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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


in’s Land geschmuggelt und ein Bürger von Idar dort verborgen hat …“

„Ein Bürger von Idar – in der Kropp – einen Waffenvorrath? Welche Geschichten das sind, von denen Unsereins auch nicht eine Ahnung hat! Und der Mann, der bei mir war, ist der Mann, der hier, wo Alles noch von Franzosen besetzt ist, so etwas wagt? Welch ein Mann gehört dazu! Aber ich trau’ ihn ihm zu, diesen Muth. Und wer ist denn der Bürger von Idar, von dem Sie reden?“

„Den Mann darf ich Ihnen nicht nennen, Durchlaucht; ich habe ihm natürlich das strengste Geheimhalten versprechen müssen, als er neulich einige Männer und darunter auch mich auf dem Jochmaringhofe versammelt hatte, um unser Interesse für seine patriotischen Zwecke zu gewinnen. Diese Zusammenkunft jedoch wird Ihnen der Meyer von Jochmaring sicherlich bestätigen, wenn Sie eine solche Bestätigung wünschen.“

Die Prinzessin hatte ihre Zeichnung längst weggeworfen, und die Hände im Schooße faltend, saß sie still da und blickte den Rentmeister an. Was dieser ihr sagte, hatte sie wohl überrascht, aber es hatte ganz und gar nichts Unglaubliches für sie gehabt. Es stimmte ja viel zu sehr mit den vorsichtigen Andeutungen und Winken überein, welche längst in Briefen enthalten waren, die ihr Vater von Freunden jenseits der Weser und Elbe erhalten hatte, und die er seiner Tochter nicht vorenthalten. Es war ja auch dasselbe, was ihr in den Sinn gekommen, als die Meyerin ihr von dem englischen Golde gesprochen.

„Ja, ja,“ sagte sie endlich, „er führt auch englisches Gold bei sich.“

„In der That?“ rief Fäustelmann. „Das ist die beste Bestätigung.“

„So ist es. Welche Lage ist das nun aber, in welche Ihr Uffeln gebracht wird! Das ist ja äußerst beunruhigend und fatal für ihn. Mein Gott, der arme Mensch ist alsdann nicht sicher, statt eines Emissärs, den man zu fassen wähnt, einmal plötzlich mitten in der Nacht aufgehoben und trotz aller Einreden die er erhebt, todtgeschossen zu werden.“

„Freilich, in solch eine beunruhigende Situation ist er durch dieses freche Mißbrauchen seines Namens gekommen, und er darf nicht säumen, Alles aufzubieten, um dem ein Ende zu machen. Dieser Emissär mit dem erlogenen Namen muß aus der Gegend verschwinden. Die Schwierigkeit ist nur die, ihn zu finden, um ihn zum Verschwinden zu zwingen. Und da, hoffe ich, helfen Sie uns, Durchlaucht; er wird Sie nicht ohne Andeutungen gelassen haben, wo er sich eigentlich aufhält und wie man auf seine Spur kommt?“

„Ohne Andeutungen nicht, nein, aber da er mir diese Andeutungen freiwillig und im Vertrauen gemacht hat, möchte ich die Hülfe, welche Sie von mir verlangen, Ihnen oder Ihrem Herrn von Uffeln vielmehr in anderer Weise gewähren als dadurch, daß ich Ihnen verrathe, wo Sie ihn finden.“

„Und in welcher Weise würden Sie geruhen, uns zu helfen?“

„Dadurch, daß ich ihm selbst erkläre, er habe mit seinem gestohlenen Namen, der nun einmal Ihren Herrn von Uffeln so furchtbar compromittirt, sofort das Land zu verlassen – aber auch sofort …“

„Und wenn er nicht Lust hat?“

„So werde ich ihm sagen, daß ich mich nicht mehr für verpflichtet halte, seinen Aufenthaltsort zu verschweigen, und daß Uffeln selber ihn dann gewiß dem französischen Polizeicommissar anzeigen werde.“

„Das würde denn freilich genügen,“ sagte mit einem Lächeln der Befriedigung der Rentmeister.

„Aber ich mache meine Bedingung,“ fuhr die Prinzessin fort.

„Und welche, Durchlaucht? Herr von Uffeln und ich werden zu Allem bereit sein.“

„Zu Allem? Wohl denn. Meine Bedingung ist, daß Herr von Uffeln sich den häßlichen Gedanken vergehen läßt, Fräulein Adelheid heirathen zu wollen …“

„Ach, das ist eine harte Bedingung, Durchlaucht!“

„Auf der ich jedoch ganz entschieden bestehe. Ich hatte Herrn von Uffeln allein deshalb zu mir gebeten, um mit ihm darüber zu sprechen. Der Doctor Günther hat mich zum Vertrauten seiner Liebe zu Fräulein von Mansdorf gemacht; sie erwidert seine Neigung; die Liebenden haben sich ewige Treue gelobt. Man wird sie – davon bin ich fest überzeugt – auch nicht trennen. Aber man kann die beiden armen Menschen quälen und unglücklich machen. Ich habe Ihren Herrn von Uffeln davon in Kenntniß setzen wollen, daß Adelheid die Braut des Doctors ist und daß ich von ihm als anständigem Menschen erwarte, er werde das zu achten wissen, er werde der Frau von Mansdorf erklären, daß er seine Ansprüche rückhaltlos aufgeben wollte. Aus einer solchen persönlichen Besprechung der Sache mit Uffeln ist nun nichts geworden, aber das ist um so besser jetzt, weil ich nun viel nachdrücklicher reden, weil ich jetzt bestimmt verlangen kann, was ich heute Morgen doch nur als Bitte und Erwartung aussprechen konnte.“

Ueber des Rentmeisters Züge hatte sich ein Ausdruck von Enttäuschung gelegt, und ein wenig aus der Fassung gebracht erwiderte er:

„Sie gehen da doch sehr rasch und leichtherzig vor, Durchlaucht. Von einer Verlobung des Fräuleins mit dem Doctor wissen die Eltern Adelheid’s nichts, und wenn diese keinen lebhafteren und heftigeren Wunsch haben als den, ihre Tochter mit Herrn von Uffeln verbunden zu sehen, so ist das so außerordentlich natürlich, ihnen durch ihre Verhältnisse so dringlich nahe gelegt, daß Ihre gutmüthige Intervention für diesen Doctor Günther eine große Grausamkeit gegen die Eltern ist.“

Prinzessin Elisabeth nickte sinnig mit dem Haupte.

„Darin mögen Sie Recht haben, Fäustelmann,“ sagte sie. „Aber was läßt sich daran ändern? Ist das nun einmal nicht ein altes Naturgesetz, daß die Ideale der jungen Welt sich mit den Idealen der alten Leute nicht vertragen? Und wenn nun nachgegeben werden muß, so verlangt man das billig von den Alten, weil diese durch das Leben Resignation gelernt haben und resigniren können. Die Jungen haben noch keine Uebung darin, und man darf es ihnen nicht zumuthen.“

„Was Sie nicht Alles durchdacht haben, Durchlaucht!“ sagte Herr Fäustelmann. Erstaunt über so viel Lebensphilosophie in dem reizenden jungen Mädchenkopfe, blickte er sie betroffen an.

„Kommen wir zum Schlusse!“ fuhr sie fort. „Glauben Sie, daß Herr von Uffeln meine Bedingung annimmt? Dann übernehme ich seine Rettung von der Gefahr, in welche ihn – der Andere bringt.“

„Ich bin von Herrn von Uffeln nicht bevollmächtigt, in seinem Namen so etwas zuzusagen. Aber ich will ihm Ihre Willensmeinung mittheilen,“ versetzte der Rentmeister.

„Nun wohl, thun Sie das! Und wenn Sie sehen, daß er schwankt, wenn ihm die Liebe Adelheid’s für Günther kein hinreichender Grund ist, zurückzutreten, so fordern Sie ihn auf, mich zu besuchen, um sich offen mit mir auszusprechen. Ich glaube, es wird mir gelingen, ihm klar zu machen, was er als Edelmann in dieser Lage zu thun und zu lassen hat.“

„Ich will mich auch dieses Auftrages gern entledigen, Durchlaucht,“ entgegnete der Rentmeister, „doch darf ich dagegen wohl aussprechen, daß in dieser Sache die Minuten durchaus nicht kostbar sind, daß dagegen bei der anderen Angelegenheit, der Entfernung dieses Emissärs, die größte Gefahr im Verzuge liegt.“

„Das ist wahr; auch will ich mich sofort bemühen, diese Gefahr zu beseitigen; verlassen Sie sich darauf!“

Fäustelmann hatte sich erhoben und verbeugte sich so tief, wie seine steife Figur es zuließ. Die Prinzessin entließ ihn mit einem graziösen Kopfnicken, als er dankend seinen Abschied nahm.

Sehr viel Dank schien Herr Fäustelmann nun doch, während er durch die Schloßcorridore dem Ausgange zuschritt, nicht zu empfinden; wenigstens lag kein Ausdruck von Heiterkeit in seinen Zügen; im Gegentheile, er sah noch ernster und starrer aus als gewöhnlich.

„Eigentlich,“ murmelte er vor sich hin, „bin ich ausgegangen, Wolle zu holen, und kehre geschoren heim von diesem klugen Huhn von Prinzessin. Daß Uffeln auf das Fräulein verzichtet, davon kann doch keine Rede sein; wären sie nur erst verheirathet! Wäre die ganze Gesellschaft nur erst jenseits der Berge, ‚im Süden‘, wie sie das nennen! Daß sie niemals von da nach Wilstorp zurückkehren und der Herr auf dem Gute sehr bald Fäustelmann heißt, dafür soll nachher auch schon gesorgt werden.“

(Fortsetzung folgt.)



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 832. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_832.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)