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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


der Einfahrt in den Hafen noch bedeutend stärker bewegt wurde, als dies auf offener See kurz vorher der Fall gewesen. Dieser ungünstigen Thatsache schien auch in der eigenthümlichen Bauart der Fischerboote Rechnung getragen, die, an sich sehr schmal, mit einem Gegengewichte balancirt werden, wodurch ein Umschlagen verhütet wird.

In solchen Booten, die nach Ankunft eines Dampfers in großer Zahl im Hafen sichtbar und von bronzefarbigen Eingeborenen geführt werden, fuhren wir jetzt an’s Land, kamen aber, von den hohen Wellen oft überfallen, ganz durchnäßt drüben an. Point de Galle (von den Eingeborenen Galla genannt, was bei ihnen Felsen bedeutet und woraus die Portugiesen, die es mit „Gallo“ der Hahn verwechselten, Punto de Gallo machten) ist seit dem Jahre 1640, wo sich die Holländer der Stadt bemächtigten, befestigt und von starken Forts und Wällen umgeben, die sich eine und eine viertel englische Meile um sie ausdehnen. Als Kreuzungspunkt bedeutender Weltverkehrsstraßen ist der Ort ein nicht unbedeutender Handelsplatz. Es sind namentlich die Mauren (Araber) daselbst, in deren Händen der Haupthandel liegt. Eigenthümliche Gestalten, diese Mauren: dunkelbrauner Teint, ganz kahl geschorener Kopf, als dessen Bedeckung ein hoher, meist roth bemalter Rohrcylinder dient, anstatt der Beinkleider ein um die Hüften geschlungenes, bis zu den Knöcheln reichendes, grellfarbiges Tuch – dies sind die äußeren Kennzeichen dieser maurischen Jünger Mercur’s. Auch sind Portugiesen, in geringerer Zahl, in Gallo vertreten und als Hafenplatz der englischen Postdampfer natürlich auch Briten, weshalb sich auch ein mit europäischem Comfort ausgestattetes Hôtel dort befindet.

Wenn wir nach den in den Welthandel übergehenden Producten Ceylons fragen, so denkt man unwillkürlich zunächst an die großartigen Perlenfischereien, welche im Alterthume und im Mittelalter die Insel im ganzen Orient so berühmt machten. Seit aber ein englischer Statthalter die Perlenbänke ausfischen ließ (lediglich um eine größere Productivität zu erzielen), ist die Perlenfischerei fast gänzlich ausgestorben. Die Perlenbänke, an der Palksstraße liegend, begrenzen nur dürre kahle Sandebenen, und die sengende Sonne macht selbst den Eingeborenen einen längeren Aufenthalt in dieser Einöde unmöglich. Ueberhaupt scheint die Perlenfischerei ausschließlich von den Eingeborenen ausgeübt worden zu sein und nie von civilisirten Menschen: man fand nur Spuren nackter Füße dort, nie aber den Abdruck von Schuhen. Welchen Umfang die Perlenfischerei Ceylons in der Glanzperiode erreichte, ist bekannt, ebenso welches hohe Ansehen die Insel dadurch erlangt hat – dies scheinen die jetzigen Eingeborenen zu benutzen, indem sie einen nicht geringen Handel mit imitirten Perlen unterhalten, wogegen die Production der echten fast gänzlich aufgehört hat. Um die hauptsächlichsten Erzeugnisse der Bodencultur Ceylons kennen zu lernen, müssen wir einen Ausflug in das Innere der Insel unternehmen, und es wird daher zweckmäßig sein, zunächst mit den Eingeborenen, in deren Händen die Bodencultur ruht, bekannt zu werden. Die Cingalesen, fast ausschließlich noch dem Buddhismus angehörend, wohnen meist zerstreut in Hütten, die sich im Dickicht des Urwaldes verbergen, und nur selten trifft man an etwas urbar gemachten Plätzen der Insel größere Gruppen ihrer urwüchsigen Wohnungen (abgesehen von den wenigen größeren Ortschaften, die wir nicht Gelegenheit hatten, kennen zu lernen).

Schlanke magere Gestalten, das kohlschwarze Haar am Hinterkopf in einen Knoten gebunden und bestenfalls versehen mit der nothdürftigsten Kleidung – so erscheinen sie uns, oft plötzlich aus dem Dickicht hervortretend, die heimischen Söhne der unverfälschten tropischen Natur. Zur Genüge giebt ihnen die üppige Vegetation des gesegneten Bodens, ohne ihnen große Mühe aufzuerlegen, die nöthigsten Lebensbedürfnisse, und gleich ihren Vorfahren sind auch sie mit den unmittelbaren Naturproducten zufrieden. So stießen auch die Engländer, die erst 1815 in den Besitz des Innern der Insel kamen, bei ihnen auf Schwierigkeiten gegen die systematische Bebauung des Bodens und die Cultur der hauptsächlichsten einheimischen Nutzpflanzen, namentlich Kaffee und Baumwolle, zu deren erfolgreicher Bebauung der Boden besonders geeignet schien. Doch bald gelang es den neuen Ansiedelungen, den Kaffeebau auf Ceylon zu solcher Blüthe zu bringen, daß dadurch den Holländern, die in ihren indischen Besitzungen diese Cultur schon früher eingeführt, ernstlich geschadet wurde, obgleich erstere wegen der Verschiedenheit des Bodens mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Dies beruhte übrigens nur auf Gegenseitigkeit, indem die Holländer durch ihre ausgedehnte Zimmtproduction, wofür doch Ceylon früher ein Monopol besaß, die Cingalesen überflügelten. Große Sorgfalt verwendeten die Pflanzer noch auf die Cocospalme, und Cocosnußöl ist daher ein Hauptstapelartikel Ceylons geworden. Weniger umfangreich, aber um so edler liefert Ceylon eines der kostbarsten Hölzer, das Ebenholz. Nur der Kern des schmalen rußigen Stammes mit schwarzer Rinde kommt in den Handel. – Alle übrigen Bodenerzeugnisse, namentlich Mais, rother Pfeffer, süße Kartoffeln, Reis werden von den Eingeborenen fast ausschließlich für ihre Lebensbedürfnisse gebaut.

Der reiche tropische Urwald, mit dem die ganze Insel gesegnet ist, besteht zum größten Theil aus meist prächtigen Palmengattungen, von denen die erwähnte Cocospalme, ferner die Dattel-, Sago-, Talipot- und Arecapalme die herrlichsten Erscheinungen bieten. Namentlich sind es die beiden letztgenannten Palmen, die sich sowohl durch ihren majestätischen Wuchs wie die ausgedehnte Verwendung ihrer Früchte und Blätter durch die Eingeborenen auszeichnen. Während die erstere durch ihre riesenhaften fächerartigen Blätter, deren Umfang wohl zehn Meter beträgt, prächtiges Material zu Schirmen, ja selbst zu Wohnungen bietet, imponirt die letztere zunächst durch ihren stattlichen Wuchs; sie erreicht eine Höhe von fünfundzwanzig Meter, wogegen ihr Schaft verhältnißmäßig dünn (ein Decimeter Durchmesser) bleibt. Unter ihrer reichen Blattkrone am Gipfel des Stammes wachsen die Areca- (Betel-) Nüsse, aus einer scharfen gewürzigen, dem Pfeffer ähnlichen Substanz bestehend, die von allen Eingeborenen als Kautabak verwendet wird, wodurch eine starke Entwickelung röthlichen Speichels und eine dunkle Färbung der Zähne entsteht. Doch nicht allein in Ceylon, auch in vielen indischen Plätzen ist die Unsitte des Arecakauens, bis zur Leidenschaft gesteigert, heimisch und wird der Bedarf in Indien fast ausschließlich von Ceylon befriedigt.

Einen weniger tiefen Standpunkt als die Indier und Chinesen durch ihren schädlichen Opiumgenuß nehmen die Cingalesen in ihren Berauschungsmitteln ein: Fungur (Fliegenschwamm) und indischer Hanf, welche letztere Pflanze getrocknet geraucht und gekaut wird und mehr erheiternd als berauschend wirkt.

Wir erwähnten bereits, daß sich die Cingalesen fast ausschließlich zum Buddhismus, der Religion ohne Gott, bekennen, und finden daher zwar keinen Heiligencultus bei ihnen, wogegen der Reliquiendienst ein um so ausgedehnterer ist. Die am meisten gepflegten Reliquien sind die Cripâdâs (Fußstapfen) Buddha’s, des über allen Göttern erhabenen vollendeten Weisen, des Stifters ihrer Religion. Die berühmteste dieser geheiligten Fußstapfen befindet sich auf der Spitze des (zweitausendsechshundert Meter hohen) Adamspiks in Ceylon, nach welchem schon im fünften Jahrhunderte viel gewallfahrtet wurde und der noch jetzt, wo über ihm ein Tempel erbaut ist, die geheiligte Stätte, der besuchteste Wallfahrtsort der Buddhisten ist.

An einem prächtigen Nachmittage fuhren wir in einem der landesüblichen, ungemein leicht gebauten Wagen, von zwei feurigen Pferden in raschem Trabe gezogen, dem herrlichen Palmenwalde entgegen. Der bronzefarbene Rosselenker war von uns bedeutet worden, so weit wie möglich in’s Innere zu fahren. In Windeseile hatten wir so die der Stadt zunächst liegenden in üppigem Pflanzenwuchse prangenden Felder durchfahren und befanden uns bald inmitten eines regelmäßige Alleen und reizende Gruppen bildenden Hains von stattlichen Palmenbäumen, deren hohe Wipfelkronen sich, schützend vor den heißen Strahlen der Sonne, zu einem duftigen Dache über unseren Häuptern wölbten. Zu beiden Seiten der schmalen Waldstraße lagen zerstreut eine größere Anzahl der eigenthümlichen Hütten der Eingeborenen, deren Bewohner in der vegetationsreichen Umgebung ihren Beschäftigungen nachgingen, während ihre jüngsten Sprossen sich zuweilen das Vergnügen machten, eine lange Strecke Wegs unserm in raschem Laufe dahineilenden Wagen nachzulaufen. Wir mochten vielleicht eine Meile weit gefahren sein, als der Weg durch ein Gewässer begrenzt wurde. Wir ließen jetzt Wagen und Pferde zurück und setzten den Streifzug zu Fuße fort. Erst einem schmalen Waldwege folgend, stiegen wir eine leichte Anhöhe hinauf, doch bald hatte die erwähnte Regelmäßigkeit des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_383.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)