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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


einem Unrecht ertappt. „Was ist denn das Neues?“ sagte sie unsicher, „Du hast ja gar einen Ring an der Hand?“

Wildel war sichtlich überrascht; er versuchte vergeblich, seine Hand zurückzuziehen, und das Braun seiner männlichen Wangen erblühte zu einem so schönen Erröthen, daß bei seinem Anblicke der scharfe Ton der Fragenden sich unwillkürlich milderte. Sie hob die ergriffene Hand gegen den Feuerschein empor – ein matter Silbersteifen blinkte an dem Ringfinger derselben.

„Das ist ja gar ein Ringel, wie's die Lieb’sleut einander geben,“ fuhr sie befangen fort. „Wildel – ich will nicht hoffen – hast Du einen Schatz?“

„Und wenn’s so wär’,“ entgegnete er und sah der mütterlichen Freundin frei und offen in das bekümmerte Angesicht. „Wär’ das was Unrechtes?“

„Nein, was Unrechtes ist es just nicht,“ sagte Judika etwas beruhigter, „aber schau, wie ich Dich so angesehn und Dir zugehört hab', da ist mir so recht das Herz aufgegangen und ich hab’ mich darüber gefreut, daß Du so ganz der Alte geblieben bist in der Stadt und daß Du noch so gut wie zuvor herein taugst zu uns Bauersleuten in's Himmelmoos – aber der Ring da sagt, daß Du Dir in der Stadt einen Schatz ausgesucht hast, und wenn das ist, Wildel, dann ist auch Dein Herz in der Stadt geblieben – dann zieht’s Dich wieder in die Stadt oder Du denkst gar daran, eine Städtische zu uns zu bringen, und da weiß ich nicht, was ärger ist von den zwei Sachen.“

„Brauchst Dich nicht zu grumen (grämen) deswegen,“ entgegnete Wildel lachend, „das Ringel stammt nicht aus der Stadt.“

„Ja, ich hab’s aber noch nie an Deiner Hand gesehen. Ich hab’ Dich doch, wie Du fort bist, am weitesten fortgeleit’'tund hab’ zuletzt von Dir Abschied genommen – da hast den Ring noch nicht am Finger gehabt.“

„Freilich nicht, aber Du hast mich auch nicht am weitesten begleitet und bist auch nicht die Letzte gewesen, die Abschied genommen hat von mir. Wie ich von Dir weg den Bühel hinaufgegangen bin, wo der Waldspitz gegen die Straß’ herauskommt, da ist unter den Haselstauden ein Dirnl’ gesessen; bei dem hab’ ich nicht vorbeigehen können, bis ich’s gefragt hab', ob es mir nichts anzuschaffen hat für die Stadt; da hat’s mir das Ringel an den Finger gesteckt und hat mir aufgegeben, ich sollt’ es nie vom Finger lassen und sollt’ es ja als ganz wiederbringen.“

„Also keine Städtische?“ rief Judika entzückt. „Ein Bauernmädel, wie’s zu Dir und zu uns paßt? Bub’ das ist recht – Bub’, das freut mich, daß ich’s gar nit sagen kann. Aber wie Du’s nur angefangen hast, daß ich Dir gar nichts angemerkt habe! Wirst Dir schon eine richtige ausgesucht haben, eine schöne, die eine Himmelmooserbäuerin vorstellen kann, wie sich's gehört. Wer ist sie denn? Kenn’ ich sie auch? Jetzt ist keine Gnad’, Wildel – jetzt muß ich Alles wissen.“

„Ich will Dir auch Alles sagen,“ entgegnete er zutraulich, indem er wieder ihre Hand faßte und liebkosend streichelte, „ich hab’ mir schon auf dem Heimweg ausgedacht, daß ich das thun will und will Dich bitten, daß Du uns beistehn sollst, denn ich sorge immer, es wird einen harten Strauß absetzen, bis der Vater sein Jawort dazu giebt. Du aber hast es alleweil gut mit mir gemeint. Du hast mich gern gehabt von klein auf, als wenn Du meine Mutter wärst; Du wirst mich jetzt auch nicht verlassen.“

„Gewiß nicht, lieber Bub’,“ rief Judika und wischte mit dem Schürzenzipfel eine Thräne der Rührung aus den Augen, „aber was werd' ich thun und Dir nützen können, wenn es dabei einen solchen Haken hat, daß Du selber meinst, es wird einen Strauß abgeben mit dem Vater? Was ist es denn mit dem Dirnl’, daß der Vater so arg dagegen sein soll? Wer ist sie denn?“

Schon schwebte der theure Name auf den Lippen des jungen Mannes, als in der Hausthür die scheltende Stimme des Bauern hörbar wurde. Judika hatte in der Eile und Freude ihres Herzens nicht beachtet, daß es schon völlige Nacht geworden und die Hausthür unverschlossen geblieben war. Der Alte wetterte und schalt über die elende Wirthschaft, bei der Einer das ganze Haus ausräumen könne, eh’ es Jemand gewahr geworden, die Häuserin aber trat ihm in gleicher Weise entgegen und versicherte, daß nichts zu besorgen sei, wo sie ihre Augen offen habe. Sie eilte ihm mit dem Oellämpchen in die Wohnstube entgegen, während der Sohn an ihr vorüber der Stiege zuhuschte und ihr flüchtig zurief, er gehe in seine Kummer, sich umzukleiden – er hoffe einen freundlicheren Empfang vom Vater, wenn er ihm nicht in der soldatischen Uniform, sondern im Bauerngewande entgegen trete und dadurch zeige, daß er wieder ganz in demselben heimisch sei,

Der Bauer setzte sich mürrisch an den Tisch im Ofenwinkel und erwiderte nichts auf Judika's Rechtfertigung, die er nicht widerlegen konnte oder wollte. Auch die leise Frage, ob er noch zu Nacht essen wolle, ließ er unbeantwortet, stemmte die Arme auf den Tisch und stützte nachdenklich den Kopf in die Hände. Es mußte mit dem beabsichtigten Eichenhandel doch nicht so glatt abgegangen sein, wie er sich vorgestellt hatte. Vermuthlich hatte der Schäffler von dem landgerichtlichen Verbot bereits Wind bekommen und wollte nicht in die verworrenen Fäden eingreifen, die sich leicht zu einer Schlinge zusammen ziehen konnten. Erst als Frau Judika leichthin bemerkte, daß der erwartete Sohn bereits eingetroffen sei, fuhr der Bauer aus seinem Brüten auf, um sofort wieder in's Zanken überzugehen. „Ja wohl,“ rief er, „hab' es unterwegs schon gehört, daß er da ist. Die Leute haben mir's alle erzählt, daß er durch's Dorf daher spaziert ist in der Uniform, nicht anders als wie ein vornehmer Herr. Er meint wohl, weil er aus der Stadt kommt, darf er bei mir auch den gnädigen Herrn spielen, aber ich will ihm die Flausen schon aus dem Kopfe treiben. Wo ist er denn nachher, der Herr Soldat? Ist wohl schon schlafen gegangen? Hat's nicht erwarten können, bis ich heim komm'?“

Die Häuserin sagte nichts, aber sie hob die Lampe in die Höhe, daß ihr Schein gerade und voll auf die Thür fiel, in welcher der Sohn soeben erschienen war, den grünen Spitzhut mit Hahnenfedern und Gemsbart auf dem dunklen Krauskopf, eine schwarze Florbinde mit lang herabfallenden Enden um den offnen Hals geschlungen, in den schwarzen, nur bis zum Knie reichenden Beinkleidern und den unvermeidlichen Wadenstutzen. Eine braungraue Joppe mit grünem Aufschlag und Kragen sowie Knöpfen aus nachgemachtem Hirschhorn, worauf allerlei Köpfe von Waldthieren, Hirschen, Rehen und Sauen, abgebildet waren, vollendete den Anzug, und so sehr er Judika zuerst als Soldat gefallen hatte, mußte sie sich doch im Stillen zugestehen, daß die fast jägerartige Bergtracht ihn doch fast besser kleidete. Auch der Vater schien einen ähnlichen Eindruck zu empfinden – er brach im Schelten ab und ließ seine Augen einen Moment mit forschender Befriedigung auf ihm ruhn: war es doch, als sähe er in einen Zauberspiegel, der nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit zeige, und erblicke sich selber darin, wie er vierzig Jahre früher als Bräutigam in das Haus getreten. Die Aehnlichkeit, so weit Jugend und Alter sich ähnlich sehn können, war auch überraschend; nur daß, was bei dem Greise hager und eckig erschien, bei dem Jüngling geschmeidig und voll war – dem verwitterten Baume mit der rauhen Rinde und dem knorrigen Holze stand der junge Stamm gegenüber mit glatter Schale, geschmeidig: mit biegsamen und so lebfrischen Zweigen, als könne für dieselben niemals eine Stunde des Alters kommen.

Der Sohn trat ein, nahm den Hut ab und streckte, näher kommend, dem Vater die Hand entgegen. „Grüß Gott, Vater!“ sagte er in herzlichem Tone, „meine Militärzeit ist um – da bin ich wieder und thät' halt recht schön bitten, daß Ihr mich wieder daheim sein laßt im Himmelmoos.“

„Grüß Gott auch!“ erwiderte der Alte, ohne die dargebotene Hand zu ergreifen „es ist mir so weit schon recht, daß Du wieder da bist, und wie's mit dem Daheim-Sein geht, das werden wir ja sehn im zweiten Theil, wie der Herr Pfarrer in der Predigt sagt. Das wird auf Dich selber ankommen, ob Du daheim sein und so leben willst, wie's Brauch ist im Himmelmoos – da hat der Herr Soldat keinen Platz und auch kein Bursch, der mehr im Wald als auf dem Hof ist, der mit Gott und der Welt Händel anfängt, daß beim Landgericht von einem Protocoll zum andern die Tinte nicht trocken wird. Das leid' ich nicht; darauf geb' ich Dir mein Wort, und was das zu bedeuten hat, weißt Du.“

„Habt keine Sorge, Vater!“ sagte der Sohn, „das wird nimmer geschehn – ich hab' mir die gache (jähe) Hitz' abgewöhnt; bei den Kürassieren lernt man's wohl. Schau' meinen Abschied an! Ich hab', so lang' ich beim Regiment gewesen bin,

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