Indian (Truthahn), dem man ein rothes Tuch vorhält.“

„Aber warum ist er ihr denn so zuwider?“ fragte der Alte, der mit offenem Munde zugehört hatte. „So was ist ja in der ganzen Welt nicht erhört. Hat er ihr denn was angethan?“

„Beileibe nicht. Das ist so mit ihr aufgewachsen und mit ihm auch; von klein auf haben die Zwei einander nicht ausstehen können und sind mit einander gewesen wie Hund und Katze. … Du weißt, daß der Buchmai’r mein nächster Nachbar ist, keine zweitausend Schritte vom Schlöß’lhofe, und wie die Kinder klein gewesen sind und haben angefangen zu laufen, da sind in der ersten Zeit seine Buben schier jeden Abend zu uns in den Heimgarten gekommen, oder mein Mädel ist zu ihnen hinüber, aber wir haben bald gesehen, daß sie nicht gut thun mit einander. Wie der Bub’ und das Mädel nur zusammen gekommen sind, ist das Trotzen und das Raufen angegangen, da haben sie einander gepufft und gezaust; er hat sie einmal in den kleinen Entenweiher hinterm Buchmai’rhof hineingestoßen, und sie hat ihm auf dem Heuboden einen Renner gegeben, daß er bei einem Haar auf die Tenne heruntergestürzt wäre. Wir haben Alles versucht, haben gestraft und gute Worte ausgegeben – es hat Alles nichts genutzt, ist vielmehr mit jedem Tage ärger geworden. Wir haben es dem Herrn Pfarrer erzählt, der hat gesagt, dagegen ließe sich nichts machen, das wär’ eine ‚Synkasie‘, oder wie er’s genannt hat, und das Gescheiteste wäre, die Kinder eben nicht zusammen zu lassen, dann würden sie vielleicht darauf vergessen und sich vertragen, wenn sie einmal in die vernünftigen Jahr’ kommen thäten. Wir haben es dann so gemacht,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_465.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)