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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Kein Elternhaus mehr.

      Nun hegt auf dem Herde,
Wo hold ich die Tage
Der Kindheit verträumte,
Die Flamme ein Fremder.
Ich segne in Wehmuth
Sein Walten und Wohnen
Im Haus meiner Väter
Und grüß’ ihn von ferne.
      Mir aber, mir wandern
Die düstern Gedanken
Verwehrte Wege
Zu Gräbern des Glückes,
Als wäre mir Wonne
Und Liebe und Leben
Verschüttet, verschollen,
     Es meldet das Märchen:
Wenn schon sich umschattet
Im Schauer des Todes
Die sinkende Wimper,
Dann wandle noch einmal
Vorm bangenden Geiste
Das Bildniß der Jugend
In Rosengewölken
Wie winkend vorüber.
      O, gäbe ein Gott mir,
Im Scheiden zu schauen
Dich, sehnsuchtgesuchtes Asyl
Meiner Kindheit!
Dann pflanzt’ ich und pflückt’ ich
Wie sonst wohl im Sommer
Reseda und Rosen
Auf blumigen Beeten
Im Garten der Eltern.
Durch schattige Gänge
Käm’ sinnend geschritten
Die sorgende Mutter.
Sie legte mir leise
Auf’s Haupt wohl die Hände
Und lächelte linde,
Mich segnend in Sanftmuth.
Wohl schaut’ ich in’s liebe,
Verehrte Gesicht ihr
Beseligt noch einmal
Und schlösse die Augen
Und schliefe hinüber,
Hinüber in Schweigen.


Leipzig, 12. April 1875.

Ernst Ziel.

Hund und Katz’.
Eine Geschichte aus dem bairischen Oberlande.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)

Der Wirth dachte Wunder, wie gut er seine Sache gemacht habe, Kuni aber war nicht derselben Meinung – mit einem Zornblick, den er den milden blauen Augen gar nicht zugetraut hatte, verließ sie ihn und hatte sich vorauseilend rasch durch die Thür gedrängt. „Laß nur gut sein, Wirth!“ sagte der Bauer, ihr nachfolgend. „Sie soll schon tanzen und muß tanzen – die Schlösselbauern-Kuni soll nit fehlen, wo es zum Loostanz geht – dafür laß mich sorgen! Es soll nit den Anschein haben, als wenn sie sich nit seh’n lassen dürft’ oder als wenn sie einen Stiegenhansel machen und zuschauen müßt’.“

Das Gespräch war laut genug geführt worden, um auch von den Umstehenden mindestens theilweise vernommen zu werden; dennoch wurde die allgemeine Aufmerksamkeit durch eine neue Erscheinung abgezogen. Die Straße herab ließ sich Hufschlag vernehmen und nach wenigen Augenblicken kam ein Gensdarm auf schnaubendem und schaumbedecktem Rosse herangesprengt und schwang sich aus dem Sattel, während Sylvest erbleichend hinzu sprang, um die Zügel und das Thier in Empfang zu nehmen – er ahnte, wem dieser Besuch und diese Eile galt; wenn der Gensdarm einige Zeit verweilte, wenn er vielleicht gar auf den Gedanken kam, das Haus zu durchsuchen, war sein Schützling verloren und vielleicht der Beschützer mit ihm.

„Soll ich den Braunen in den Stall führen?“ fragte er den Gensdarmen, einen alten graubärtigen Brigadier, der bereits den Wirth herbeigewinkt hatte und mit ihm etwas zur Seite trat.

„Nein, dummer Bursche,“ fuhr ihn dieser unwillig an. „Du siehst doch selber, daß ich das arme Thier so warm geritten habe, daß es ordentlich dampft, daß es also zuvor eine Weile herumgeführt werden muß, damit es nicht verschlägt.“

Ohne Erwiderung that Sylvest, wie ihm befohlen war. Seine Bestürzung und sein Mitleid mit dem Verfolgten wuchs mit der Gefahr: nicht nur die zwei Capitulationsstriche am Rockärmel

des Brigadiers, welche dessen lange Dienstzeit bezeugten, die ganze Haltung des Mannes ließ erkennen, daß er es mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_517.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)