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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Weiden-, Draht-, Stroh- und Rohrgeflecht, Porcellan, Terracotta etc., in einer reichen Auswahl von Mustern. Vor Allem wichtig aber ist die Manchette, welche, wie der Kelch die Blume, die Rückseite des Bouquets zu umfassen, während der Bouquethalter die zusammengebundenen Stiele, den Stengel des Bouquets, zu verhüllen bestimmt ist.

Wie groß aber auch bei den Manchetten die Mannigfaltigkeit der Muster und Stoffe ist, aus denen sie gefertigt werden – Papier, Gold- und Silberpapier mit oder ohne durch Farbendruck hergestellte Madaillons, Tarlatan, Blonden, Atlas etc., – immer haben sie, worauf auch ihr Name deutet, einen mehr oder weniger breiten, in der Weise der Spitzen ausgeschlagenen Rand von bald aufrechter, bald hängender Stellung.

So hat sich in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume von noch nicht zwanzig Jahren aus kaum beachteten Anfängen eine Industrie entwickelt, welche zwar dem in Erfurt bis zur Einführung des Indigo florirenden Waidbau an Großartigkeit nicht im Entferntesten zu vergleichen ist, nicht einmal dem vormals so berühmten Erfurter Weinbau, welche aber doch eine Summe von Kräften in Bewegung setzt, die nur Eingeweihten in ihrer ganzen Bedeutung erkennbar wird. Sie ist die nachgeborene Schwester des Samenhandels, der seine Fäden über den ganzen bewohnten Erdball geschlagen hat, und konnte nur hier so rasch und kräftig sich entwickeln, wo das Verständniß für die Blumen so allgemein und Gelegenheit zum Studium etwa verwendbarer Materialien so reichlich geboten ist.




Aus den Erinnerungen eines russischen Publicisten.
Von Friedrich Meyer von Waldeck.
2. Ein Stündchen beim Kanzler des norddeutschen Bundes.

Als der Sommer des Jahres 1866 in’s Land gekommen, erschien auch uns im hohen Norden der politische Horizont nicht vollkommen klar, aber an einen Krieg, einen unmitttelbar bevorstehenden Krieg glaubte Niemand. Ich beurlaubte den treu mir zur Seite stehenden ersten Gehülfen in eine weit entlegene Sommerfrische und gedachte mich in der ruhigeren Zeit des Sommers mit der verdoppelten Arbeit allein durchzuschlagen. Das erschien an sich diesmal schon keine kleine Aufgabe, da eine wahrhaft saharische Hitze den Körper lähmte und den Geist erschlaffte.

Die Differenzen zwischen Preußen und Oesterreich hielt man in unseren Kreisen nicht für tiefgreifend genug, um einen Krieg zwischen verwandten Stämmen herbeizuführen. Die Vermittelung des Kaisers Alexander schien die Gefahr eines blutigen Conflicts vollständig auszuschließen, und wir sahen dem Kommenden ruhig entgegen. Da brachte der plötzliche und unvermuthete Ausbruch des Kampfes zwiefache Ueberraschung, und dazu mir keinen gelinden Schrecken, da ich nun einer vielfach gesteigerten Arbeit ohne kräftige Unterstützung entgegensehen mußte. Aber die Nachricht, welche die in Petersburg lebenden eingewanderten Deutschen wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf, trug ein Moment in sich, wohl geeignet, auch die schwerste und anstrengendste Arbeitslast leicht zu machen. Wie ein dunkler Schleier zerriß es vor meinen Augen; ich sah das Buch der Zukunft vor mir aufgeschlagen und las darin in goldenen Riesenlettern: „Das ist der Weg zu Deutschlands Einheit.“

Mancher Leser wird bei diesen Worten denken: „Es ist keine Kunst, die Vorhersagung von Thatsachen für sich in Anspruch zu nehmen, die seit einem Decennium der Vergangenheit angehören,“ aber die täglichen Leitartikel der „St. Petersburger Zeitung“ aus jener Zeit, die ich damals sämmtlich allein zu schreiben hatte und die in den gesammelten Exemplaren des Blattes im Archive der Redaction, in der Bibliothek der Akademie und in der kaiserlichen Bibliothek aufbewahrt sind, können jedem Ungläubigen sofort zum Beweise dienen, daß ich beim Eintreffen der Kriegsbotschaft in der That die richtige Ansicht von der Tragweite des Ereignisses hatte und öffentlich aussprach.[1]

Und das kostete keinen geringen geistigen Kampf, mir selbst und den Petersburger Deutschen gegenüber. Fast ausnahmslos gehörten wir in der Politik einer liberalen Richtung an und hegten für das preußische Regiment, und namentlich für den Minister Graf von Bismarck-Schönhausen, nichts weniger als sympathische Gefühle. Als ich mich nun in mehreren fortlaufenden Artikeln ganz entschieden auf die Seite Preußens stellte und darauf hinwies, daß hier die Zukunft Deutschlands sei für alle Zeit, stieß ich auch in deutschen Kreisen, und gerade bei den besseren, zunächst auf Widerstand, der sich aber bald in herzliche und begeisterte Zustimmung verwandelte. Das Mißtrauen, welches die deutschen Landsleute in Russland anfänglich dem Vorgehen Preußens entgegengetragen, verwandelte sich bald in enthusiastische Anerkennung, die man nicht selten mir persönlich zubrachte und die mich mit Freude und Befriedigung erfüllte. Man wird es begreiflich finden, daß mir unter diesen Umständen die in der That sehr bedeutend anwachsende Arbeit leicht von der Hand ging, und ich habe – die Zeit des Krieges gegen Frankreich ausgenommen - nie wieder mit solcher Lust, und ich darf wohl sagen, mit solchem Erfolge die Feder geführt.

Meine Stellung war dabei eine eigenthümliche und keineswegs dornenfreie. Der russische Hof und die gesammte russische Presse stand auf österreichischer Seite; natürlich auch das Journal de St. Petersbourg, das officiöse Organ des Ministeriums des Auswärtigen, welches in den Jahren 1870 und 1871 einen völlig unparteiischen Standpunkt einzunehmen wußte. Tag und Nacht trafen Telegramme ein, bald aus dem preußischen, bald aus dem österreichischen Lager. Die russische Presse erklärte die letztere für die reine, ungeschminkte und unangreifbare Wahrheit,

  1. Ich will hier als einzigen Beleg die folgende Stelle aus der „Rundschau“ vom 22. Juni (4. Juli) 1866 (Nr. 40 der „St. Petersburger Zeitung“) mittheilen.
    „Um möglichen Mißverständnissen zu begegnen, kommen wir nochmals auf unseren Standpunkt in Betreff beider kriegführenden Parteien zurück. Was es mit dem Standpunkte in dem gegenwärtigen Kampfe für eine Bewandtniß hat, haben wir hier und dort angedeutet; es läßt sich in kurzen Worten zusammenfassen. In Betreff des formellen Vorwandes zum Kriege, der schleswig-holsteinischen Angelegenheit, ist Preußen wie Oesterreich vom Standpunkte des Bundesrechts wie des Staats- und Erbrechts im Unrecht. Beide verfuhren vom Standpunkte der praktischen Politik, das heißt des Nützlichkeitsprincips, beide haben den Bund wie das Erbrecht perhorrescirt; beide bemächtigten sich der Herzogthümer als Kriegsbeute, ohne den Schein irgend einer anderen Begründung ihrer Ansprüche, und beide sind über die Theilung der Beute in Streit gerathen.
    Aber der gegenwärtige Krieg entscheidet für Deutschland über ganz andere Dinge, als die verhältnißmäßig armselige schleswig-holsteinische Angelegenheit; es ist der wieder zum Ausbruch gekommene Kampf, der eine Zeit lang offen, seit hundert Jahren versteckt geführt wurde, der Kampf um das Uebergewicht Preußens oder Oesterreichs in Deutschland. Wir hatten uns dahin ausgesprochen, daß, wie die Sachen liegen, wir für das Heil Deutschlands unbedingt den Waffen Preußens den Sieg wünschen müssen. Wenn uns darauf Jemand entgegnete: ‚Also in ganz Deutschland soll Bismarck’sches Regiment eingeführt werden, in ganz Deutschland soll der Parlamentarismus unterdrückt, sollen die Rechte des Volkes mißachtet werden, wie jetzt in Preußen?‘ so würden wir antworten: ‚Das verhüte Gott, das kann unsere Meinung nicht sein!‘
    Der Krieg, der gegenwärtig in Deutschland Tausende von Leichen über die zertretene Frucht des Feldes hinstreckt, dieser Krieg entscheidet Deutschlands Geschicke für andere Zeiten als die unseren, für Zeiten, in denen jedwede Hand, die heute dieses Blatt hält, längst vermodert ist, für Zeiten, in denen König Wilhelm wie sein mächtiger Minister längst vom Schauplatze der Thaten abgetreten sind und der Geschichte angehören, und jene Zeiten

    Sie bringen mildre Weisheit; Bürgerglück
    Wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln,
    Der karge Staat mit seinen Kindern geizen,
    Und die Nothwendigkeit wird menschlich sein.

    Für diese Zeiten fallen um Deutschlands Geschicke heute auf den Schlachtfeldern die eisernen Würfel, und fragen wir uns, ob für jene Zukunft Preußen oder Oesterreich in Deutschland präponderiren soll, so kann die Antwort nicht zweifelhaft sein. Mit demselben Freimuth, mit dem wir die Politik des Grafen Bismarck verwerfen, bekennen wir, daß wir in dem preußischen Volke, dem preußischen Staate die Träger deutscher Intelligenz und nationaler Selbstständigkeit sehen, darum wünschen wir Preußen und nicht Oesterreich an Deutschlands Spitze, darum wünschen wir den Waffen Preußens und der mit ihm verbundenen norddeutschen Staaten den Sieg.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_856.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2019)