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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


„Ich verlasse dieses Land sehr bald,“ sagte ich leise. „Der Brief hier nimmt die Nachricht mit nach Köln, daß ich in wenigen Wochen dort bei meinem Bruder sein werde.“

Hirschfeldt stieß als Erwiderung einen Ausruf nicht etwa der Enttäuschung, sondern fast freudiger Ueberraschung aus. „Jetzt verzweifle ich noch nicht an des Himmels Gunst gegen mich,“ rief er blitzenden Auges. „Sie wissen doch, daß es stets mein Wunsch war, zur vollständigen Beendigung meiner Studien ein oder zwei Jahre nach Paris zu gehen. Heute gerade wollte ich Ihnen mittheilen, daß ich definitiv diesen Entschluß gefaßt habe, und –“ einigermaßen zögernd fügte er hinzu: „und nun, indem ich ihn ausführe, kann ich Sie in Köln wiedersehen.“

Ich weiß nicht – sprach mein beredtes Schweigen? verriethen sich meine Blicke – – –?

„Helene!!“ So weich, so zitternd ausgesprochen hatte ich noch nie meinen Namen gehört, und plötzlich, mit der Schnelle des Gedankens, lag er zu meinen Füßen. „Nur um ein gutes, ein ermuthigendes Wort flehe ich Sie an,“ bat er.

„Stehen Sie auf!“ sagte ich zum Tode erschrocken, denn mit entsetzlicher Deutlichkeit hatte ich trotz aller Aufregung gehört, wie draußen an der Rampe ein Wagen vorfuhr, und ein flüchtiger Blick auf die Uhr belehrte mich, daß Bambergers in jeder Minute heimkehren mußten. „Stehen Sie auf! Ich will es durchaus.“

„Ist das Ihre Antwort auf all mein Flehen? Ihre letzte, Ihre einzige Antwort?“

„Holen – ja, holen Sie sich eine Andere in Köln!“ stieß ich rasch hervor. Mit einem hellen Jubelrufe sprang Hirschfeldt empor, und es war die höchste Zeit, denn unmittelbar darauf öffnete sich die Flügelthür, und Frau Bamberger trat freundlich grüßend herein.

Sie blickte auf mich, die ich trotz der verzweifeltsten Anstrengungen mich von meiner Verwirrung noch nicht wieder erholen konnte, und dann auf den unerwarteten Gast ihres Hauses, der ihr mit einem so glückstrahlenden Gesichte entgegentrat, daß sie über diese auffallende Weise, sich bei ihr einzuführen, vielleicht noch erstaunter war, auch ließ sie ihre Blicke mit einem ganz seltsamen Ausdrucke von ihm wieder zu mir herübergleiten, bis ich mich endlich insoweit von dem gehabten Schreck erholt hatte, daß ich ihr ‚meinen Freund, den Capellmeister Hirschfeldt‘ vorstellen konnte, ‚den ich früher in Berlin und später in Woronesch gekannt, und mit dem ich häufig musicirt habe.‘

Hirschfeldt’s Sicherheit im geselligen Verkehr kam ihm in der augenblicklich etwas zweifelhaften Situation wieder so gut zu statten, daß er Frau Bamberger in kürzester Frist ersichtlich dadurch gewann. Aus der anfangs nicht wenig peinlichen Scene entwickelte sich allmählich eine angenehm belebte Unterhaltung, die schließlich damit endete, daß die Dame des Hauses unseren Gast zum Diner einlud, welche Einladung er mit fast kindlicher Freudigkeit annahm.

Welch ein Tag war dies! Ein Festtag in jeder Beziehung. Hätte ich mir wohl jemals träumen lassen, daß meinem Leben ein solcher beschieden sei, der, wirklich ein Ostertag, in meinem noch jüngst so resignirten Herzen die neuen, frischen Blüthen der Hoffnung, der Liebe und des Glückes wieder erstehen ließ?

Alexis war so hinreißend liebenswürdig diesen ganzen, glücklichen Tag hindurch, beinahe ausgelassen; er spielte so entzückend, daß er die ganze Familie Bamberger förmlich bezauberte.

Wie werde ich kämpfen, wie mich zusammennehmen müssen, wenn es ihm nicht doch noch gelingen soll, in der nächsten Zeit, während ich noch hier bin und während welcher er uns oft besuchen wird, einen gründlichen Blick in mein Herz zu thun! Das soll er entschieden nicht. Ich will ihm nun einmal den Sieg so leicht nicht machen.

„Bilden Sie sich nicht ein,“ sagte ich ihm gestern, „daß mich jemals etwas bewegen wird, in dieses barbarische Land zurückzukehren, wenn ich erst deutsche Luft wieder athme!“

Er schaute mich mit einem ganz zuversichtlichen, glücklich lachenden Ausdruck in seinen schwarzen Augen an und erwiderte einfach: „Wo Sie sind, Helene, wo der Himmel blau ist und wo Musik gemacht wird, da ist mein Vaterland.“




Das Tagebuch Helenen’s bricht hier plötzlich ab, doch läßt sich vielleicht Beziehung zu demselben in einer gegen das Ende der sechsziger Jahre in einer vielgelesenen deutschen Zeitschrift veröffentlichten Feuilleton-Correspondenz finden, deren Passus über Musik folgendermaßen lautet:

„Was die Pflege der schönen Künste bei uns (es ist von einer bedeutenderen mittelrheinischen Stadt die Rede) betrifft, so hat wenigstens die Musik einen glänzenden Aufschwung genommen, seit vor einigen Jahren der Concertmeister H. für die Leitung der philharmonischen Concerte und des Theater-Orchesters gewonnen wurde. H. ist ein noch junger Mann, wie man sagt ein Russe, welcher Behauptung sein etwas fremdländisches Aeußere keineswegs widerspricht. Wie dem aber auch sei, alle wahren Musikfreunde werden nur mit Befriedigung auf seine Berufung hierher zurückblicken, da die gründlichen Studien und die geniale Auffassung, verbunden mit dem regsten Eifer des jungen Meisters, seinen Einfluß nach jeder Seite hin, eben sowohl was die Auswahl der aufzuführenden Musikstücke, wie deren Ausführung anbetrifft, bisher zu einem segenbringenden und die Kunst fördernden gemacht haben. Ohne Zweifel wird die Zukunft des begabten und liebenswürdigen Künstlers, der selbst bereits die musikalische Welt mit mehreren höchst ansprechenden, ungewöhnliches Talent verrathenden Compositionen beschenkt hat, noch eine bedeutende sein. Wir mögen uns freuen, ihn jetzt noch den Unseren zu nennen, zumal die Anwesenheit des Concertmeisters H. in unserer Stadt, auch was die geselligen Beziehungen derselben anbetrifft, keineswegs bedeutungslos ist, da seine Gattin, selbst eine begabte Pianistin und zugleich eine feingebildete deutsche Dame, es versteht, mit Anmuth und Tact in seinem Hause die Honneurs zu machen und alle Diejenigen in ihrer glücklichen Häuslichkeit um sich zu versammeln, denen höhere Bildung und geistige Interessen Lebensbedürfniß sind.“

Um dieselbe Zeit etwa, in der wir Gelegenheit hatten, diese Notiz zu lesen, durchlief alle europäischen Zeitungen die erschütternde Nachricht, daß in Nizza ein junger Dalmatier, der hoffnungsvolle Sohn einer vornehmen Familie, von einem Russen im Duell erschossen worden sei. Ursache des unglücklichen Zweikampfes sollte eine bildschöne russische Dame gewesen sein, eine junge Madame L., die, wie unschwer zwischen den Zeilen zu lesen war, durch Liebesintriguen mancherlei Art ihren Kummer über eine unbefriedigende Ehe zu betäuben suchte. Arme Wéra!

E. Tegtmeyer.




Blätter und Blüthen.

Noch einmal der Springbrunnen. Den vielen Einsendern von Anfragen in Betreff des in Nr. 40 unseres Blattes mitgetheilten Zimmerspringbrunnen-Projectes diene vorläufig zur Antwort, daß der Erfinder dieser Fontaine sich wegen baldigster Herstellung derselben in größerer Anzahl und zur Erzielung eines möglichst billigen Preises mit einem Mechaniker in Verbindung gesetzt hat. Es ist die Absicht, den Apparat in drei verschiedenen Größen und jede derselben in mindestens drei von einander abweichenden Formen und Ausstattungen (in einer einfachen, einer eleganteren und einer sehr eleganten) herzustellen. Es sind bereits die zum Engros-Bezuge der einzelnen Theile desselben nöthigen Einleitungen getroffen worden, so daß die Zusammensetzung und Regulirung des Springbrunnens voraussichtlich bald wird geschehen können. Preis- und Bezugsmittheilungen werden demnächst durch ein besonderes Circular denjenigen Fragestellern, welche ihren Namen genannt haben, zugehen.




Bitte. Der Unterzeichnete, welcher mit der Abfassung einer Schrift: „Ueber das Geistesleben der Thiere“ beschäftigt ist, erlaubt sich hiermit an alle Herren Thierbesitzer, Thierzüchter, Thierwärter, Thierärzte, Jäger und Thierfreunde die ergebenste Bitte zu richten, sie möchten ihm zum Behufe der Benutzung in jener Schrift gefällige Mittheilung von gut verbürgten und (wo möglich) selbstbeobachteten Beispielen oder Thatsachen machen, welche für die Ueberlegungskraft und das Denkvermögen, sowie für das Gemüthsleben der Thiere sprechen – und zwar unter gefälliger Angabe des Namens und Wohnorts der Herren Beobachter. Einer im Interesse der Sache hoffentlich recht vielfachen Erfüllung seiner Bitte sieht – im Voraus dankend und um Entschuldigung dafür bittend, daß er nicht jede einzelne Zuschrift zu beantworten im Stande sein wird – entgegen

Dr. Ludwig Büchner in Darmstadt.




Kleiner Briefkasten.

Einsender von „Bruckberg“. Geben Sie uns gefälligst Ihre Adresse an!

Jurist und F. W. in Leipzig. Ungeeignet. Verfügen Sie gütigst über das Manuscript!

M. St. in R. Einen Bericht über das Stein-Denkmal finden Sie in dem Beiblatt der Gartenlaube „Deutsche Blätter“ Nr. 45.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 780. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_780.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)