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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Rohheit für das Thier nach sich ziehen. Wird da nicht schon von vornherein der Grund zu totalem Siechthume gelegt? Wäre es denn nicht an der Zeit, daß endlich die Behörden die armen Hunde nicht nur steuer- und maulkorbpflichtig erachteten, sondern daß sie auch etwas besser als bisher das Auge der Humanität auf das speciellere Wohl und Wehe dieser arg mißhandelten Thiere richteten, daß sie überhaupt nicht Thierquälereien fort und fort duldeten, die wahrhaft himmelschreiend sind und in ihrem Wesen entschieden demoralisirend auf den Menschen wirken?

Ich denke doch, daß hier auf dem Wege des Gesetzes und vernünftiger Belehrung viel zu bessern wäre.

Würde z. B. von den Thierärzten, welche recht wohl dazu berufen sind, krankhafte Gebilde, Ausartungen und Wucherungen regelrecht mit zweckmäßigen Instrumenten vom gesunden Organismus zu entfernen, um beim Thiere einen möglichst normalen Gesundheitszustand herbeizuführen und Krankheiten vorzubeugen, oder das Thier geschickter, befähigter zu seinem Gebrauch zu machen, ich sage, würde von diesen Herren und namentlich auch von den Thierarzneischulen aus das Coupiren der Hunde mit Abscheu zurückgewiesen, so wäre schon viel gewonnen. Es würden wohl manche Hundehändler und Züchter, Kutscher und Hausknechte übrig bleiben, die ohne jegliches thierärztliches Verständniß, nur um schnöden Gelderwerbes willen, mit oft sehr erbärmlichen Instrumenten und in meist sehr roher Weise die armen Thiere coupirten oder pinscherten, um auf diese Weise den albernen Geschmack manches blasirten Hundenarren oder die Grille mancher einfältigen Gnädigen zu befriedigen. Solchen Gesellen gegenüber dürfte sich jedoch die Schwere des Gesetzes am vortheilhaftesten erweisen; dem betreffenden Liebhaber aber sollte sofort behörderlicherseits das verstümmelte Thier abgenommen und durch Tödtung seiner Qual entrückt werden. Es würde sich dann wohl die Lust am Hundecoupiren etwas verlieren; zumal wenn der Geldpunkt auf diese Weise mit herbeigezogen würde. Mancher wird freilich über diese meine Herzensergießungen die Nase rümpfen oder mitleidig lächeln; der Mensch in seinem Wahne leistet eben viel, er leistet aber noch mehr in seiner Ueberzeugungsgewißheit.

Zu den humanitären Bestrebungen gehört entschieden auch eine bessere Thierpflege, ein Sichbewußtwerden, daß man dem Thiere gegenüber noch viele Pflichten unbeachtet läßt, dem Thiere gegenüber, dem man doch zum guten Theile seine Existenz und Entwickelung verdankt, dem Thiere, das ein unentbehrliches Glied in der reichen Kette der organischen Welt ist.

Württemberg, welches jährlich Tausende von Hunden in alle Welt verschickt und groß und berühmt bezüglich seiner Hundezüchtereien dasteht, könnte in vorliegendem Falle die ersten Schritte thun und einen Einfluß von ungeheuerer, segensreichster Tragweite auf dieses schamlose Treiben in der Hundeliebhaberei ausüben. Würden von den württembergischen Züchtern aus keine dänischen und keine Ulmer Doggen, natürlich auch keine sogenannten Affenpinscher, keine Bulldogs, Mastiffs etc. mit coupirten Ohren etc. verschickt, so würde sich die ganze Geschmacksrichtung recht bald in ein anderes Fahrwasser finden, vorausgesetzt, daß andere Staaten dergleichen menschenwürdige Bestrebungen thatkräftigst unterstützten. Der Dank und die Unterstützung aller wirklich gebildeten Hundeliebhaber und Thierfreunde würde ihnen sicher werden.

Höchst beachtenswerthe und sachverständige Persönlichkeiten haben sich schon oft und mit beredten Worten in dieser Angelegenheit ausgesprochen, leider haben sie bis jetzt tauben Ohren gepredigt. Professor Dr. Weiß, Docent an der Thierarzneischule zu Stuttgart, sagt in seinem Werke „Der Hund, seine Eigenschaften, Zucht und Behandlung im gesunden und kranken Zustande, nebst Geschichte seiner Racen. (Nach dem Englischen.) Stuttgart 1852,“ hierüber:

„Die Operation des Ohrenstutzens besteht in einer Quälerei behufs der Befriedigung eines unsinnigen Geschmacks; der Hund sieht übrigens, selbst nach der Ansicht der größten Hundefreunde, in seinem natürlichen Zustande weit besser aus, als wenn alle grausame Kunst an ihm verschwendet worden ist; außerdem hören die Folgen dieser zwecklosen Verstümmelung nicht auf, wenn das Ohr geheilt ist. Die dadurch herbeigeführte Entzündung wirkt auch nachtheilig auf das innere Ohr und häufig entsteht dadurch Taubheit etc.“

In ähnlicher Weise spricht sich der Obermedicinalrath und Vorsteher der Stuttgarter Thierarzneischule Dr. Eduard Hering aus. Er sagt in seinem Handbuche der thierärztlichen Operationslehre S. 127:

„Das Abschneiden der Ohren ist beim Pferd nicht mehr üblich; in früherer Zeit suchte man kleinen Pferden (Ponies) durch Abschneiden des Schwanzes, der Mähne und der Ohren ein gefälliges Aussehen zu geben. Ein vor mehreren Jahren in England gemachter Versuch, dieses Verfahren der Vergessenheit zu entreißen, mißlang vollständig etc. Die Hunde werden dem Abschneiden der Ohren am häufigsten unterworfen; man führt für diese Operation an, daß hängende Ohren zu Geschwüren (Ohrwurm) geneigt seien, auch beim Raufen die Ohrmuschel oft gebissen und verstümmelt werde; allein es ist mehr Sache der Mode, denn man hält bei einigen Racen die langen, hängenden Ohren für schön, bei anderen für häßlich. Das Ausreißen der Ohrmuschel ist ein verwerfliches Verfahren, welches bei jungen Hunden vorgenommen wird, durch Halten an beiden Ohren, während der Körper um diese Achse gedreht wird, bis die Ohren in der Hand des Operateurs bleiben. Die unregelmäßige Wunde, welche hiernach entsteht, hat bei der Vernarbung oft die gänzliche Verschließung des äußeren Gehörganges zur Folge etc.“

Deutlicher und verständlicher kann von competenter Seite kaum gesprochen werden. Wer Ohren hat zu hören, der höre, und schneide seinem Hunde die Ohren nicht ab, lasse auch durch fremde Hand diesen Henkerdienst nicht an ihm verrichten, denn der Hund hört eben auch gern wie jedes andere Thier. Wer einflußreichen Kreisen oder maßgebenden Persönlichkeiten nahe steht, möge Alles aufbieten, zu erreichen, daß dem ohnehin schon oft elend existirenden Thiere fernerhin nicht gesunde und höchst nöthige Organe entrissen werden. Der Narr würde dann zwar um eine Narrethei ärmer, die wahre Humanität aber um eine Errungenschaft reicher.

In einer Sitzung der New-Yorker Neurologischen Gesellschaft, welche von bedeutenden Aerzten und Wundärzten besucht war, wurde auch das Thema der Tollwuth behandelt und schließlich eine Reihe von Vorschlägen bezüglich der Maulkörbe der Hunde, der Tödtung der herrenlos herumlaufenden Thiere und der Besteuerung aller Nutz- und Luxushunde gemacht, gleichzeitig aber auch das Wegbrechen und Verfeilen der Fangzähne des Hundes als sicherstes Mittel, ihm das Beißen unmöglich zu machen empfohlen.

Ich halte diese Manipulation, die in der Weise ausgeführt wird, daß dem von ein oder zwei Männern gehaltenen Hunde ein Holzknebel in die Schnauze geklemmt und das Maul durch Stricke oder Riemen fest verschnürt wird, worauf die Reißzähne erst mit einer Zange verbrochen und darnach mit einer Feile glatt gefeilt werden (siehe Seite 824), für eine nicht nur höchst schmerzhafte Operation, sondern für eine vollständig zwecklose Thierquälerei. Deshalb habe ich sie hier mit zur Erwähnung gebracht. Die Tollwuth besteht erwiesener Maßen in ihrer ganzen Schrecklichkeit überall da, wo es Hunde giebt; es mögen die Lande heiß oder kalt sein, die Thiere mögen übermäßig gut oder unverantwortlicher Weise schlecht gefüttert oder gepflegt werden, sie mögen ihren Geschlechtstrieb befriedigen können oder nicht, sie mögen herrenlos frei herumstreifen können oder streng an das Haus gefesselt sein, sie mögen zum Maulkorbtragen angewiesen sein oder nicht, die Tollwuth bildet sich aus der Gesammt- oder aus der Wechselwirkung der angegebenen Factoren, und es ist trotz aller höchst anerkennenswerten Bestrebungen, Beobachtungen und Versuche seitens medicinischer Capacitäten bis jetzt leider kein Mittel gefunden, ihr Wesen zu ergründen und die ihr verfallenen Opfer mit Sicherheit zu retten.

Wer je einen tollen Menschen in seinem maßlosen Schmerze und Elende gesehen, möchte wünschen, alle Hunde aus dem Register der Lebenden gestrichen zu sehen, gleichwohl giebt es doch auch Verhältnisse, die das Halten eines oder mehrerer Hunde zur unbedingten Nothwendigkeit machen. In solchem Falle bleibt dann aber der Wunsch, denselben in allen Verhältnissen eine möglichst rationelle, den Gesundheitszustand der Thiere befördernde und erhaltende Pflege angedeihen zu lassen, gewiß gerechtfertigt, und wenn vor allerlei Verstümmelungen und Verkümmerungen der armen Thiere ernstlich gewarnt wird und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 826. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_826.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)