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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


sah, die sich je nach dem Stande der Sonne für die betreffenden Zonen des Mars vergrößerten oder verkleinerten. Das Spectroskop hat also auch diese teleskopische Wahrnehmung bestätigen können.

Die äußeren Planeten, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, welche überhaupt eine charakteristisch von den inneren Wandelsternen verschiedene Gruppe bilden, weichen auch bei spectroskopischer Untersuchung von diesen ab. Sicher sind allerdings auch sie von Atmosphären umgeben, in welchen Wasserdampf schwebt, wovon man zwar den zu weit entfernten Neptun deshalb ausnehmen muß, weil sein schwaches Licht im Spectrum keine Linien mehr hervortreten läßt, aus deren Position man nähere Schlüsse hätte ziehen können. Charakteristisch für das Spectrum der drei übrigen Planeten ist ein breites, dunkles Band, welches die rothe Farbe durchschneidet und nicht im Spectrum der Sonne oder unserer Atmosphäre erscheint. Dieses deutet darauf hin, daß die Dunsthüllen dieser Planeten entweder chemisch von der unsrigen verschieden sind, oder daß diese Abweichung durch einen bedeutend größeren Druck, der auf diesen Gasschichten lasten muß, hervorgebracht wird.

Genug, daß wir durch das Prisma von einer allgemein befolgten Norm überzeugt wurden, nach welcher die alles Leben erhaltenden Dunsthüllen der größeren wie kleineren Collegen unserer Erde eingerichtet sind. Hierauf gestützt, erscheint die Behauptung kaum mehr als eine kühne, welche ausspricht, daß auch jene Weltkörper von ähnlich organisirten Wesen bewohnt sein müssen oder doch einstmals bewohnt waren, wie die der Erde. –

Das Gesagte, wenngleich es nur ein sehr lückenhaftes Resumé der Resultate der spectroskopischen Untersuchungen unseres Sonnensystems ist, mag dennoch genügen, um Ihnen die große Wichtigkeit dieses Instrumentes vor Augen zu stellen und Sie mit den Gelehrten dieses neuen Feldes der großen Naturwissenschaft die Ueberzeugung gewinnen zu lassen, daß von ihm noch viele der bedeutungsvollsten Räthsel am Himmel werden gelöst werden. Bewunderungswürdigere Erfolge noch, als die oben kurz geschilderten, hat die Analyse der Fixsterne errungen, von welchen ich Ihnen, wie schon oben bemerkt, erst in einem folgenden Aufsatze Einiges erläutern kann.




Weihnachtsfeier in Australien.
Von Theodor Müller.


Zu Weihnachten des Jahres 1850 leuchtete in Melbourne der erste deutsche Weihnachtsbaum, entzündet von deutschen Männern, denen Engländer dazu freundlich die Hand geboten. Von den deutschen Männern aber, die den ersten deutschen Christbaum unter dem Himmel des südlichen Kreuzes aufrichteten, darf der Name Anton Markert’s aus Dresden nicht vergessen werden. Entzückt und schweigend standen die englischen Gäste, und unter ihnen selbst der Gouverneur der Colonie, vor der neuen Erscheinung und blickten in die Flammen und sahen den Jubel der reichbeschenkten Kinder, und wärmten ihre Herzen daran, denn sie erkannten plötzlich den ihnen bis jetzt fremdgebliebenen deutscher Geist. Dieser erste Christbaum leuchtete nicht vergeblich, er ergoß seine Strahlen weit hin, und wenn er auch nicht jährlich brannte, so hatte er doch das deutsche Element gehoben, Vereinigung gefördert und der englischen Mitcolonisten Sympathie geweckt.

Hinübergeführt in diese neue Welt war unser alter Weihnachtsbaum aber erst durch die Revolutionen der Jahre 1848 und 1849 geworden; sie warfen ein anderes und größeres Contingent Deutscher nach Australien, als früher je geschehen. Während bisher nur fromme Secten und einzelne Arbeiter und kleine Landbauer aus Deutschland eingewandert waren, die nicht vermochten den Deutschen emporzubringen, landeten damals intelligente, muthige deutsche Männer aus allen Lebensstellungen, die sich nicht scheuten, sich jeder Arbeit zu unterziehen, den härtesten Entbehrungen und Drangsalen die Stirn zu bieten, um als freie Bürger einer freien Erde dazustehen. Dazu brachten sie das Gefühl der Zusammengehörgkeit mit, das Gefühl eben, welches zu jener Zeit als Hochverrath in der Heimath galt und welches die Geißel wurde, die sie hinauspeitschte. Dies waren die eigentlichen deutschen Pioniere, die dem deutschen Namen die Erde lockerten, daß er wachsen und reifen konnte. Viele mußten sofort hinaus in die Wildniß, um auf ferngelegenen einsamen Stationen vorerst ihr Dasein zu fristen; diejenigen aber, welche Unterkommen in der Stadt fanden (denn Städte gab es dazumal in Victoria noch nicht), traten zusammen, gründeten einen deutschen Verein, sammelten Mittel zur Unterstützung weiterer deutscher Ankömmlinge, und sie waren es dann auch, die einen riesigen Christbaum zum Besten armer Kinder schmückten. Wahrhaftig, nur der weiß es, der lange Jahre in weiter Ferne geweilt, daß Weihnacht mehr als jedes andere Fest die Sehnsucht zur Heimath heraufbeschwört und stilles Heimweh in seinem Gefolge führt, das nur durch rechte und echte liebe alte deutsche Feier des herrlichsten Herzens- und Glaubensfestes gemildert wird.

Ehe diese deutsche Feier bis zu unseren Antipoden vorgedrungen war, hatte sie bei den civilisirten Bewohnern Australiens durchweg eine andere, den englischen Christfestsitten und den klimatischen Anforderungen gleicherweise Rechnung tragende Gestalt. Der deutsche Einwanderer muß sich nämlich erst klar werden, wo er ist, ehe er sich überreden kann: es ist Weihnacht! Vor einem kurzen Jahre noch lagen zu dieser Zeit Flur und Wald im Schnee vergraben, mächtige Krystalle hingen vom Dache seiner Hütte herab und wunderliche Eisblumen bedeckten seine Fenster. Das war in der Heimath. Hier glüht, blüht und duftet es!

Der Engländer nimmt die Gewohnheiten seines Lebens mit in die Welt hinaus. Roastbeef und Pudding, die zwei Hauptbedingungen seines Weihnachtsfestes, fehlen niemals, und Kirchegehen und Schmausen wechseln mit einander ab. Der zweite Weihnachtstag, der sogenannte Boxing-day (box gleich Kistchen, Schachtel) ist der hervortretende Freudentag, da an diesem Tage sich Alles Geschenke zuschickt, was sich liebt oder zu lieben vorgiebt.

In der Hauptsache bleibt sich der Engländer in der Feier dieses Festes auch in Australien gleich, aber statt wie daheim beim behaglichen Kaminfeuer zu verweilen und durch die angelaufenen Fensterscheiben in den nebligen, dämmerungsartigen Tag zu blicken, ruft ihn hier die strahlende Sonne, die blühende Natur, die summende Käferwelt in’s Freie, und er verläßt die erhitzten Räume und flieht hinaus, wo schattiges Dunkel und wohlthuende Kühle ihn umgiebt. Aus diesem Grunde hört Weihnachten auf, ein häusliches Fest zu sein – es wird ein Sommerfest, ein Johannisfest der Antipoden.

Welche reizenden bunten Bilder würden unsere Augen bezaubern, könnten wir aus der Vogelperspective das bunte Leben und Treiben an diesem Feste, besonders des zweiten Tages, beobachten, da dies aber nicht möglich, so wollen wir die Freuden dieses Tages in einzelnen Bildern genießen und nehmen zum Schauplatze unserer Beobachtungen wiederum Melbourne, die stolze Metropolis Victorias.

Es ist der zweite Weihnachtsfeiertag. Die Sonne geht glühend auf, so dunkelglühend, daß wir, indem sie sich über den Horizont erhebt, ungeblendet in ihre feurige Scheibe blicken können. Dies verspricht einen sehr heißen Tag, a smoking-day, wie der Australier ihn benennt. Bald aber wird sie heller, strahlender, flammender, sie saugt die Kühle des Morgens schnell auf und läßt uns ihre brennenden Pfeile fühlen.

Nun werden die Straßen belebt. Fuhrwerke aller Art, vom gewöhnlichen Fabrikskarren bis zum feinsten Gig oder Phaeton, bevölkern sich mit lustigen, lebensfrohen Wesen, deren heitere Gesichter und fröhliches Gelächter verkünden, daß sie diesen Tag zur Freude bestimmt haben und kein Mißton dieselbe stören soll. Reisetaschen, Kistchen, Körbe und Schachteln, die nöthigen Speisen und Getränke enthaltend, werden vorn und hinten, wohl auch zwischen d’rein gestopft und endlich, nach vielem Busteln und Scherzen ertönt die gewöhnliche Frage: „All on board?“ (Alles herein?) und fort geht es dem Ziele entgegen. Das ist ein Kreuzen, ein Wirrwarr von Gefährten, dazwischen Reiter und Reiterinnen, die nicht allein, sondern deren Pferde selbst coquettiren.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_824.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)