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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

sicher nicht gewesen,“ rief Flora scharf; sie trat mit einer ungestümen Geberde ein wenig zurück und beobachtete argwöhnisch den Farbenwechsel auf dem schönen Gesichte des Verlobten. „Bruck war ja selbst immer so eine Art Enthusiast für das sogenannte Volkswohl –“

„Aber jetzt doch nicht mehr, mein Kind – jetzt, wo er bei Hofe verkehrt und die Gnade des Fürsten besitzt, wie kaum ein Anderer?“

„Und weshalb sollte ich diesem Verkehre meine Grundsätze unterordnen?“ fragte der Doctor anscheinend ruhig, allein seine Stimme klang unsicher und bewegt, als habe er noch mit inneren Stürmen zu kämpfen.

„Mein Gott, Sie werden doch nicht mit diesen Umsturzmenschen, diesen Socialdemokraten, gehen wollen?“ rief die Präsidentin ganz bestürzt und alterirt.

„Ich glaube, schon einige Male ausgesprochen zu haben, daß ich gar keiner dieser heftig streitenden Parteien angehöre, eben aus Humanität. Ich bemühe mich, den klaren Ueberblick zu behalten, den der Parteihaß stets trübt und welcher doch so nothwendig ist, wenn man zum wahren Menschenwohle wirken will.“

Währenddem hatte der Commerzienrath geschäftig die Kiste ausgepackt. Ihm war es stets höchst fatal, wenn das Gespräch auf ein Gebiet hinüberspielte, wo die Meinungsdifferenzen ihm das häusliche Behagen, wenn auch nur für einen Moment, störten. Er entfaltete maisgelben Atlas und veilchenfarbenen Seidensammet. „Zwei Toiletten zu Deinem ersten Debüt als Frau Professorin auf dem Balle und in der Soirée,“ sagte er unmittelbar nach Bruck’s Ausspruche zu Flora.

Er hatte seinen Zweck erreicht – der Glanz, den er hinbreitete, war zu verführerisch für Damenaugen; selbst Henriette vergaß momentan ihren Groll, als auch noch elegante Fächer und Cartons mit Pariser Blumen und Federn das reiche Geburtstagsgeschenk vervollständigten. Aber noch war der Inhalt der Kiste nicht erschöpft. „Die anderen Damen meines Hauses dürfen nicht leer ausgehen, um so weniger, als ich einstweilen eine Reise nicht in Aussicht und mithin für die nächste Zeit nicht die Gelegenheit habe, Etwas mitbringen zu dürfen,“ fuhr der Commerzienrath fort.

Die Präsidentin nahm mit süßem Lächeln einen kostbaren Spitzenshawl in Empfang, und Henriette erhielt eine weiße Taffetrobe, in Käthe’s widerstrebende Hand aber drückte der Commerzienrath mit einem eigenthümlich verständnißvollen, vielsagenden Blicke ein ziemlich umfangreiches Etui.

Dieser eine Blick rief blitzschnell in der Seele des jungen Mädchens einen wahren Sturm der widerwärtigen Empfindungen wach, die sie in der letzten Zeit zu ihrem eigenen Befremden so sehr gegen den Schwager und Vormund eingenommen. Nein, und abermals nein! So seltsam feurig und so innig vertraut, als gelte es ein Geheimniß, um das nur sie Beide wüßten, durfte und sollte er sie nicht anblicken – sie wollte sich das ein- für allemal verbitten. Scham, Abneigung und der fast unbezwingliche Drang, ihren Widerwillen gleich jetzt, vor Aller Ohren, unverhohlen auszusprechen, das Alles kämpfte in ihr und mochte sich wohl auf ihrem Gesicht spiegeln, wenn es auch mißverstanden wurde.

„Nun, Käthe, ist es Dir so etwas Neues, beschenkt zu werden?“ fragte Flora. „Was hat Dir denn Moritz zugesteckt? Einmal müssen wir es doch erfahren, das süße Geheimniß – gieb nur her, Kind!“ – Sie fing das Etui auf, das eben im Begriff war, auf die Erde zu fallen, und drückte auf die Feder. Ein blaßrothes Feuer entströmte den Steinen, die, als Halsband aneinandergereiht, auf schwarzem Sammet lagen.

Die Präsidentin nahm die Lorgnette vor die Augen. „Superbe gefaßt! Eigentlich zu künstlerisch, zu antik für die Imitation, wenn sie auch modern und selbst von hochgestellten Damen augenblicklich sanctionirt wird. … Der Glasfluß ist merkwürdig rein und feurig.“ Sie blinzelte angestrengt hinüber und streckte nachlässig die Hand aus, um sich das Etui zur näheren Besichtigung auszubitten.

„Glasfluß?“ wiederholte der Commerzienrath beleidigt. „Aber, Großmama, wie können Sie mich denn für so entsetzlich unnobel halten? Ist denn auch nur ein Faden hier unecht?“ – Er fuhr mit der Hand durch die knisternden Stoffe. „Ich kaufe grundsätzlich nie Imitation – das sollten Sie doch aus Erfahrung wissen.“

Die Präsidentin biß sich auf die Lippen. „Das weiß ich, Moritz – ich bin nur ganz consternirt der Thatsache gegenüber; das sind Rubinen-Exemplare, wie sie, meines Wissens, unsere liebe Fürstin nicht einmal aufzuweisen hat.“

„Dann thut mir der Fürst leid, daß ihm die Mittel dazu fehlen,“ rief der Commerzienrath unter übermüthigem Lachen. „Uebrigens müßte ich mich schämen, gerade Käthe etwas Werthloses zu schenken, Käthe, dem Goldkind, das in zwei Jahren aus dem eigenen Besitze jedes beliebige Capital entnehmen und sich Juwelen anschaffen kann, so viel sie Lust hat. Wie würde sie dann die Imitation als eine Beleidigung verächtlich in die Ecke werfen!“

„Ich glaube das selbst,“ fiel die Präsidentin mit kühler Ironie ein; „Käthe hat eine merkwürdige Passion für alles Schwere, in welchem recht viel Geld steckt – das beweisen ihre ewigen Taffettoiletten. Aber, mein Kind“ – sie heftete die Augen scharf auf das junge Mädchen, das die bebenden Hände wieder auf der Stuhllehne gefaltet und keine Miene gemacht hatte, das Geschmeide zurückzunehmen – „auch die Art, sich zu kleiden, muß vom Tactgefühle, vom guten Ton ausgehen, wenn man denn einmal gern zur feinen Welt gehören möchte. Achtzehn Jahre und Brillanten passen nicht zusammen – an einen Mädchenhals gehört ein schlichtes Kreuz oder Medaillon am Sammetbande, allerhöchstes eine einfache Perlen- oder Korallenschnur.“

„Ich bitte Dich, Großmama, Käthe bleibt doch nicht immer achtzehn Jahre und auch nicht immer ein Mädchen,“ rief Flora mit frivolem Muthwillen. „Das weiß ich am besten, gelt, Käthe?“

Die Augen des Mädchens flammten auf vor beleidigter Scham und vor Unwillen; sie wandte sich stolz ab, ohne auch nur mit einer Silbe zu antworten.

„Schau, wie sie erhaben aussehen kann, die Kleine!“ lachte Flora gezwungen auf – es gelang ihr nicht, ein Gemisch von Aerger und Verlegenheit ganz zu verbergen. „Thut sie doch, als hätte ich an das strengste Amtsgeheimniß mit meiner unschuldigen Ausplauderei gerührt! Ist’s denn ein Verbrechen, wenn man den Wunsch hat, sich zu verheirathen? Geh’, kleine Prüde! Was man in einem vertraulichen Augenblicke bekennt, das muß man auch öffentlich nicht verleugnen.“ Sie schob die schneeweißen Finger spielend unter die funkelnden Rubinen und sah schelmisch und vielsagend blinzelnd den Commerzienrath von der Seite an. „Wahr ist’s, Moritz – das ist in der That ein Collier – wie es nur die Frau eines Millionärs tragen kann.“

Bei diesen Worten erhob sich die Präsidentin. Sie raffte mit ungewohnter Hast und unsicheren Fingern Brief und Lorgnette auf und raffte die Mantille über die Schultern, um zu gehen. „Magst Du auch immer streng auf Echtheit halten, bester Moritz,“ sagte sie vornehm gelassen; „der Champagner, den wir Mittags auf Flora’s Wohl getrunken haben, war es nicht; er macht mir unerträgliches Kopfweh. Ich muß mich für einige Stunden niederlegen.“

Inmitten des Salons wandte sie sich noch einmal zurück. „Wenn ich mich erholt haben werde, möchte ich Dich um eine Entscheidung bitten,“ setzte sie hinzu, indem sie dem Commerzienrath den Brief hinhielt. „Lies ihn – Du wirst finden müssen, daß die Baronin nicht zum zweiten Mal zurückgewiesen und beleidigt werden darf. Ich habe mich neulich gefügt um des lieben Friedens willen, aber nun bin ich nicht mehr in der Lage, so unverantwortlich nachzugeben. Leute unseres Standes lassen sich denn doch nicht wie Marionetten, je nach Gefallen, dirigiren und wohl gar als unbequem abschütteln. Das bedenke wohl, Moritz!“

Mit kalter Strenge in den Zügen und einem hochmüthigen Kopfnicken ging sie hinaus.




19.


„Da wirst Du einen schweren Stand haben, Moritz,“ sagte Flora nach der Richtung zeigend, wo die Präsidentin verschwunden war. „Die Großmama ist gerüstet und bewehrt bis an die Zähne –“

Der Commerzienrath lachte hell auf.

„Nun, Du sollst sehen, sie wird nicht einen Zoll breit von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_281.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)