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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 30.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.


Hund und Katz’.
Eine Geschichte aus dem bairischen Oberlande.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Ehe der Fremde etwas zu erwidern vermochte, hatte der Bursche sein Vorhaben bereits zur That gemacht, war über die Stufen herabgekommen und hatte ihn untern Arm genommen, wie man mit einem wohl bekannten und vertrauten Genossen zu thun pflegt. „Das ist einmal eine Freud’!“ rief er laut und mit erkünstelter Lebhaftigkeit, daß auch die Bauern nach ihm hinschauten. „Wie es sich nur so schicken kann! Denkt Euch nur, da hab’ ich jetzt auf einmal einen alten Kriegscameraden, einen Veteran gefunden, der in Griechenland bei den Ulanen in Einer Schwadron mit mir und mein Schlaf (Schlafcamerad) gewesen ist. Komm’ nur gleich mit mir, Camerad, in meine Stuben hinauf, damit Du Dir’s kommod machen kannst – der Herr erlaubt’s schon – da können wir recht mit einander discuriren. Da mußt Du mir erzählen, wie’s Dir gegangen ist, seit wir von Athen fort sind.“

Er entfernte sich mit dem Fremden, der ihm ohne Erwiderung folgte. Die Bauern sahen ihm nicht ohne Kopfschütteln und Verwunderung nach, und der Alte meinte, da werde nicht viel Besonderes zu erzählen sein, denn dem sehe man über das Gewand an, wie es ihm ergangen sei. Auch der Hochzeitlader sah Beiden nach und trat sogar an das Geländer vor, als ob er sie an seinem bisherigen Platze nicht genug beobachten könne.

„Mit dem Schlafcameraden ist es nicht ganz richtig,“ murmelte er vor sich hin, denn die Erzählung des Geometers von dem verfolgten Flüchtling stieg ihm in der Erinnerung auf, „der sieht mir nicht aus, als wenn er einmal auf einem Ulanenroß gesessen wär’. Meinetwegen! Was geht’s mich an? Ich werd’ nit den Stichauf machen … aber schön ist’s von dem Burschen, dem Sylvest, daß er sich so annimmt um den armen Teufel. Er ist halt brav durch und durch und hat das Herz auf dem rechten Fleck. – Ist schon ganz recht, was er da vom Reiter-Sein gesagt hat, aber es wär’ doch schad’, wenn der prächtige Bursche seine ganze Lebenszeit so in der Fremd’ und ohne Heimath in der Casern zubringen und vielleicht gar todt oder zum Krüppel geschossen werden sollt! … Es könnt’ ja keinen richtigern Bauern geben für einen gewissen Hof – ich muß mir’s doch überlegen, ob sich da nichts machen läßt. Und warum sollt’s nit möglich sein? Für einen Jeden kommt seine Zeit und sein Tag. Heut’ ist ja Sanct Galli und die Bauernregel sagt ‚Sanct Galli Tag muß jeder Apfel in sein Sack‘. Ich muß mir’s nur überlegen und den Baum einmal schütteln, ob die Aepfel noch nicht reif sind.“ Nachdenklich und fest sah er noch lange auf die Thür, in welcher die Beiden längst verschwunden waren, dann, wie von einem glücklichen Einfall überrascht, richtete er sich auf und nahm seinen Hut vom Tische. „Behüt’ Gott bei einander, Nachbarn!“ sagte er, „will noch nach Andechs hinüber, hab’ noch eine Botschaft auszurichten an den Bräumeister – jetzt wird er wohl Zeit haben, daß er mich anhört.“

„Behüt’ Gott, Trompeterfranzel!“ erwiderte der alte Bauer. „Wirst lang ausbleiben, daß wir etwa noch ein Labet mit den Karten machen können?“

„Ich will’s so kurz machen, als es nur geht,“ rief der Hochzeitlader im Fortgehen zurück, „kurzer Flachs giebt auch einen Faden. Mit dem Karteln aber ist’s nichts für heut – der Wirth meint, es seien viel junge Leut, Burschen und Dirneln da, die gerne einen Sprung machen: da soll ich sehn, ob nichts zuweg’ zu bringen ist mit einem Loostanz.“

Inzwischen hatten der Müller und Mechtild wohl ein paar Mal wieder nach dem Platz gesehen und rüsteten in schweigender Verdrießlichkeit zur Heimfahrt, da Zacharias sich nirgends blicken ließ, also seinen Vorsatz wirklich ausgeführt zu haben schien.

Dem war aber nicht so.

Draußen, in Schußweite vor dem Dorfe, wo die Straße durch einen kleinen, dicht mit Gebüsch verwachsenen Hohlweg führte, lag der Trotzige im Gras und hielt wie eine Schildwache den Weg im Auge, daß keine Feldmaus durchzukommen vermochte, ohne von ihm gesehen zu werden. Ungeschlacht und mit drohender Miene lag er da – neben ihm, nicht minder drohend und ungeschlacht, ein starker Prügel; die Nachbarschaft war keine zufällige, denn manchmal tastete er neben sich nach dem Stecken, wie um sich zu überzeugen, daß der bedenkliche Gefährte, den er aus einer Umzäunung ausgezogen, noch in Bereitschaft zur Hand sei. Zacharias war so erbittert, wie er nie gewesen, und wilde Gedanken gingen ihm durch den sonst so friedlichen Sinn.

Oft schon hatte ihn Mechtild durch ihr spöttisches und hochfahrendes Wesen aufgebracht, immer aber hatte ihn darnach ihr Schmeicheln und Schönthun wieder besänftigt; es war etwas in ihrer Stimme und in ihrem Blicke, wenn sie ihn freundlich ansah, dem er nicht Stand zu halten vermochte, jetzt aber – das stand felsenfest in ihm – jetzt sollte es nicht wieder so hingehen. Jetzt war er fest entschlossen, ihr zu zeigen, daß er auch seinen Willen habe und daß er gesonnen sei, es nicht mehr zu ertragen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_501.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)